Rückkehr bosnischer Flüchtlinge aus Deutschland
und UNHCR-Plan
INHALT
FOLIENSATZ 1
- Rückkehr bosnischer Flüchtlinge (Titel)
- DAYTON führende Rolle von UNHCR (1)
- DAYTON führende Rolle von UNHCR (2)
- UNHCR-Plan: Rückkehr in 1997
- UNHCR-Plan: (noch) keine Rückkehr in 1997
- DAYTON: Karte des Friedensabkommens
Rückführung nach Bosnien FOLIENSATZ 2
Rückführung bosnischer Flüchtlinge
Deutschlands Sonderweg im Vergleich zum UNHCR-Plan
und zu anderen europäischen Ländern
Der deutsche Sonderweg
Am 26. Januar 1996 hat die Innenministerkonferenz ihren Stufenplan für bosnische Flüchtlinge beschlossen. Danach sollten zuerst Alleinstehende und kinderlose Ehepaare bereits ab dem 1. Juli 1996 in ihre Heimat zurückkehren müssen. Allerdings konnten in dieser Phase Härtefälle wie traumatisierte Personen, ältere Menschen ohne Familie in der Heimat, Zeugen vor dem Internationalen Gerichtshof und Schüler und Auszubildende, die ihre Ausbildung begonnen haben, ausgenommen werden. In einer 2. Phase würden dann alle anderen ab Mitte 1997 gezwungen sein, in ihre Heimat zu gehen. Basis dieses Beschlusses war das Ausländerrecht, wonach der Grund für einen weiteren Aufenthalt entfällt, seit der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet ist.
Die Staffelung der Rückkehr wird damit begründet, den Friedensprozess zu stützen und auf die schwierige wirtschaftliche und innenpolitische Lage in Bosnien-Herzegowina Rücksicht nehmen zu wollen. Dabei wird wenigstens verbal auf die möglichst enge Konsultation mit UNHCR, der EU und den anderen Aufnahmeländern in Rückkehrfragen hingewiesen.
Das Konzept unterscheidet sich in fundamentaler Weise von den international geltenden Vorstellungen. Bei diesen steht die Frage im Vordergrund, für wen und ab wann die Bedingungen vorliegen, die eine Rückkehr zumutbar machen. Bei den deutschen Innenministern hat entgegen aller humanitären Bekundungen das Ausländerrecht und die darin angelegten Ausweisungs- und Abschiebungsmöglichkeiten Vorrang. Was sich in der Heimat abspielt, gilt zwar nicht als ganz unerheblich, fällt aber nicht unter die Bewertung der Ausländerbehörden. Für sie gilt, möglichst schnell und möglichst viele Menschen auf möglichst unspektakuläre Weise in ihre wie auch immer verstandene Heimat zurückzuschicken. Den Anfang sollen die als besonders mobil eingestuften Flüchtlingskategorien machen.
Während UNHCR die für die einzelnen Menschen konkreten Umstände in den Vordergrund stellt, bleibt Deutschland auf der Rechtsfiktion bestehen, dass die Verteilung der zurückkehrenden Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina und ihre Wiedereingliederung Sache der örtlichen Behörden sowie der im Friedensabkommen hierfür vorgesehenen Hilfsorganisationen ist. Man könnte es so formulieren: Deutschland gibt seine Verantwortung für die Flüchtlinge an der Grenze wie den Hut am Kleiderständer ab, und ist höchstens bereit, mit der EU zusammen Wiederaufbaumaßnahmen in den Herkunftsregionen zu finanzieren. Es wird aber kein ausländerrechtlicher Zusammenhang zwischen der Ausweisung und dem Vorliegen konkreter Rückkehrmöglichkeiten gesehen. Diese Vorstellung ist mit der von UNHCR nicht vereinbar. Sie hat für Deutschland offenbar aber eine große Bedeutung; behördliche Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange abzuschiebender Menschen könnte das derzeitige Abschiebungskonzept auch für andere Länder gehörig durcheinanderbringen. Bund und Länder beharren hier in einhelliger Hartnäckigkeit auf einem Prinzip des Internationalen Rechts, wonach der Herkunftsstaat nicht nur unerwünschte Staatsangehörige zurücknehmen muss, sondern nach deren Rückkehr auch für deren menschenwürdige Lebensbedingungen verantwortlich ist.
