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03.04.1997

Statt Paketband und Knebel jetzt ein Motorradhelm
Bundesgrenzschutz und Kritiker führten ein Gespräch über
veränderte Abschiebepraxis / Die FR vermittelte.

Frankfurter Rundschau (Seite 22)


„Wir schieben nicht mehr auf Biegen und Brechen ab, sondern führen die Abschiebung dann später unter anderen Voraussetzungen durch.
Solche Bilder wie bei Kola Bankole [ 2. Todestag (1996)Prozess gegen Flughafenarzt (97 I)(97 II)] wird es nicht mehr geben.“ Dies erklärte jetzt der Pressesprecher des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Flughafen, Klaus Ludwig, anläßlich eines Gesprächs mit Vertretern von Pro Asyl und den „Ärzten in sozialer Verantwortung“, das auf Vermittlung der FR zustande kam.

… und plötzlich hat er mir-nix-dir-nix aufgehört zu atmen!!

Zweieinhalb Jahre, nachdem der Nigerianer Kola Bankole Ende August 1994 bei seiner Abschiebung am Frankfurter Flughafen zu Tode kam, war dies die erste Unterredung zwischen dem BGS und den schärfsten Kritikern der bisherigen Abschiebepraxis. Für Pro Asyl nahmen Geschäftsführer Günter Burkhardt und Referent Bernd Mesovic, für die Ärztevereinigung der Mediziner Claus Metz teil.

Die Skepsis der BGS-Besucher vor dieser Unterredung war trotz der Zusicherung Ludwigs („Mit uns können Sie über alles reden!“) groß. Nicht nur im Fall Bankole, sondern auch in anderen Fällen, hatte die ehemalige BGS-Führung am Flughafen auf kritische Fragen aus der Öffentlichkeit mit Schweigen oder halben Warheiten reagiert.

„Sicherlich“, räumte jetzt der BGS-Sprecher ein, „passieren auch uns Fehler.“ Seit dem Tod Kola Bankoles aber würden bei sich heftig wehrenden Personen, die abgeschoben werden sollen, keine Knebel mehr benutzt. In den seltenen Fällen, in denen der Betreffende zum Beispiel erkläre, Aids zu haben und drohe zu beißen, würde ihm ein Motorradhelm aufgesetzt. Ludwig: „Wir müssen unsere Beschäftigten ja in irgendeiner Form schützen.“ Ein Argument, das Vertreter von Pro Asyl und Ärztevereinigung akzeptierten. Laut Ludwig fesselt der BGS in solchen Fällen inzwischen die ihm von Ausländerbehörden zur Abschiebung übergebenen Personen auch nicht mehr mit Paketband wie damals noch Bankole, sondern verwendet Handschellen oder Handfesseln. „Dies, obwohl das Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwanges solche Fesselungen erlaubt.“

Bei schwierigen und seltenen Abschiebungen seien zudem seit Ende vergangenen Jahres immer der Amtsleiter des BGS am Flughafen, dessen Stellvertreter oder er selber bis zum Abflug der Maschinen dabei. Geachtet werde darauf, daß die Zusammensetzung der BGS-Crews, die sich durchweg freiwillig meldeten, die Ausländer bis zu den Zielflughäfen in ihren Heimatländern zu begleiten, ständig wechsele. Sie seien angewiesen, den Grenzund Polizeibehörden in den Ankunftsländern keinerlei Informationen über die Abgeschobenen zu geben. Mit Ausnahme Vietnams, so Ludwig, wo eine zwischenstaatliche Abmachung vorsehe, daß die Betreffenden den Heimatbehörden übergeben werden müßten, bekämen in allen übrigen Fällen die Abgeschobenen nach der Landung ihre Pässe und könnten gehen.

Günter Burkhardt von Pro Asyl begrüßte es zwar, daß der BGS seine Dienstaufsicht verbessert habe, doch reiche das nicht aus. Burkhardt: „Hier geht es um einen sehr kritischen Bereich, und da sind klare Regelungen durch den Bundesinnenminister erforderlich, was der einzelne BGS-Beamte tun darf und was nicht.“ So lasse man den Beamten allein. Die Verantwortung werde beim BGS am Flughafen belassen und nicht im Bundesinnenministerium, wo sie hingehöre. Zu Ludwig gewandt meinte er: „Wenn was passiert, sind Sie dran.“ Der BGS-Sprecher: „Dazu äußere ich mich nicht.“

Auf die Frage von Claus Metz von den „Ärzten in sozialer Verantwortung“, was der BGS tue, um Überreaktionen seiner Beamten vorzubeugen, wies Ludwig stolz darauf hin, daß der BGS am Flughafen vor einigen Monaten einen eigenen Pfarrer für seine 1400 Bediensteten bekommen habe und schon bald ein Psychologe seinen Dienst antreten werde. Mehrfach verwahrte sich der BGS-Sprecher gegen den immer wieder erhobenen Vorwurf, unter den Beamten gebe es ausländerfeindliche Tendenzen. „Das kann ich mit Sicherheit ausschließen. Da gibt es noch nicht einmal den Ansatz dazu.“ In der Vergangenheit habe es ein paar Beamte gegeben, die sich „verbal ruppig“ benommen hätten. Ludwig: „Die haben wir abgelöst.“

Die Vertreter der Flüchtlingshilfeorganisationen bohrten nach. Ob es denn nicht eine Art von Rassismus sei, wenn bei Vorkontrollen auf dem Flugfeld nach Ankunft von Maschinen aus Ländern der Dritten Welt dort Farbige kontrolliert würden, Weiße aber nicht.

„Das ist eine Gratwanderung für uns“, räumte der BGS-Sprecher ein. „Aber wenn eine Maschine aus Lagos landet, suchen wir nicht den Ingenieur von Holzmann, dann suchen wir andere.“ Jedenfalls bestehe die Anordnung, daß alle Reisenden ihre Pässe kontrollieren lassen müßten.

„Haben Sie denn eigentlich keine ethischen Bedenken“, wollte schließlich Metz noch wissen, „wenn Sie nach Algerien oder die Türkei abschieben? Sie lesen schließlich auch Zeitungen. Sind Sie nicht eine obrigkeitsstaatliche Polizei?“ „Wir müssen uns an das Gesetz halten“, erwiderte ihm Ludwig da schlicht. „Schließlich haben die Ausländerbehörden ja die Fälle geprüft.“ enk


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