TAG DES FLÜCHTLINGS 1987
Aufruf: Pro Asyl
- Aufruf des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zum Tag des Flüchtlings 1987
- Aufruf: Pro Asyl
- Abschied von einem Grundrecht
- Christen und Asyl
- „Möchten Sie das Los eines Flüchtlings…?“
- Hilfe und Schutz für Flüchtlinge in Berlin
- Sprühaktion gegen Ausländerfeindlichkeit
- Flüchtlinge suchten Gespräch mit Bürgern
- Mit Plakatwänden Gegenöffentlichkeit schaffen
- Stellungnahmen zur Asyldiskussion
Mehrere hunderttausend Menschen mußten vor politischer, religiöser und rassischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen. 800.000 Flüchtlinge fanden Asyl, in anderen Ländern, darunter auch in Ländern, aus denen heute Flüchtlinge zu uns kommen. Hunderttausende hätten gerettet werden können, wenn andere Staaten ihre Grenzen nicht verschlossen hätten.
Aufgrund dieser Erfahrungen wurde das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte in unserer Verfassung verankert.

Heute führen weltweit Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung von Völkern und Hungersnot dazu, daß Menschen fliehen müssen. Über 12 Millionen Menschen sind Flüchtlinge. Die meisten bleiben in den Nachbarländern. Nur ein kleiner Teil sucht Schutz in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland. Weniger als 100.000 Flüchtlinge leben als anerkannte Asylberechtigte in der Bundesrepublik. Aber auch der Großteil derjenigen, die nicht als Asylberechtigte anerkannt werden, hat schwerwiegende Gründe für die Flucht gehabt. Diese Menschen sind vor Folter und anderen Gefahren für Leib und Leben geflohen.
Dennoch werden Schlagworte wie „Asylantenflut“, „Asylmißbrauch“und „Schmarotzertum“ gebraucht und irrationale Ängste in der Bevölkerung geschürt. Es wird davon gesprochen,daß bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine Belastungsgrenze für die Bundesrepublik Deutschland erreicht sei. Wenn wirtschaftlich schwächere Länder wesentlich mehr Flüchtlinge als die Bundesrepublik Deutschland aufnehmen, dann wird deutlich, daß die Belastungsgrenze eine Frage des politischen Willens ist.
Wir treten dafür ein, daß die Bundesrepublik ihre Grenzen gegenüber Flüchtlingen nicht verschließt, sondern politisch Verfolgten Schutz gewährt. Durch Verhandlungen mit der Deutschen Demokratischen Republik ist erreicht worden, daß die Deutsche Demokratische Republik keine Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland oder anderen europäischen Ländern um Asyl nachsuchen wollen, durchreisen läßt. Diese Maßnahme hindert zusammen mit der restriktiven Visumerteilung der Bundesregierung politisch Verfolgte daran, in der Bundesrepublik Schutz zu finden. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, ihre restriktive Praxis der Visumerteilung gegenüber Flüchtlingen aufzugeben und es ihnen zu ermöglichen, auch in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu erhalten.
Bestimmte Gerichte, vor allem das Bundesverwaltungsgericht, engen den Begriff der politischen Verfolgung entgegen den Inhalten des Grundgesetzes ein. So wird z. B. rassisch verfolgten Tamilen aus Sri Lanka die Anerkennung als politisch Verfolgte ebenso vorenthalten wie Türken und Kurden aus der Türkei, deren politische Gesinnung durch Folter gebrochen werden soll.
Wir wehren uns gegen eine Flüchtlingspolitik, deren oberstes Ziel die Abschreckung ist. Hierzu gehören die mangelhafte Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden während der oft Jahre dauernden Asylverfahren, die zwangsweise Unterbringung in Sammellagern, Arbeitsverbote während des Asylverfahrens, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Kürzungen der Sozialhilfe.
Wir setzen uns dafür ein, die Diffamierung von Asylsuchenden zu beenden. Flüchtlinge sind keine Naturkatastrophe, die über uns hereinbrechen, sondern es sind Menschen, die unseres Schutzes bedürfen. Wir stimmen mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede vom 8. Mai 1985 überein:
„Wenn wir uns erinnern, wie rassisch, religiös und politisch Verfolgte, die vom sicheren Tod bedroht waren, oft vor geschlossenen Grenzen anderer Staaten standen, werden wir vor denen, die heute wirklich verfolgt sind und bei uns Schutz suchen, die Tür nicht verschließen“
Bislang wurden abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben, wenn humanitäre Gründe einer Abschiebung entgegenstanden. Nach den Plänen der Innenministerkonferenz soll dieser Abschiebungsstopp weitgehend aufgegeben werden.
Wir fordern, daß auch in Zukunft Menschen aus humanitären Gründen nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Gefahr für Leib und Leben durch Folter oder kriegerische Auseinandersetzungen drohen.
Das Grundrecht auf Asyl ist ein elementares Freiheitsrecht unserer Verfassung. Es stellt einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen in aller Welt dar. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl muß beendet werden. Der Schutz politisch Verfolgter ist für uns alle eine humanitäre Verpflichtung.
Unterzeichner