Frankfurter Rundschau
12.12.1997
(Seite 10)
„Sie behandeln uns wie Tiere, wie Tiere“
Abschiebehaft in Deutschland / Hubert Heinhold über Unterbringung, Hygiene,
Anzahl der Socken und die psychische Lage der Gefangenen.
Mit seiner vieldebattierten Rede in der Frankfurter Paulskirche, hatte der Schriftsteller Günter Grass die Abschiebung ausländischer Flüchtlinge aus Deutschland zum Thema gemacht. In seinem Buch Abschiebungshaft in Deutschland, herausgegeben von Pro Asyl und Republikanischem Anwältinnen- und Anwälteverein, Asyl Praxis Bibliothek/von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 1997, beschreibt Hubert Heinhold konkret, wie mit Flüchtlingen hierzulande umgegangen wird. Wir dokumentieren Auszüge.
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen in den verschiedenen Bundesländern sehen sehr unterschiedlich aus. Ausschlaggebend ist zunächst, ob es eine landesrechtliche Regelung zur Durchführung des Vollzugs gibt und in welcher Art von Einrichtung die Häftlinge untergebracht sind.
Der Status der Abschiebungshäftlinge als Zivilgefangene erlaubt und gebietet es, die Abschiebungshaft weniger restriktiv zu gestalten als den normalen Strafvollzug. Sind die Häftlinge jedoch in den allgemeinen Vollzug integriert (also nicht in eigenen Abteilungen), ist es den oft überlasteten Justizvollzugsanstalten schon organisatorisch nicht möglich, für die Abschiebungshäftlinge eine Sonderregelung aufzustellen. Insbesondere die in die Untersuchungshaft integrierten Personen haben schwierige Bedingungen zu ertragen, denn dem Untersuchungshäftling werden in Deutschland teilweise weniger Rechte zuerkannt als dem schon Verurteilten. In der U-Haft wird der Kontakt unter den Häftlingen unterbunden. Gemeinschaftliche Aktivitäten oder gemeinschaftlich genutzte Räume gibt es daher nicht, der Häftling verläßt die Zelle nur für den Hofgang.
In einigen Ländern gibt es separate Einrichtungen für die Abschiebungshaft. Dort ist es dann möglich, den Vollzug dem Status der Abschiebungsgefangenen und dem Zweck der Haft anzupassen, auch wenn dies oft nur ansatzweise geschieht. Manchmal sind diese Abschiebungseinrichtungen reine Provisorien, weil sie gar nicht für einen solchen Zweck geschaffen wurden. Dort können die Haftbedingungen härter als in den normalen Vollzugsanstalten sein.
Die meisten Häftlinge sind zum ersten Mal im Gefängnis. Der Alltag ist geprägt von einer strengen Tages- und Hausordnung und einer rigorosen Einschränkung jeglicher Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit. Einen Einblick in diesen Alltag mögen Auszüge aus der Hausordnung der Uelzener Haftanstalt geben. (Sehen Sie dazu die Tabelle auf dieser Seite unten).