Für die anderen Aufnahmeländer von Flüchtlingen ist dagegen maßgebend, dass UNHCR den Auftrag hat, das Rückkehrkonzept nicht nur in der nötigen Abstimmung mit allen Beteiligten zu erstellen, sondern auch Art, Form und Tempo der Rückführung festzulegen.
Der IMK-Beschluss vom 19. September 1996, mit der eine zeitliche, aber nicht inhaltliche Änderung des Rückführungsprogrammes beschlossen wurde, gibt sich zwar flexibler; dennoch wird die notwendige Anpassung an das Grundmuster einer Rückkehr in Sicherheit und Würde für jeden einzelnen Flüchtling nicht vollzogen. Ein gewisses Entgegenkommen ist darin zu sehen, dass in der ersten Phase einer (zwangsweisen) Rückführung „zunächst jedenfalls“ nur die Bürgerkriegsflüchtlinge erfasst werden sollen, die aus den für eine Rückkehr geeigneten Gebieten stammen.
Der UNHCR-Plan
Die Hochkommissarin für Flüchtlinge Sadako Ogate leitet die auf Regierungsebene gebildete Humanitäre Arbeitsgruppe der Internationalen Konferenz für das ehemalige Jugoslawien. Bei deren Treffen am 8. März 1996 in Oslo hat sie den geforderten Aktionsplan vorgelegt. Dieser Plan macht in seiner aktualisierten Fassung vom 16. Dezember 1996 folgende wesentlichen Aussagen:
Es wird eingeräumt, dass ein Großteil der bosnischen Flüchtlinge derzeit immer noch nicht, wie mit Dayton feierlich zugestanden, in ihre eigenen Häuser bzw. Wohnungen zurückkehren kann. Dennoch gäbe es bestimmte Personengruppen aus Bosnien-Herzegowina, die generell gesehen bereits jetzt zurückgehen könnten. Dieser Rückkehr während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase (d.h. 1997) will UNHCR in enger Zusammenarbeit mit den Bosnischen Behörden und den Ländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben, Vorrang einräumen. Die Rückkehrmöglichkeit für andere Personengruppen hänge von dem Fortschritt bei der Beseitigung politischer Rückkehrhindernisse ab. Sie werden allerdings als noch beträchtlich eingestuft.
UNHCR rechnet damit, dass in 1997 etwa 200.000 Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurückgehen und dass die Rückkehrerzahlen der Tendenz nach steigen werden.
Richtlinien für die Rückführung nach Bosnien-Herzegowina
Für die Rückkehr gibt UNHCR Richtlinien vor:
Freiwillige Rückkehr
Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase wird UNHCR weiterhin eine freiwillige Rückkehr in alle Gebiete von Bosnien-Herzegowina unterstützen. Das gilt naturgemäß vor allem für die spontane Rückkehr. Auf diese Rückkehr haben drei Faktoren einen bestimmenden Einfluss:
- Die Sicherheit zuhause.
- Die Klärung der Eigentumsfragen, der Staatsbürgerschaft und einer Amnestie.
- Vertrauensbildende Maßnahmen für ein besseres Verhältnis unter den Ethnien.
Für alle drei Faktoren sind die Behörden und die politische Führung verantwortlich.
In 1997 geht es in erster Linie um eine Rückkehr in die sogenannten Mehrheitsgebiete, d.h. an Orte, in denen die Heimkehrer zur ethnischen Mehrheit gehören. Das Amt will aber weiterhin auch die Rückkehr von Einzelnen und von Gruppen erleichtern, die in ihre früheren Häuser bzw. Wohnungen in Gebieten und Gebietseinheiten zurückkehren möchten, in denen sie nicht Teil der Mehrheitsbevölkerung sind. Die Erfahrungen von 1996 haben die Schwierigkeit gezeigt, eine derartige Rückkehr zu bewerkstelligen, wenn bei den Behörden der politische Wille fehlt.
