Landshuter Zeitung vom 9.10.1999
„EU muss Abschottungspolitik aufgeben“
Gründer der Flüchtlingshilfsorganisation „Pro Asyl“
informierte über Verantwortung der Europäer
PRO ASYL-Vortrag in Landshut: PRO ASYL-Vortrag in Landshut
„Das Menschenrecht auf Asyl darf keinesfalls geopfert werden.“ Diesen Appell richtet Pfarrer Herbert Leuninger nicht nur an Deutschland, sondern an die gesamte Europäische Union. Es sei an der Zeit, dass Europa endlich seine Politik der Abschottung aufgebe, sagte der Theologe in einem Gespräch mit der Landshuter Zeitung. Freilich solle der Individualität der einzelnen Länder Rechnung getragen werden, doch müssten sich diese den Flüchtlingen prinzipiell öffnen.
Vor 13 Jahren hat der Frankfurter Seelsorger Herbert Leuninger die Flüchtlingshilfsorganisation „Pro Asyl“ gegründet. Zu diesem Schritt hätten ihn seine Erfahrungen als Ausländerreferent im Bischöflichen Ordinariat bewogen. Es habe einfach eine Organisation gebraucht, die den verschiedenen Gruppen, die sich bereits in den 70er Jahren um Flüchtlinge kümmerten, ein organisatorisches Dach gebe, blickt Leuninger zurück. Und rückblickend freut er sich: „Es ist überraschend, wie wenig wir in all den Jahren politisch angefeindet wurden.“ Dabei teilt Pro Asyl ordentlich aus – und spart auch nicht mit „harscher Kritik an der rot-grünen Bundesregierung“, wie Leuninger betont. Jene Regierung habe beim „Asylrecht weitgehend die harte Linie der Ära Kohl/Kanther fortgesetzt“, sagte jüngst „Pro Asyl“-Sprecher Heiko Kauffmann. Aber die Kritik gilt nicht allein der deutschen Flüchtlingspolitik, sondern der gesamten Europäischen Union.
Aufklären tut not
Kommende Woche wird der Europäische Flüchtlingsrat, zu dem sich „Pro Asyl“ und ähnliche Organisationen in anderen Ländern zusammen geschlossen haben, Flagge zeigen. Und zwar beim Gegengipfel zum offiziellen Gipfel der EU im finnischen Tampere am 15. und 16. Oktober. Mit dieser und anderen Aktionen erhoffe sich die Nichtregierungs-Organigation „Pro Asyl“, „die Sicht der Flüchtlinge stärker in die politische Diskussion, einzubringen“, sagt Pfarrer Leuninger. Und: „Unsere wichtigste Einflussmöglichkeit ist die Öffentlichkeit“. Stellvertretend für die Flüchtlinge, die – weil keine potentiellen Wähler – auch keine eigene Lobby hätten, wolle „Pro Asyl“ in erster Linie aufklären.
Proporz bei Aufnahme gefordert
Es sei zum Beispiel wenig bekannt, dass die Bundesrepublik zwar in absoluten Zahlen gerechnet viele Flüchtlinge aufnehme. „Aber dem stehen auch kleinere Länder prozentual nicht nach“, betont Leuninger. Selbst wenn die Situation bei den EU-Ländern historisch bedingt unterschiedlich sei: Ein Proporz, was die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge anbelangt, sei auszuhandeln, fordert der Gründer von „Pro Asyl“.
Situation in Landshut entschärft
Immer wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden müsse auch der Umstand, dass „weite Teile der Wirtschaft“ in der Bundesrepublik nur deshalb funktionierten, weil Menschen anderer nationaler Herkunft hierher gekommen seien. Manche Flüchtlinge würden seit Jahren in der Gastronomie arbeiten. Diejenigen, die bereits über Jahre hinweg in Deutschland lebten, bräuchten „endlich einen legalen Aufenthaltsstatus“, fordert Leuninger „Menschen, die ihn brauchen, muss der Asylschutz auch gewährt werden“, macht der Gründer von „Pro Asyl“ das Anliegen seiner Organisation deutlich. Flüchtlinge aufzunehmen, sei das eine. Zum anderen appelliert Leuninger daran, verstärkt entwicklungspolitisch zu arbeiten: „Die Situation in den Herkunftsländern muss verbessert werden.“
„Eine Wendung zum Positiven hin brauche es auch in einer anderen Beziehung: Schleuserbanden würden so lange aktiv im Geschäft bleiben, so lange sich keine internationalen Organisationen etablierten, die die Flüchtlinge seriös in die jeweiligen Aufnahmeländer bringen.
Die Situation in Landshut sei entschärft, berichtet Max Schierer vom „Haus international“. Besonders mit den Kirchen arbeite die Einrichtung sehr gut zusammen. Die meisten der 300 in Landshut lebenden Flüchtlinge stammten aus dem Kosovo. Von denen sorgten sich jetzt aber viele, im Winter wieder in die Heimat zurück kehren zu müssen. (rüd)