Sicherheit und Ordnung
(…) Ohne Zustimmung der Anstalt darf ein Gefangener nur Sachen von geringem Wert (2facher Tagessatz des Ecklohns) von einem anderen Gefangenen annehmen. (…)
Auf Antrag können im Einzelfall folgende Gegenstände zugelassen werden: 1 Radiocassettenrecorder, 1 CD-Player, 1 Fernseher (bis 42 cm Bildschirmgröße), 1 Kaffeemaschine, 1 Schreibmaschine ohne Speicherkapazitäten, 1 Taschenrechner, 1 Tages- oder Wolldecke, 1 Bettvorleger (Teppich) ca. 80 x 120 cm, 1 Reisetasche oder Koffer, 1 Tischdecke, 1 Saiteninstrument (z. B. Gitarre), Kassetten, CDs und Bücher in angemessenem Umfang (ca. 10), Topfblumen (3, Beschaffung nur über die Anstalt), 1 Kopfhörer, 1 Tischlampe, 1 Fön, 1 Tauchsieder, 1 Elektrorasierer, 1 Tischsteckdose 3fach, 1 Wecker, Filzstifte, 1 Beistelltisch 50 x 50 cm. (…)
Privatkleidung
Folgende Kleidungsstücke werden zugelassen: 6 x Unterwäsche, 2 T-Shirts, 2 Hemden, 6 Paar Socken, 2 Hosen, 1 Bademantel, 2 Jogging-Anzüge, 3 Turnhosen, 3 Sporthemden, 2 Paar Sportschuhe, 1 Badetuch, 1 Handtuch, 2 Pullover/Sweatshirts. Die Gefangenen haben für die Reinigung selbst zu sorgen. Waschmittel werden von der Anstalt gestellt. Der Tausch von schmutziger Wäsche gegen saubere Wäsche außerhalb der JVA ist nicht zulässig. (…)
Folgendes berichteten zwei Gefangene in einem Interview des ZDF: „- kein Radio, guck mal, keine Uhr, kein Fernsehen,… gar nichts – was wollen machen 24 Stunden, wohin wir unser Kopf stecken. – Sie behandeln uns wie Tiere, wie Tiere. Ich bin hier seit sechs Monaten, sechs Monate hier drin. Die Verwaltung sagt, alles geht nach Recht und Ordnung. Aber keiner von uns kennt die Regeln, keiner weiß, was hier eigentlich geschieht.“
Abschiebungshäftlinge sind nicht wie Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet. Die Haftanstalt hat daher auch nicht für einen Arbeitsplatz für eine Abschiebungshäftling zu sorgen. Hinzu kommt, daß dies aus der Sicht der JVA bei Abschiebungshäftlingen mit kurzer Haftdauer (nur wer weiß denn, wie lange ein Häftling letztendlich in Haft bleibt?) nicht unbedingt sinnvoll ist. Den Abschiebungshäftlingen, die gerne arbeiten würden, können die Haftanstalten selten einen Arbeitsplatz zuweisen, da sie schon im Bereich der Strafhaft Schwierigkeiten haben, genügend Plätze zur Verfügung zu stellen. Der Tagesablauf in der Uelzener Hausordnung sieht daher für die Abschiebungshäftlinge so aus, daß sie zu den offiziellen Arbeitszeiten Freizeit haben, sich also in dem durch Umschluß zugänglichen Bereich (ein abgeriegelter Bereich, innerhalb dessen die Zellen nicht verschlossen sind) bewegen und die verfügbaren Gemeinschaftseinrichtungen (Fernsehen) nutzen können.
Örtlichkeiten
Frauen und Männer werden grundsätzlich in verschiedenen Einrichtungen untergebracht, Jugendliche in Jugendhaftanstalten.
In Bayern hatte ein mutiger Amtsrichter die Abschiebungshaft nur unter der Bedingung verfügt, daß die Familie zusammen inhaftiert wird und anderenfalls die umgehende Entlassung angeordnet und dies mit dem Vorrang der grundrechtlich geschützten Positionen der betroffenen Eltern bzw. Kinder/Jugendlichen begründet. Das Landgericht München II hob den Beschluß umgehend auf.
Werden Familien getrennt, werden die Kinder oft in Heimen untergebracht. Kleinkinder bleiben meist bei der Mutter.
Die Standardunterbringung erfolgt in Gemeinschaftszellen. Im Saarland können die Häftlinge wählen, ob sie Einzel- oder Doppelzellen bevorzugen. Frauen und Jugendlichen kann die „Wunschunterbringung“ immer gewährt werden, den Männern je nach Belegung der Anstalten. In Berlin haben Häftlinge, deren Haftzeit mehr als sechs Monate beträgt, gemäß Par. 3 III des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam in Berlin ein Recht darauf, alleine in einem Haftraum untergebracht zu werden.