Gruppen, für die eine Rückkehr zumutbar ist
Bei der Festlegung der Gruppen, für die eine Rückkehr 1997 zumutbar ist, spielt die Frage der Behördenstruktur im Zielgebiet die entscheidende Rolle. So kommen drei Gruppen möglicher Rückkehrer in Frage:
- Bosnische Muslime aus derzeit bosniakisch verwalteten Gebieten der Föderation Bosnien-Herzegowina;
- Bosnische Kroaten aus derzeit kroatisch verwalteten Gebieten der Föderation;
- Bosnische Serben aus der Republika Srpska ( mit Ausnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren, solange sie nicht unter eine ausreichende Amnestie fallen).
Die Rückkehr dieses Personenkreises sollte aber an die Bedingung geknüpft sein, dass vorher vom Aufnahmestaat überprüft worden ist, ob nicht doch individuelle Umstände einer sicheren Rückkehr entgegenstehen. Auch sei nicht auszuschließen, dass einzelne, die sich politisch profiliert hätten, derzeit begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention haben müssten. Schließlich könnte es humanitäre Notfälle geben. Diesen Personen sollte ein dauerhafter Schutz gewährt oder die Weiterwanderung in ein Drittland ermöglicht werden.
Zu vermeiden sei auch jede zwangsweise Rückkehr besonders schutzbedürftiger Gruppen wie behinderter Menschen, älterer Personen ohne Verwandte in Bosnien-Herzegowina. Es sei ebenfalls zu hoffen, dass bei Studenten, die ihr Studium oder das Studienjahr zu beenden trachten, flexibel vorgegangen würde.
Bei der Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina sollte es bis zum Frühjahr 1997 im strikten Sinne freiwillig zugehen. Danach – und jetzt kommt ein wichtiger Punkt, der als einschränkende Interpretation von Dayton einzuschätzen ist – „muss eine Rückkehr von Personen, die unter die genannten Kategorien fallen, nicht mehr notwendigerweise freiwillig sein. Allerdings wird dabei vorausgesetzt, dass die betroffenen Personen über bestehende Widerspruchsmöglichkeiten informiert sind und diese auch wahrnehmen können. Hierbei müssten sie persönliche Umstände geltend machen können, die einer sicheren Rückkehr entgegenstehen. Auch was die von Dayton geforderte Freiwilligkeit angeht, ist bei UNHCR eine Aufweichung der Position zu vermerken. Wirkliche Freiwilligkeit wird den Aufnahmeländer nur noch empfohlen. Sie sollten alles unternehmen, dass die Rückführung weiterhin auf freiwilliger Basis, human und stufenweise erfolgt.
Fortdauer des Schutzes
Das Amt nennt aber auch über das vorhin Gesagte hinaus Personen, die derzeit noch nicht zurückgehen könnten. Sie sollten – aus jetziger Sicht – weiterhin internationalen Schutz genießen:
- Personen, die aus Gebieten stammen, in denen sie nach der Rückkehr nicht mehr zur Mehrheit gehören, bis zu einem Zeitpunkt, wo die politischen und sicherheitsbezogenen Hindernisse für eine Rückkehr ausgeräumt sind. UNHCR ist dagegen, dass diese Personen genötigt werden, in andere als ihre Herkunftsgebiete zurückzugehen. (Ein sehr wichtiges Moment für die Bundesrepublik, insofern sie das gesamte (sichere) Staatsgebiet als Zielgebiet für Rückkehrer betrachtet).
