TAG DES FLÜCHTLINGS 1998
Europäisches Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zur
Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union
(1995) vom 8. April 1997
Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998
Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.
Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.
INHALT
- I. WER MENSCHENRECHTE VERGISST, VERGISST SICH SELBST.
- Initiativen zum Tag des Flüchtlings 1998
- UN-Kritik an Deutschland
- Menschenrechte und Asyl – Hubert Heinhold
- siehe auch: Europas neuer Pförtner (Beat Leuthardt)
- »Wer Menschenrechte vergißt, vergißt sich selbst.« Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht
- Die Ausländerpolitik neu gestalten – Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
- Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Völkerrecht
- Kinderflüchtlinge – Flüchtlingskinder
- »Verfolgte Frauen schützen!« Zwischenbilanz und Perspektiven der Kampagne
- Europäisches Parlament: Entschließung zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union
- Menschenrechte – Kein Thema für Deutschland?
- II. RECHTLOS IN DEUTSCHLAND
- Leben in der Illegalität – Eine Bestandsaufnahme
- Schlepper, Schleuser, …. – Von Fluchthelfern und Wegelagerern
- III. SOZIAL AUSGEGRENZT
- Gängelung, Entmündigung, Entrechtung, Aushungerung – Die Realität des Asylbewerberleistungsgesetzes
- Ausgrenzung kommt von oben – Kontinuitäten der Sozialpolitik von Weimar bis heute
- Die erfundene Massenflucht
- IV. DER EINZELFALL ZÄHLT
- Bundesarbeitsgemeinschaft »Asyl in der Kirche« ausgezeichnet
- Kurdische Flüchtlinge aus dem Irak – Ein Beispiel für die Entrechtung von Schutzsuchenden
- Kurzinformationen zu der Situation in den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen
- Der Widerstand der Nonnen von Dinklage gegen den Bruch eines Kirchenasyls
- Entscheidungsdruck und rassistische Textbausteine – die Anhörung von Asylsuchenden beim Bundesamt
- Gewalttätiger Abschiebealltag
- Gefangener des Verfahrens – Tutsi als Buchautor
- »Kurdische Männer halten viel aus«
Auszüge
Das Europäische Parlament
1. besteht darauf, daß die Menschenrechte in der Union uneingeschränkt geschützt werden, um glaubwürdig außerhalb der Union deren Achtung einfordern zu können;
2. ist der Ansicht, daß der gemeinschaftliche Integrationsprozeß die Einbeziehung eines Systems zum Schutz der Menschenrechte auf Gemeinschaftsebene und zur Kontrolle der Achtung der Menschenrechte in die Rechtsvorschriften der Union immer notwendiger und dringender macht;
3. verpflichtet sich als einzige demokratisch gewählte Institution der Gemeinschaft, die Menschenrechtsverletzungen in der Union publik zu machen; (…) 27. verurteilt mit Nachdruck die Anwendung von Gewalt, Folterpraktiken sowie unmenschliche, grausame oder erniedrigende Strafen oder Behandlung, denen festgenommene oder inhaftierte Personen seitens der Sicherheitskräfte oder der Strafvollzugsbediensteten ausgesetzt sind; verurteilt den häufig rassistischen Charakter solcher Handlungen;
28. fordert die Mitgliedsstaaten mit Nachdruck auf, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um im Falle begründeter Anzeigen wegen Mißhandlung umfassende Ermittlungen durchzuführen, und mögliche Fälle von Machtmißbrauch so gründlich wie möglich zu untersuchen; fordert sie ferner auf, Polizei beamten und Vollzugsbediensteten eine angemessene Erstausbildung und eine ständige Weiterbildung zu erteilen, um auf diese Weise zur Vorbeugung der Mißhandlung von Häftlingen beizutragen;
29. bekräftigt, daß nicht nur körperliche Übergriffe, sondern auch Drohungen, Nötigungen, verbale Gewalt, sexuelle oder rassistische Beleidigungen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen einzustufen sind, und fordert, daß solche Praktiken unverzüglich beendet werden;
30. fordert die Mitgliedsstaaten auf, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit die Verantwortlichen solcher Handlungen nicht straffrei ausgehen;
31. fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Möglichkeit einer Anklageerhebung wegen »Widerstands gegen die Staatsgewalt«, die von den Polizeibehörden im Gegenzug zur Klage eines Opfers gegen staatliche Übergriffe angestrengt wird, einzuschränken;
32. ist der Auffassung, daß die Schlußfolgerungen des Europäischen Komitees gegen Folter wirksam umgesetzt werden müssen, und fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Veröffentlichung sämtlicher Berichte dieses Komitees zu genehmigen und jegliche Behinderungen seines Auftrags aufzuheben;