Meist kümmert man sich jedoch nicht um solche Wünsche (bzw. kann es nicht).
Größe und Einrichtung der Zellen hängen von der Haftanstalt ab. Dort, wo ein Umschluß nicht praktiziert wird, sind in den Hafträumen Toiletten und Waschbecken vorhanden.
Es kommt immer wieder wegen der Überfüllung der Justizvollzugsanstalten und daraus resultierenden Provisorien zu unhaltbaren Zuständen. Ein Beispiel ist die (zwischenzeitlich abgestellte) Unterbringung in Bremen, die das Landgericht in seinem Beschluß vom 05.08.1994 als menschenrechtswidrig und unverhältnismäßig kritisiert hatte. Der Betroffene war in einer Zelle mit vier weiteren Häftlingen untergebracht. Diese Zelle war mit fünf Feldbetten sowie weiterem sperrigen Mobiliar ausgestattet. Ihre Grundfläche betrug 2,7 x 7 m, die Zellenhöhe 2,9 m. Waschbecken und Toilette befanden sich ebenfalls in der Zelle. Die Toilette war durch eine kaum Sichtschutz gewährende, brusthohe schmale Blechwand abgetrennt. Die beiden Zellenfenster bestanden jeweils aus 16 Glasbausteinen. Gelüftet wurde die Zelle allein durch zwei aus vier Glasbausteinen bestehenden Kippfensteröffnungen. Ein Luftschacht zum Abzug der von der Toilette ausgehenden Gerüche existierte nicht.
Hygiene
In vielen Zellen sind Waschbecken zu finden, Toiletten sind je nach Organisation der Anstalt in die Zellen integriert. Andernfalls befinden sich Gemeinschaftstoiletten im Trakt. In den meisten Einrichtungen können die Häftlinge zweimal in der Woche duschen. Eigene Seife, Shampoo oder ähnliches muß von den Personen selbst gekauft werden. In einer Sendung in Kennzeichen D (ZDF) äußerte sich ein unzufriedener Häftling zu den hygienischen Bedingungen in der Berliner Abschiebungshaft:
„Man wird regelrecht schmutzig gemacht hier in der Kruppstraße. Das geht so: Man wird einfach eingesperrt, monatelang, man hat kein Geld, kein Shampoo, keine Zahnbürste, nichts. Man hat nur die Kleidung, die man am Leib trägt. Wie soll man sich da sauber halten!“
Sicherstellen von Besitztum und Habe
Bei der Verhaftung bleibt die persönliche Habe in den Unterkünften und wird dort oft sehr schnell entwendet. Wird sie jedoch von den Beamten sichergestellt, wird sie von der Ausländerbehörde oder der JVA aufbewahrt. Schwierig gestaltet sich dies bei jenen Häftlingen, die schon einen eigenen Haushalt gegründet hatten. Vor der Abschiebung bleibt den Gefangenen wenig Zeit, das Zusammenstellen des Gepäcks zu organisieren. Mitgenommen werden darf soviel Gepäck, wie im Transportmittel der Abschiebung ohne Erschwerung des Abschiebeablaufs möglich ist, bei einer Flugreise beschränkt sich dies auf 20 kg. Nicht immer bleibt bei schneller Abschiebung überhaupt Zeit, Sorge für das Gepäck zu tragen.
Manche der Abschiebungshäftlinge sind jedoch auch völlig mittellos. Sie besitzen kaum mehr als das, was sie am Leibe tragen und sind damit sowohl für eine Abschiebung als auch schon für die Haft nicht ausgerüstet.
Aus dem Bericht der Betreuungsgruppe Abschiebungshaft Wuppertal „Endstation Sedansberg“:
Kleidung und Habe: Viele Gefangene werden verhaftet, ohne daß sie die Möglichkeit haben, ihre Habe mitzunehmen. Manche Gefangene wurden in Sommerkleidung festgenommen und mußten im Winter im T-Shirt und Jogginghose zum Hofgang, wenn ihnen nicht Mitgefangene Kleidung liehen. Prinzipiell sollen die Haftanstalten Gefängniskleidung bereitstellen. Dieser Verpflichtung kamen einige erst nach verschiedenen Interventionen der Betreuer und Betreuerinnen nach.