- (Ethnisch) gemischte Ehepaare, besonders diejenigen, deren Familienvorstand nach der Rückkehr zur Minderheit gehören würde. Auch Personen, die aus ethnisch gemischten Ehen stammen, könnten Gründe dafür haben, nicht zur Rückkehr genötigt zu werden.
- Besondere humanitäre Fälle mit zwingenden Gründen, die sich aus früherer Verfolgung in der Analogie zu Artikel 1 C der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Unter diese Gruppe würden u.a. ehemalige Lagerinsassen und Opfer extremer Gewalt und mit traumatischen Erfahrungen gehören.
(Weiterer internationaler Schutz könnte ausnahmsweise auch solchen Bürgern der Republiken der früheren sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien zustehen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist.)
Ausreichende Aufnahmekapazität
Das Genfer Amt betont immer wieder, dass es eine stärkere Verbindung zwischen den Planungen und Bemühungen um die wirtschaftliche Erholung auf der einen und der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen auf der anderen Seite geben müsste.
Jede organisierte Rückführung sollte der Idee nach die Aufnahmekapazität in Betracht ziehen und mit dem Tempo Schritt halten, in der sich diese verbessert. Positiv beurteilt UNHCR die Bemühungen einer Reihe von Staaten, sich im Rahmen von Rückkehrprogrammen an Projekten für die Verbesserung der Aufnahmekapazität zu beteiligen. Ebenfalls wird es begrüßt, dass einige Staaten direkte finanzielle Mittel oder andere Anreize zur Rückkehr zur Verfügung stellen.
Die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in größerem Umfang erfordert umfassende Wiederauf- und Neubaumaßnahmen. Nicht minder wichtig ist auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Aufbau und die Finanzierung einer sozialen Infrastruktur und nicht zuletzt die Minenräumung.
Fasst man die Voraussetzungen und Bedingungen zusammen, die an eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde geknüpft werden, so ist zuallererst festzustellen, dass UNHCR den sogenannten „Schutz auf Zeit“ mit dem Frühjahr 1997 für beendet erklärt. Diese Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung. Von diesem Zeitpunkt an ist auch für UNHCR die zwangsweise Rückkehr möglich. UNHCR gibt hiermit ein Signal, dass als politische und moralische, vielleicht sogar als operationelle Unterstützung gewertet werden kann. Es ist die noch genau zu reflektierende Konsequenz daraus, dass an der Genfer Flüchtlingskonvention vorbei der „Schutz auf Zeit“ als neue Form des Flüchtlingsschutzes eingeführt wurde. Dies könnte zu einer weiteren Umgehung und Aushöhlung der Genfer Konvention führen.
Allerdings knüpft UNHCR auch eine solche als „zumutbar“ bezeichnete Rückkehr an Bedingungen, die, werden sie von den Regierungen wirklich ernst genommen, derzeit nur auf den kleineren Teil der Flüchtlinge zutreffen. An erster Stelle steht der Minderheiten-Vorbehalt, der Menschen davor schützt, wieder oder überhaupt in eine bedrohliche Minderheitensituation zu geraten. Auch die weiteren zu klärenden Fragen der Sicherheit vor Ort sind für den Einzelfall von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist vor allem, dass trotz einer generellen Aufhebung des „Schutzes auf Zeit“ (temporary protection) die persönlichen Umstände jedes einzelnen Rückkehrers zu berücksichtigen wären.
Im Konzept selbst nicht ausdrücklich angesprochen, aber aus dem von UNHCR herausgegebenen „Handbuch zur freiwilligen Rückkehr und zum internationalen Schutz“ zu entnehmen sind die Umstände, nach denen eine Rückkehr als eine „in Würde“ bezeichnet werden kann. Auf sie weist der Europäische Flüchtlingsrat in einer neuen Stellungnahme zum „Schutz auf Zeit“ zustimmend und eigentlich auch mahnend hin.
