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TAG DES FLÜCHTLINGS 1988

Flüchtlingsschicksale

Rückflug in den Tod

Der Fall des tschadischen Asylbewerbers Bichara

Am 21. April 1986 um 8.00 Uhr bestieg der Tschader Abdoulave Awidjeli Bichara auf dein Frankfurter Flughafen die Maschine AF 741 mit dein Ziel N’Djamena. Dort traf er um 15.10 Uhr ein, wurde umgehend von der tschadischen Sicherheitspolizei (DDS) verhaftet und zum DDS‑Hauptquartier gebracht.

Nur wenige Tage später, am 25. April 1986, starb er dort an den Folgen von Folterungen. Das erfuhr amnesty international aus verschiedenen Quellen.

Abdoulaye Awidjeli Bichara hatte zermürbende Erlebnisse hinter sich. Nachdem der Tschader von 1982 bis 1985 in Libyen gelebt hatte, kam er in die Bundesrepublik Deutschland, um hier politisches Asyl zu erhalten. Der Grund für seine Flucht: seine Familie unterstützte die frühere Regierung des Tschad unter Goukounii Oueddei. Nach der Machtübernahme des derzeitigen Präsidenten Hissene Habre mußte Abdoulaye Awidjeli Bichara mit seinem Vater das Land verlassen. Sein Vater wurde im Juli 1983 von Sicherheitskräften im Tschad verschleppt.

Am 25. Oktober 1985 stellte Bichara seinen Asylantrag in Eschwege. Er wurde in das Flüchtlingslager in Herleshausen eingewiesen. Er fühlte sich isoliert, weil sich in Herleshausen keine französischsprachigen Flüchtlinge aufhielten. Seine Deutschlehrerin war die einzige Person, mit der er sich auf Französisch unterhalten konnte. Sie erzählt, daß er keinen Kontakt zu anderen Flüchtlingen hatte und verzweifelt war. Bichara beantragte bei den deutschen Behörden seine Überstellung in ein Aufnahmelager, wo er Landsleute oder Flüchtlinge aus französischsprachigen Ländern zu finden hoffte, mit denen er reden könnte. Die Behörden lehnten seinen Antrag aus Verwaltungsgründen ab.

Bichara drehte durch. Seine Deutschlehrerin berichtet, daß sein Verhalten aggressiv geworden sei. Die psychische Belastung war zu groß: die Flucht aus der Heimat, das Verschwinden seines Vaters, erneute Flucht, schließlich die Isolation und Ungewißheit, die lange Prozedur des AsyIverfahrens in der Bundesrepublik. Am 25. Februar 1986 wurde Abdoulaye Awidjeli Bichara in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

In seiner Verzweiflung beschloß Bichara, in den Tschad zurückzukehren. Er zog seinen Asylantrag zurück. Es war eine Heimreise in den Tod. Vier Tage nach seiner Ankunft, am 25. April 1986, wurde er unbeaufsichtigt im Hof des DDS‑Hauptquartiers sich selbst überlassen. Er hatte Schaum vor dem Mund und befand sich, so Augenzeugen, aufgrund der Folterungen in sehr schlechter körperlicher Verfassung. Noch am selben Tag starb Abdoulaye Awidjeli Bichara um 15.00 Uhr.

Am folgenden Tag, dem 26. April, beauftragten Angehörige der DDS zwei Gefangene, Bicharas Leiche mit Säcken zuzudecken und in einen Lieferwagen zu verladen. Die Leiche wurde an einen unbekannten Ort gebracht.

Die Behörden im Tschad gaben den Tod von Abdoulaye Awidjeli Bichara nicht bekannt, und es wurde keine offizielle Untersuchung durchgeführt, um die Gründe für seinen Tod zu klären. Bislang hat amnesty international auch von der Botschaft des Tschad in der Bundesrepublik keine weiteren Informationen bekommen können.

Versuchte Abschiebung

Der Fall der Iranerin S.

Der Fall liegt einige Zeit zurück: am 30. April 1987 wurde die Iranerin S., nachdem ihr Asylgesuch abgelehnt worden war, von der Ausländerbehörde in Berlin in Abschiebehaft genommen und um 12.30 Uhr in ein Flugzeug nach Frankfurt gesetzt. Auf dem Rhein‑Main‑Flughafen erfuhr sie, wohin die Reise gehen sollte: via Zürich um 15.15 Uhr nach Teheran. Warum Frau S. aus ihrer Heimat geflohen war, und was ihr bei erfolgter Abschiebung dorthin zurück wieder hätte geschehen können (die Abschiebung konnte in letzter Minute durch Eilschaltung von Anwälten verhindert werden), beschreibt sie selbst:

„Im Herbst 1983, als ich mit meinem Wagen zwischen der Stadt, in der ich unterrichtete, und der Stadt, in der ich wohnte, unterwegs war, war ich eines Tages in Begleitung eines männlichen Kollegen. Als wir in die Stadt, in der ich wohnte, hineinfuhren, wurden wir von Revolutionswächtern angehalten. Sie fragten uns: Was für eine Beziehung habt ihr? Warum seid ihr zusammen unterwegs? Sie brachten uns dann zum Revolutionskomitee. Dabei achteten sie überhaupt nicht auf das, was wir ihnen sagten. Der Grund war einfach, daß es unislamisch war, daß wir zusammen unterwegs waren. Sie hielten mich insgesamt 48 Stunden fest. In dieser