Noch schwieriger gestaltete sich die Ausgabe von Kleidung für die Abschiebung an Gefangene, die keine der Jahreszeit entsprechende Kleidung hatten. So sind Gefangene in dünner Sommerkleidung im Winter in die GUS oder nach Rumänien abgeschoben worden. Auch hier mußten die Ehrenamtlichen einerseits direkt für Kleidung sorgen und andererseits massiv darauf dringen, daß von Justizseite aus für entsprechende Kleidung gesorgt wurde.
Die Ausländerbehörden sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß Häftlinge an ihre Habe kommen. Dieser Pflicht kommen sie nur sehr zögerlich nach, sie verweisen auf Personalknappheit und sind nur selten bereit, auch in schwierigeren Fällen tätig zu werden. Andererseits weigern sich auch Haftanstalten, Habe, die ihnen von der Ausländerbehörde überbracht wird, anzunehmen, es wird auf geringe Platzkapazitäten verwiesen. Das, meist geringe, persönliche Eigentum der Gefangenen – darunter manchmal auch persönlich wichtige Dinge wie Photoalbum, Halskette usw. – wird gering geachtet.“
Vermögen
Wenn Gefangene sich Geld zusammengespart haben, wird dies auf einem Konto gutgeschrieben, von dem sich der Häftling regelmäßig Geld abheben kann, um sich Waren des täglichen Bedarfs in der Verkaufsstelle der Haftanstalt zu erwerben. Ist er mittellos, steht ihm in den meisten Bundesländern ein monatliches Taschengeld zu, dessen Höhe jedoch unterschiedlich bemessen wird. Teils erhalten die Abschiebungshäftlinge lediglich ein Taschengeld von circa 40 DM (wie Strafgefangene), teilweise erhalten sie ein monatliches Taschengeld nach dem AsylbLG in Höhe von 80 DM. Manchmal wird dieses Taschengeld nur für jeden vollen Monat gewährt, manchmal auch anteilig ausbezahlt.
In manchen Ländern erhalten die Gefangenen zum Zeitpunkt der Abschiebung einen kleinen Betrag (um die 50 DM) für die Reise, der aber nicht notwendigerweise die Kosten der Weiterreise (Flughafen -Heimatort) deckt. Kritisch wird es dort, wo Schmiergelder vonnöten sind, um gesund nach Hause zu kommen:
Am 2. Juni 1994 meldeten die ARD-Tagesthemen den Tod von Kuldeep Singh. Er war aus der Abschiebungshaftanstalt Wuppertal nach Neu-Delhi abgeschoben worden.
1991 war er als Asylbewerber nach Niedersachsen gekommen. Als der Asylantrag abgelehnt wurde, kam er nach NRW und lebte dort vom Rosenverkauf.
Am 09.05.1994 – einen Tag vor seinem 21. Geburtstag – wurde er bei einer Kontrolle in Langenfeld/Kreis Mettmann verhaftet und in Abschiebungshaft genommen. Am 27.05.1994 wurde er nach Indien abgeschoben.
