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TAG DES FLÜCHTLINGS 1988

Tag des Flüchtlings
oder Tag der Flüchtlingsbetreuer?

Er stand wieder an. Der Tag des Flüchtlings am 2.10.1987 sollte auch in Wuppertal zu aktiver Öffentlichkeitsarbeit „Pro Flüchtlinge“ genutzt werden, nur – wie macht man das? Wie verhindert man, daß an diesem Tag die in der Flüchtlingsarbeit Tätigen nur wieder mal ihr Diskussionstalent überprüfen können?

Der Ökumenische Arbeitskreis Wuppertal, ein Zusammenschluß aller städtischen, verbandlichen und privaten Flüchtlingsarbeit in der Stadt, stand wieder einmal vor dieser Frage. Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß einkaufende Passanten sich nur unwillig an einen Info-Stand begeben. Auch sollten nicht schon wieder Darbietungen kultureller Art von Flüchtlingen zwar Attraktion, aber keine Information bieten.

Was tun? Wir bildeten einen Unterausschuß zur Planung des Tages. Die Koordination übernahm die Mitarbeiterin des DRK-Kreisverbandes Wuppertal. Eines war den Beteiligten klar. Nur intensiver Kontakt zwischen Deutschen und Flüchtlingen ermöglicht eine Verwirklichung menschlichen Miteinanders aller Nationalitäten, woraus folgt: die Flüchtlinge müssen mitmachen!

Nach und nach entstand ein Kompromiß zwischen den verschiedensten Wünschen von Deutschen und Flüchtlingen, diesen Tag zu gestalten. Flüchtlinge äußerten den Wunsch, etwas über deutsche Kultur kennenzulernen. In der Diskussion entstand daraus ein Solidaritätskonzert verschiedenster Musikgruppen im Tal. Klassische deutsche Lieder, chilenische Volksmusik und zum Schluß Swing der zwanziger Jahre tönten am Abend des 4.10.1987 durch die Räume des Hauses der Jugend. Nicht verwunderlich, daß zum Schluß auch iranische, afrikanische und tamilische Lieder erklangen. Bei freiem Eintritt waren nahezu hundert Leute gekommen. Selbst der Chef des AusIänderamtes beteiligte sich an der tollen Stimmung. Kaum konnte ein Ende gefunden werden, aber das ließ sich leider nicht verhindern.

Deutsche Betreuer meinten, daß dennoch aufgeschlossenen Mitbürgern auch die Gelegenheit zu Kontakt, Gespräch und Information gegeben werden muß. Mit der Versendung von mehr als 60 Presseerklärungen schon Monate vor dem Tag – nicht nur an die Tagespresse, sondern vor allem an Pfarr- und Geimeindebriefe, Bürgervereinszeitungen, Gewerkschaftsblätter u.ä. versuchten wir, Interessierte an den geplanten Info-Stand zu locken. Einige bestätigten, daß sie deshalb gekommen seien, wie oft unsere Erklärung aber gebracht wurde, wissen wir nicht. Die breite Streuung bewirkte allerdings eins: es kamen einige nichtige Vertreter der beiden Kirchen, der Parteien und von Gemeinden, um sich zu informieren. Kontakte wurden geknüpft und Pläne für eine weitere Vertiefung des Themas in den Organisationen geschmiedet. Der Tag des Flüchtlings geht weiter.

„Sei einmal Gast bei einem Flüchtling.“ Dieses war das Motto, welches wir unserem Infostand gegeben hatten, denn hier konnte man nicht nur Informationen abholen und Gespräche führen, sondern sich auch gemütlich hinsetzen, eritreische, afghanische und tamilische Spezialitäten probieren und mit den Mitgliedern der Flüchtlingsselbsthilfeorganisationen Tee trinken. Gott sei Dank spielte das Wetter mit. So wurde der Geschwister-Scholl-Platz in Wuppertal an diesem Tag zu einem Kommunikationsplatz zwischen Deutschen und Flüchtlingen. Es kam auch zu Aktivitäten der verschiedenen Nationalitäten. Eine Tamilin präsentierte Tempelmusik ihrer Heimat. Das reizte zum Stehenbleiben, der heiße Tee zum Verweilen und die Diskussionen entstanden dann von selbst. Nicht nur Zahlen über Flüchtlinge, nicht nur die „Flut“, die „Überfremdung“, die „Probleme“ wurden diskutiert, sondern auch über Gedichte und Kochrezepte wurde geredet und der Tee gepriesen. Fast orientalische Stimmung herrschte zeitweise auf dem Platz. Schön, daß es mit dem Konzert am Abend weiterging. Fast wehmütig trennte man sich von diesem Platz.

Was läßt sich als Resümee ziehen, nach einem solchen Tag? Wie mißt man bei solchen Aktivitäten Erfolg oder Mißerfolg?

Gefallen hat vor allem die lockere Atmosphäre und begrüßt wurde auch der Besuch von wichtigen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben der Stadt. Hier läßt sich weiter was machen. Gut war, daß mehrere Flüchtlingsgruppen mitmachten, und so das Spektrum in seiner ganzen Buntheit zu erleben war. Erschreckt hat uns aber auch, daß die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen wesentlich extremer geworden ist. Empfand man in den letzten_Jahren bei einem solchen Anlaß eher die Gleichgültigkeit vieler Leute, so zeigte sich diesmal bei einer deutlich erkennbaren Gruppe von Passanten die Ablehnung, der Haß gegenüber Flüchtlingen. Es scheint zu einer immer stärkeren Polarisierung in der Bevölkerung zu kommen. Die einen stellen sich entschiedener hinter die Flüchtlinge, die anderen stellen sich ebenso entschieden gegen sie.

Seltsam dieses Gefühl, daß man eigentlich nie genug tun kann!

Gertrud Heinrichs
Flüchtlingsberaterin des Deutschen Roten
Kreuzes, Kreisverband Wuppertal

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