Zeit beschimpften und beleidigten sie mich auf unterschiedlichste Art und Weise. Schließlich brachten sie mich zum Gesundheitsamt wo sie überprüften, ob ich noch Jungfrau war. lm Komitee begann ich mich zu verteidigen, aber sie hielten mir entgegen, mein Verteidigung sei ungültig, weil ich für den Vorfall nicht zwei männliche Zeugen vorweisen könne. Nach 48 Stunden ließen sie mich gehen. Als ich das Komitee verließ, sagte eine der weiblichen Pasdaran zu mir: Wie kannst du für unsere Töchter und zukünftigen Mütter ein Beispiel sein, wenn du diesen schlechten Weg gewählt hast? Sei froh, daß du unberührt bist, wir hätten dich sollst nicht so einfach gehen lassen.

Ich kehrte nach diesem Vorfall an meine Arbeitsstelle zurück. Eine Woche später wurde ich aus dem Unterricht heraus zum Direktor gerufen. Er stellte mich einigen Frauen vor, die den schwarzen Tschador trugen; einige hatten sogar das Gesicht völlig verschleiert. Sie zeigten mir ein Urteil, in dem stand, daß ich zu 75 Peitschenhieben verurteilt sei. Das Urteil sollte an diesem Tag und an diesem Ort vor meinen Schülern und Kollegen vollstreckt werden. Deshalb seien sie hier.

Ich war überrascht und entsetzt. Ich versuchte, auf sie einzureden, sie Sollten mir eine Chance geben, mich zu verteidigen. Aber sie sagten, ihre einzige Pflicht sei es, dieses Urteil zu vollstrecken. Daraufhin versammelten sich alle Schüler im Schulhof. Sie stellten einen großen Tisch in die Mitte des Hofes, verlasen das Urteil Und legten mich dann auf den Tisch. Zwei Revolutionswächterinnen hielten mich an den Armen fest, eine dritte fing an, mich auszupeitschen. Die seelischen Schmerzen waren viel schlimmer für mich als die körperlichen. Ich konnte nur die Schreie der Kinder hören. Die Schmerzen wurden so unerträglich, daß ich begann, mit dem Kopf immer wieder gegen die Tischplatte zu schlagen.

Als das alles vorbei war, brachten sie mich halbtot nach Hause zu meinen Eltern.

In derselben Nacht fing mein rechtes Auge so stark zu bluten an, daß sie mich ins Krankenhaus brachten. Die Ärzte operierten mich sofort. Als sie ein paar Tage später den Verband abnahmen, wurde ich mit einer bitteren Wahrheit konfrontiert: Ich war auf dem rechten Auge blind. Ich habe ohne jede Schuld mein Augenlicht verloren. Meine einzige Schuld war es, eine Frau zu sein. Sie hatten nichts in der Hand gegen mich. Ohne jede Gerichtsverhandlung und allein aufgrund der Aussagen der Pasdaran haben sie mich auf diese Weise misshandelt.

Einreiseverweigerung

Der Fall des Ghanaers Ankomah

Baffour Ankomah, Redakteur der Zeitschrift „Pioneer“ in Kumasi/ Ghana, schrieb, nachdem er bei einem Europaaufenthalt zweimal Berlin besucht hatte, einen Artikel, der sich sehr kritisch mit den Zuständen in der DDR auseinandersetzte. Dieser Artikel, so Ankomah, veranlaßte zunächst die DDR-Botschaft alt Accra, bei der ghanaischen Regierung vorzusprechen. Die Regierung wiederum ging gegen ihn vor: sechs Sicherheitsbeamte wurden nach Kumasi geschickt, um ihn zu verhaften. Ankomah, der aus Erfahrung wußte, wie der Sicherheitsdienst mit mißliebigen Journalisten umgeht – er war 1985 kurzzeitig festgenommen und in der Haft schwer mißhandelt worden -, flüchtete nach Nigeria. Seine Situation dort war jedoch prekär: er hatte keine Aufenthaltsgenehmigung, stand also unter der ständigen Gefahr, nach Ghana abgeschoben zu werden; zudem setzten ihn in Lagos wohnende Ghanaer unter Druck.

Ankomah beantragte ein Einreisevisum für die Bundesrepublik Deutschland, um hier politisches Asyl zu beantragen. Berichte der bundesdeutschen Botschaft in Accra (Ghana) und Lagos (Nigeria) bestätigten, daß in der Tat Ankomah Gefahr drohte. Das Auswärtige Amt sprach sich für eine Asylgewährung aus.

Dennoch durfte Ankomah nicht in die Bundesrepublik einreisen: das in letzter Instanz zuständige Bundesinnenministerium verweigerte die Einreise. Daß Ankomah wenigstens zur Zeit außer Gefahr ist, verdankt er der Tatsache, daß es ihm gelungen ist, nach Großbritannien zu entkommen. Hätte es am Bundesinnenministerium gelegen, hätte Ankomah für seine Kritik an den Verhältnissen in der DDR eventuell mit Haft und Folter bezahlen müssen.

Zusammengestellt von amnesty international


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