Aus dem Skript des Tagesthemenbeitrags des ARD-Büros Delhi:
„Als Kuldeep Singh Deutschland verließ, war sein Gesundheitszustand in Ordnung. Sagen die Behörden. Auch bei seiner Ankunft in Indien war er gesund. Wissen die Eltern. Und doch hat er die ungewollte Heimkehr keine 48 Stunden überlebt. Zu Tode gefoltert von der Flughafenpolizei – fast unmittelbar nach seiner Ankunft. Ein hier zwar nicht alltäglicher, aber doch öfters vorkommender Fall. Denn Kuldeep wurde in ein Land abgeschoben, das auch für deutsche Behörden nicht als sicheres Herkunftsland gilt. Seine Angehörigen zeigen warum. Elektroschocks und Schläge haben auf dem gesamten Körper unwiderlegbare Spuren hinterlassen. Fingergroße Foltermerkmale lassen auf die Verhörmethoden schließen.“
Die Flughafenpolizei versuchte zuerst von Kuldeep Singh selbst, dann von seinen Eltern, die in Neu-Delhi leben, Geld (ca. 400,- DM) zu erpressen. Sie brachten ihn mit deutlichen Spuren von Schlägen zum Haus seiner Eltern und drohten, ihn umzubringen, wenn diese das Geld nicht aufbrächten. Der Vater, ein Taxifahrer, versuchte bei Kollegen und Bekannten das Geld zu beschaffen, konnte aber nur einen Teil zusammenbringen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai starb Kuldeep Singh. Der Autopsiebericht der indischen Behörden gibt an, er sei an Hitzeschlag verstorben, nicht an seinen Verletzungen. Die Verletzungen selbst werden nicht bestritten. Die indischen Behörden berichteten weiterhin, der Paß Kuldeep Singhs sei nicht in Ordnung gewesen, es hätten Seiten und ein Ausreisestempel aus Neu-Delhi gefehlt.
Im Abschiebungsgefängnis Wuppertal-Barmen sitzen zur gleichen Zeit sieben Inder – wie Kuldeep Singh Angehörige des Volkes des Sikhs -, die auf ihre Abschiebung warten und sich fürchten.“
Gefangene, die ein gewisses Geldpolster ihr eigen nennen können, müssen selbst die Kosten für die Abschiebung, inklusive anteiliger Verwaltungs- und Haftkosten übernehmen. Hierfür ein Beispiel aus einem Bescheid:
„Nach Par. 82 I AuslG hat der Ausländer die durch seine Abschiebung entstehenden Kosten zu tragen. Gemäß Par. 83 I AuslG umfassen die Kosten der Abschiebung:
- die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebietes und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebietes,
- die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungskosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie.
- sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.
Danach wird Ihre Abschiebung voraussichtlich folgende Kosten verursachen:
- Haftkosten
(38 Tage x 19,00 DM) 684,00 DM - Flugkosten (Düsseldorf-Lagos) 2.343,00 DM
- Transportkosten
- Kosten des Transportes von Siegen nach Meschede durch die Abh Stadt Siegen – geschätzt – 156,00 DM
- Kosten des Transportes zur JVA Wuppertal Lichtscheidt einschl. der Personalkosten 1 / 4 153,83 DM
- Transportkosten der ZAB Dortmund zum Flughafen Düsseldorf – geschätzt – 140,00 DM
- Kosten für die Paßbeschaffung bei ihrer Botschaft 50,00 DM
- Tagegelder 25,00 DM
- Personalkosten der ZAB Dortmund – geschätzt – 1.100,00 DM
Gesamtbetrag: 4.651,83 DM
Die vorstehenden Kostenansätze wurden, soweit sie nicht als Fixkosten feststehen, entsprechend der vier vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen sorgfältig und gewissenhaft geschätzt.
Eine Zahlungsfrist kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da Sie bereits in den nächsten Tagen abgeschoben werden.
Da eine anderweitige Realisierung meines Anspruches auf Erstattung der Abschiebungskosten nicht erkennbar ist, war die im Tenor des Bescheides angeordnete Sicherheitsleistung erforderlich, um die öffentlichen Haushalte vor finanziellen Schäden zu bewahren.“
Die festgesetzten Kosten werden von den vorhandenen Mitteln abgezogen. Rechtsgrundlage ist Par. 82 V AuslG.“
Betreuung
Die psychische Situation in der Haft ist schwierig. Manche Häftlinge verstehen die Gründe für ihre Inhaftierung nicht, für viele ist sie Demütigung und Grund zur Scham. Angst, was in der Zukunft passieren wird, beschäftigt diejenigen, denen zu Hause Verfolgung droht. Die schon allein aus der Haft resultierende Isolation wird verstärkt durch Kulturunterschiede und sprachliche Barrieren.