Rückkehr „in Sicherheit“:
bedeutet rechtliche Sicherheit wie Amnestie, öffentliche und offizielle Zusicherungen, persönliche Integrität, Nicht-Diskriminierung und Freiheit von Furcht vor Verfolgung oder Bestrafung nach einer Rückkehr;
die physische Sicherheit beinhaltet neben dem Schutz vor bewaffneten Angriffen und minenfreien Straßen oder zumindest als minenfrei markierte Wohnbereiche; darüber hinaus materielle Sicherheit, d.h. Land oder sonstiger Lebensunterhalt.
Rückkehr „in Würde“:
bedeutet, dass Flüchtlinge nicht hart oder brutal behandelt, geschweige denn misshandelt werden, dass sie ohne Bedingungen zurückgehen können, und dass sie, wenn sie spontan zurückgehen, ihr Vorgehen selbst bestimmen, dass sie nicht willkürlich von anderen Familienmitgliedern getrennt werden, und dass sie von ihren Heimatbehörden respektvoll behandelt werden, wenn es um die volle Wiederherstellung ihrer Rechte geht.
Die Politik der europäischen Länder
Aufenthaltsstatus
Die Europa-Abteilung von UNHCR in Genf hat auf der Tuzla-Konferenz von ECRE/ICVA im Oktober eine Übersicht über die aufenthaltsrechtliche Situation in den europäischen Aufnahmeländern bosnischer Flüchtlinge gegeben. Dabei wird die Außenseiterrolle der Bundesrepublik sehr deutlich. Von den skandinavischen Ländern habe nur Norwegen die Regelung eines Schutzes auf Zeit in seiner reinen Form eingeführt. 4.500 Personen hätten aber von Anfang an wegen außergewöhnlicher Gründe einen Flüchtlingsstatus erhalten. Den andern sei automatisch nach drei Jahren Schutz auf Zeit ein Daueraufenthaltsrecht eingeräumt worden. Im übrigen bestehe die Möglichkeit eines Asylverfahrens, sobald der Schutz auf Zeit aufgehoben worden sei. Mittlerweile dürfen die 12.000 noch verbliebenen bosnischen Flüchtling auf Dauer in Norwegen bleiben. Das gab die Regierung im November 1996 bekannt. Kein Flüchtling soll zur Rückkehr gezwungen werden; das gilt auch dann, wenn sich die Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina eines Tages normalisieren sollten (FR 9.11.1996).
Nach UNHCR haben Schweden und Dänemark die Möglichkeit eines Daueraufenthaltes geschaffen. Die Beneluxländer haben zwar auch Schutz auf Zeit gewährt, bis jetzt aber diesen Status nicht für beendet erklärt. Dasselbe gilt für Italien, wo die Frage, den Schutz auf Zeit zu beenden, nie anstand. Die Schweiz hat mit April 1997 ein Datum zur Beendigung des Schutzes auf Zeit festgesetzt, ebenso Österreich mit August 1996. Österreich, das dieses Datum als Reaktion auf die deutschen Entscheidungen gesetzt hat, ermöglicht es Flüchtlingen, nach dem Ende des Schutzes auf Zeit ein Asylverfahren zu beantragen.
Die dänische Regierung hatte im September 96 erklärt, sie wolle in absehbarer Zeit keine Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zwangsweise in die Heimat schicken. Bis auf eine kleine Zahl von Flüchtlingen, bei denen Dänemark nicht das erste Asylland war, haben alle einen sicheren Aufenthaltstitel (taz v. 22.9.1996).
Schweden
Das Parlament hat im Dezember 1996 einige Änderungen im Ausländergesetz beschlossen. Dabei wurde klarer umschrieben, dass Schutz auf Zeit im Rahmen einer Verordnung nur für Gruppen von Flüchtlingen bei einem Massenexodus möglich ist. Diese Verordnung gilt für höchstens zwei Jahre, bis ein Programm zur Vorbereitung der Rückkehr vor dem Ende dieses Zeitraums aufgelegt wurde. Andernfalls kann der Schutz auf Zeit auf zwei weitere Jahre ausgedehnt werden. Asylverfahren sind in dieser Zeit möglich.
