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TAG DES FLÜCHTLINGS 1998

Kein Menschenrechtsthema?

Günter Burkhardt

Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Liest man den aktuellen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, drängt sich der Eindruck auf: Menschenrechtsverletzungen gibt es in allen Teilen der Welt – nur nicht in Deutschland. Bereits der Titel ist Programm: »Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen« – ein entsprechender Bericht über die Situation in Deutschland existiert nicht.

Da wundert es nicht, daß das Bundesministerium des Innern zunächst den Wunsch des Forums Menschenrechte nach einem Gespräch über Fragen des Asyl- und Ausländerrechts ablehnte. Dies hätte »keine spezifisch menschenrechtlichen Fragestellungen zum Inhalt«. Doch diese Sicht der Menschenrechte ist nicht haltbar. Die Weltmenschenrechtskonferenz und die Weltfrauenkonferenz haben sich intensiv mit den Themen Asyl und Rassismus befaßt.

Auch im Europäischen Parlament hat sich mittlerweile die Linie durchgesetzt, im Menschenrechtsbericht auch die Situation innerhalb der Europäischen Union zu thematisieren: Wer die Praxis der Menschenrechte im eigenen Land nicht auf den Prüfstand stellt, macht sich unglaubwürdig und macht es zugleich menschenrechtsverletzenden Regimen in aller Welt leicht, den blinden Fleck im Auge der Kritiker zu benennen.

Der Menschenrechtsbericht des Europäischen Parlaments liest sich wie eine Liste all dessen, was auf diesem Sektor aufzuarbeiten ist. Er macht deutlich, daß Staaten mit demokratischem Selbstverständnis nicht davor gefeit sind, in drastischer Weise Menschenrechtsverletzungen zu dulden oder sie – durch die menschenrechtswidrige Ausprägung ihres nationalen Rechts – geradezu hervorzubringen.

Vielen in der Flüchtlingsarbeit in Deutschland Tätigen ist dieser Aspekt bisher entgan gen. Obwohl die europäische Flüchtlingspolitik sich auf dem Wege zu einer längerfristigen Vergemeinschaftung befindet, wird Flüchtlingspolitik auch von den Nicht- Regierungs- Organisationen oft als Teilbereich der Innenpolitik betrachtet. Die Forderung nach einem wirksamen Schutz von Flüchtlingen als Opfer massiver Menschenrechtsverletzungen könnten jedoch an Akzeptanz in der Öffentlichkeit gewinnen, wenn die menschenrechtliche Dimension stärker herausgestellt wird.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments zeigt, wie sich in vielen Bereichen die Orientierung der europäischen Staaten in Richtung auf eine Flüchtlingsabschottungspolitik zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen summiert. Das – relativ machtlose – Europäische Parlament repräsentiert die Vorstellung eines »Europas der Menschenrechte« gegenüber einem Europa der Beamtenstäbe und Geheimgremien, der Flüchtlingsabwehr und der Kollaboration mit Staaten, die Menschen zur Flucht treiben.

Der Tag des Flüchtlings steht 1998 erneut unter dem Motto: »Wer Menschenrechte vergißt, vergißt sich selbst.« Dieses Motto ist in mehrfacher Hinsicht Programm. Es kann zunächst so verstanden werden: Wer sich um Menschenrechtsverletzungen nicht kümmert, der vergißt, daß er den Schutz der Menschenrechte möglicherweise schon bald selbst dringend braucht. Es erinnert aber auch daran, daß die Frage der Verletzung der Menschenrechte sich nicht nur beim Blick auf die Herkunftsländer von Flüchtlingen stellt, sondern auch in Hinsicht auf den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland. Es liegt an uns, dies im öffentlichen Bewußtsein stärker zu verankern.


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