„Paul – ich nenne ihn für mich so – schaut mich fragend unverständig an. Wir stehen uns in seiner Gefängniszelle gegenüber. Daß er nicht Deutsch kann, wußte ich bereits. Bei Englisch schüttelt er den Kopf, und meine drei Wörter Französisch haben auch keinen Erfolg. Mit Latein, Altgriechisch und Hebräisch, den Theologensprachen, würde ich wohl auch nicht weiterkommen. Da mir aber die Abteilungsbeamten erzählt haben, daß Paul aus Nepal kommt, greife ich schließlich zur Zeichensprache. Die Bewegung des Rauchens versteht er und nickt. Dann schüttelt er den Kopf. Das soll wohl heißen: Ich möchte rauchen, habe aber keinen Tabak. Diesem kleineren Problem kann abgeholfen werden – für den Moment wenigstens. Ich möchte mich erkundigen, ob er weiß, was mit ihm geschieht und warum. Wie fragt man ohne Sprache nach einem Gerichtsbeschluß? Meine Zeichen von Papier und Schreiben kann er nicht deuten. Schließlich frage ich einfach „Nepal ?“. Da nickt er. Sein Gesicht bleibt ernst und angespannt. Paul wartet auf die Abschiebung in seine Heimat. Er ist ruhig, „fragt“ nun ab und zu nach Zigaretten und einem Fernseher.
Wie oft wird Nepal angeflogen? Gibt es überhaupt Abschiebungsmöglichkeiten? Wer könnte mit ihm sprechen?
Das nächste Mal sehe ich Paul in die Sprechstunde des Ausländeramtes gehen, die wöchentlich stattfindet. Für seinen ganz speziellen Fall wurde ein Dolmetscher gefunden, der ihm noch einmal sagt, daß er in Abschiebungshaft zuerst auf seine Papiere und dann auf die Abschiebung warten muß. Einmal wurde ihm der Beschluß zur Inhaftierung schon im Gericht übersetzt. Mehr konnte die Behörde nicht für ihn tun.
Pauls Aufenthalt dauert viele Monate. Mit den anderen Gefangenen geht er in die „Freistunde“ auf den Freistundenhof. Dort kann er eineinhalb Stunden um einen fußballfeldgroßen Platz gehen. Manchmal spielt er während der „Aufschlußzeiten“ von 16 bis 19.30 Uhr Tischtennis. Das Taschengeld, das die Justizvollzugsanstalt Abschiebungshäftlingen gewährt, wurde für ihn von den Beamten der Abteilung beantragt. Bald konnte er für 45 Mark im Monat dies und das beim Kaufmann erstehen. Er lernte schließlich drei deutsche Wörter, die er am häufigsten brauchte: Tabak, Fernsehen, Einkauf. Ein paar Mal kam er in den Gottesdienst und blieb hinterher beim Kaffeetrinken. Was er wohl über einen deutschen Gottesdienst gedacht hat?
Warten in einem deutschen Gefängnis …
Im November 1994 wurde Paul abgeschoben – in ein anderes Gefängnis. Sicher – er war ein Extremfall. Viele Abschiebungshäftlinge aus Afrika können sich auf Englisch oder Französisch, einige auch auf Deutsch verständigen. Mit den Menschen aus Osteuropa ist es schwieriger, mit denen aus Asien fast aussichtslos, Unterhaltungen zu führen.“ (Martin Hagenmeier, ev.-luth. Pfarramt an der JVA Kiel, Auszug aus einem Text zum Kirchentag in Hamburg)
Der Abschiebungshäftling befindet sich in einer verzweifelten Situation in einer fremden Gesellschaft. Betreuung ist in sozialer, psychologischer und medizinischer Hinsicht dringend notwendig. Fraglich nur, wer sie übernehmen müßte. (…)