(…) 35. fordert, daß Verhaftete in einer für sie verständlichen Sprache über ihre Rechte – einschließlich des Rechts auf Klage wegen Mißhandlung – in Kenntnis gesetzt werden, daß sie das Recht haben, unverzüglich einen Dritten von ihrer Inhaftierung in Kenntnis zu setzen, daß sie Zugang zu einem Arzt ihrer Wahl haben und daß bei Verhören ein Anwalt anwesend ist;
(…) 74. verurteilt mit Nachdruck, daß Asylbewerber in Abschiebehaft genommen werden;
(…) 76. bekräftigt, daß die Politik der »Nulleinwanderung« die Wanderungsströme keineswegs verhindert, sondern eher zum ungesetzlichen Aufenthalt führt; ersucht daher die Mitgliedsstaaten, davon abzusehen, die Einwanderung nur unter dem restriktiven, repressiven und polizeilichen Gesichtswinkel zu betrachten, die menschliche Dimension der Frage und den positiven Charakter anzuerkennen, den die Einwanderung für die ganze Gesellschaft haben kann, und in ihren Rechtsvorschriften Kriterien für eine legale Einwanderung vorzusehen; (…)
78. ersucht die Mitgliedsstaaten zu erwägen, daß ein erheblicher Teil der Ausländer »ohne Papiere« Personen sind, die in folge restriktiver Ausländergesetze ihren legalen Status verloren haben; fordert, daß diese Gesetze geändert werden und die betreffenden Personen einen sicheren Rechtsstatus erhalten;
79. bekräftigt, daß aufgrund des Rechts auf ein Familienleben das Recht auf Familienzusammenführung unter keinen Umständen in Frage gestellt werden darf, ebenso wie keine Familie infolge des Status eines ihrer Mitglieder getrennt werden darf; (…)
83. verweist darauf, daß es sich bei dem Recht, um Asyl nachzusuchen, um ein universales Recht handelt, das in Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist;
84. fordert, daß sämtliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Fragen des Asylrechts uneingeschränkt das Genfer Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dessen Protokoll von 1967, die vom Exekutivausschuß des Hohen Flüchtlingskom missars ausgearbeiteten Grundsätze sowie die EMRK anwenden; 85. weist darauf hin, daß das Genfer Abkommen keinen Unterschied zwischen den Opfern von Verfolgungen macht, ob diese nun von staatlichen Organen oder anderen Stellen ausgehen, sobald der Staat der betroffenen Person nicht den Schutz gewährleisten kann oder will, den diese erwarten kann; wiederholt seine Forderung an den Rat und die Mitgliedsstaaten, die Tatsache anzuerkennen, daß die Opfer von Verfolgungen durch Dritte oder in Situationen allgemeiner interner Gewalt denselben internationalen Schutz benötigen;
86. fordert, daß die Mitgliedsstaaten den Tatbestand der geschlechtsspezifischen Verfolgung anerkennen; 87. ist der Ansicht, daß die Auflagen in bezug auf Visa und Reisedokumente und die den Verkehrsunternehmen auferlegten Sanktionen eine erhebliche Behinderung des Zugangsrechts und des Asylverfahrens darstellen;
88. ist der Ansicht, daß ein Asylbewerber nur dann in ein »sicheres Drittland« abgeschoben werden darf, wenn der betroffene Staat dem abschiebenden Staat die absolute Garantie gegeben hat, daß der Antrag des Asylbewerbers in einem angemessenen und fairen Verfahren gründlich geprüft wird;
bezüglich der Entschließung des Rates vom 20. Juni 1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren:
(…) 93. ist beunruhigt darüber, daß mit der Entschließung Ausnahmen von den allgemeinen Grundsätzen eingeführt werden, wie der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels sowie dem Grundsatz, daß jede Entscheidung bezüglich eines Asylantrags von der zuständigen Behörde getroffen werden muß;
94. ist beunruhigt darüber, daß in der Entschließung die Anwendung des Begriffs »sicheres Drittland« vorgesehen ist, ohne daß jedoch ausreichende rechtliche Garantien gegen die Rückführung von Personen in Länder vorgesehen werden, wo ihnen Verfolgung droht;
(…)
bezüglich des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 23. November 1995 zur Harmonisierung und Auslegung des Begriffs Flüchtlinge:
97. bedauert, daß im Gemeinsamen Standpunkt der individuelle Charakter der Verfolgung vorausgesetzt wird und Gruppen ausgeschlossen werden, die vor Bürgerkriegen und allgemeinen bewaffneten Konflikten fliehen;
(…) 99. ist der Ansicht, daß der Rat aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nicht befugt ist, eine Harmonisierung des Flüchtlingsbegriffes einzuführen, welche die Reichweite des Genfer Abkommens einengt;