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TAG DES FLÜCHTLINGS 1998

UNHCR-Grußwort
zum Tag des Flüchtlings 1998

Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Das menschliche Drama von Flucht und Vertreibung hat auch 50 Jahre nach Verabschiedung der UNMenschenrechtserklärung nichts von seiner bedrückenden Aktualität verloren. Gewiß gibt es höchst unterschiedliche Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen. Kaum bestreitbar ist jedoch die Tatsache, daß die Flüchtlingstragödien der letzten fünf Jahrzehnte untrennbar mit massiven und gezielten Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten der Welt verbunden sind.

Flucht ist für Millionen von Menschen immer noch die einzig verbleibende Alternative, die Überlebensstrategie, auf die erst zurückgegriffen wird, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Gerade das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist gekennzeichnet von einer Vielzahl regionaler und innerstaatlicher Konflikte, in denen die brutale Vertreibung ganzer Volksgruppen zum erklärten Kriegsziel erhoben wurde.

Auf der anderen Seite wird die Präsenz von Flüchtlingen in vielen Staaten zuvorderst als ein Problem der inneren Sicherheit angesehen. Vor diesem Hintergrund wird die Hohe Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen, Sadako Ogata, nicht müde zu betonen, daß Sicherheitsinteressen von Staaten letzten Endes nur dann dauerhaft gewahrt bleiben können, wenn man an humanitären Grundsätzen und Standards festhält. Ohne Sicherheit der Menschen, auch die der Flüchtlinge, kann es keine stabile Welt geben.

Derzeit werden weltweit bis zu 35 Bürgerkriege und eine Vielzahl weiterer schwelender Konflikte gezählt. Die Kriegsparteien gehen oft mit ungeheurer Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung vor. Deren Terrorisierung gilt als probate Taktik, um den jeweiligen Gegner zu bekämpfen. Die Privatisierung der Gewalt in diesen Konflikten ist weit vorange schritten. Sie tritt willkürlich und anarchisch auf, aber sie wird auch gezielt als Mittel religiös, politisch oder ethnisch motivierter Verfolgung eingesetzt.

Die Zivilbevölkerung steht zwischen den Fronten. Ihr droht Gefahr von staatlicher wie nichtstaatlicher Seite. Die Hoffnung auf Schutz und Sicherheit treibt sie zur Flucht. Doch immer weniger Zufluchtsuchende können damit rechnen, einen sicheren Zufluchtsort zu finden. So nimmt die Zahl jener Menschen zu, die innerhalb ihres Heimatlandes vertrieben wurden und nirgendwo hingehen können. Wenige Jahre vor dem Jahrtausendwechsel ist das internationale System des Flüchtlingsschutzes, das seit dem Beginn dieses Jahrhunderts mühsam aufgebaut wurde, an seine Grenzen gelangt und wie nie zuvor gefährdet.

Zudem ist unübersehbar, daß die Bereitschaft der Staatengemeinschaft, im Fall komplexer humanitärer Krisen politisch zu intervenieren, in den letzten Jahren nicht immer vorhanden war. Hilfsorganisationen sind in Konfliktregionen zunehmend auf sich allein gestellt. Diese, so die UN- Flüchtlingskommissarin, könnten jedoch »weder Bürgerkriege beenden noch Staaten zwingen, die Menschenrechte ihrer Bürger zu achten oder die vorsätzliche Vertreibung einer Zivilbevölkerung stoppen«.

Vor diesem Hintergrund bleibt ein funktionierendes internationales System zum Schutz von Flüchtlingen unabdingbar, um jenen Menschen eine Zufluchtsmöglichkeit zu bieten, die in ihrer Heimat allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Glaubens oder politischen Meinung verfolgt werden.

Sinn und Zweck der Genfer Flüchtlingskonvention war und ist es daher, Menschen, die in ihrem Heimatland keinen Schutz vor Verfolgung finden können, ersatzweise internationalen Schutz zu ge währen, solange dieser erforderlich ist.

Nach Auffassung von UNHCR und einer großen Anzahl von Aufnahmestaaten ist dabei unerheblich, aus welchen Gründen der Schutz im Heimatland nicht gegeben ist. Für die Frage der Schutzbedürftigkeit spielt es keine Rolle, ob der Heimatstaat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bürger zu schützen oder staatliche Strukturen sich aufgelöst haben und die Verfolgung von nichtstaatlichen Organen ausgeht.

In jüngster Vergangenheit haben sich dieser Auffassung auch Staaten wie Frankreich oder Norwegen angeschlossen, die zuvor für eine restriktivere Auslegung des Flüchtlingsbegriffs eingetreten sind. In Deutschland hat die Diskussion um die Schutzbedürftigkeit algerischer und afghanischer Zufluchtsuchender dazu beigetragen, diese Frage mehr in den Vordergrund zu rücken.

Gewiß bedarf es der internationalen Zusammenarbeit der Staaten untereinander und mit UNHCR, um das breite Spektrum von Themen im Zusammenhang der nichtstaatlichen Verfolgung besser bewältigen zu können. Dazu ist es notwendig, die Ursachen von Konflikten anzugehen und in der Phase der Friedenskonsolidierung eine Rückkehr der Flüchtlinge in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Solange dies jedoch nicht möglich ist, bleibt es vorrangige Aufgabe, die Schutzbedürftigkeit jener zu respektieren, die fliehen mußten, weil sie in ihrer Heimat keinen Schutz mehr finden konnten.

Anne Dawson-Shepherd
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR)
Vertreterin in der Bundesrepublik Deutschland

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