Es wurde ebenfalls festgelegt, dass Personen mit einem Schutz auf Zeit möglichst wie Einwanderer behandelt werden, sobald der befristete Aufenthalt ein Jahr übersteigt.
Personen, die nach Dayton nach Schweden gekommen sind, wurde kein Asyl gewährt, wenn sie aus Gegenden stammten, wo ihre ethnische Gruppe die Mehrheit stellt, während Menschen, die aus Gebieten kommen, in denen sie zur Minderheit gehören, in Schweden bleiben dürfen.
Im Dezember hat die Regierung entschieden, dass kroatische Bosnier mit einem kroatischen Pass innerhalb von drei Monaten Schweden verlassen müssen. Aus der Sicht der Regierung können sie nach Kroatien gehen, ob sie dort vorher gelebt haben oder nicht.
Rückführungspolitik
Dänemark
Regierung und Dänischer Flüchtlingsrat haben ein Konzept zur Förderung der freiwilligen Rückkehr entwickelt, das nicht nur für bosnische Flüchtlinge gilt. Danach soll es nicht nur eine gute Beratung geben, sondern vor allem auch eine Rückkehroption von drei bzw. sechs Monaten. Neben der finanziellen Hilfe für die Rückreise gibt es auch beachtliche finanzielle Mittel für die Wiedereingliederung. Sie beläuft sich auf bis zu DM 4.000 für Erwachsene und auf bis zu DM 1.300 für jedes Kind.
Der Dänische Flüchtlingsrat ist darüber hinaus auch in Bosnien-Herzegowina mit Projekten der Hilfe und Unterstützung der dortigen Bevölkerung und mit Maßnahmen zum Wiederaufbau befasst. Damit ist eine wichtige Verbindung zwischen den Flüchtlingen in Dänemark und der Bevölkerung vor Ort herstellbar.
Norwegen
Die Hilfsorganisation „Norwegische Volkshilfe“ führt ein Minensensibilisierungsprogramm bei den Flüchtlingen in Norwegen und bei der bosnischen Bevölkerung durch. In Bosnien-Herzegowina liegen noch 3 Mio. Minen unter der Erde, außerdem geht von hunderten Tonnen von zurückgelassener Munition und anderen Explosivkörpern eine große Gefahr für die Bevölkerung aus.
30 – 40 Gemeinden haben für die Flüchtlinge entsprechende Kurse durchführen lassen. Dabei geht es darum, die Menschen darauf vorzubereiten, besser und sicherer mit der Minengefahr zu leben, d.h. ihr Risiko-Verhalten zu verändern und entspannter mit dem Stress zu leben. Letztlich soll die Zahl tödlicher Unfälle und schwerer Verwundungen deutlich vermindert werden. In Norwegen wird dieses Programm als eine wichtige Hilfe angesehen, eine freiwillige Rückkehr auf veranwortliche Weise zu unterstützen.
Schweden
In Schweden haben sich die Einwanderungsbehörden, Hilfs- und Bildungsorganisationen mit dem „Bosnischen Bund für Einwanderung“ zusammengetan, um die Rückkehr von Flüchtlingen und zwar „nicht nach deutscher Art“ zu fördern.
Dabei handelt es sich um Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für bestimmte Berufe, u.a. um die Befähigung kleinere Unternehmen zu führen, das Rechnungswesen zu beherrschen oder auch am Aufbau demokratischer Strukturen mitzuwirken.
Darüberhinaus werden nach Absprache mit und nach den Vorgaben des UNHCR Wiederaufbauprogramme aufgelegt, deren Schwerpunkt die Vertriebenen sind.
Für dieses Jahr ist ein größeres Vorhaben in Sanski Most geplant. Es geht um die Wiederherstelllung bzw. die Neuerrichtung von Wohnungen, des Fernmeldewesens, der Gesundheitsversorgung, von Handel und Industrie, von Bildungseinrichtungen und der Energieversorgung.
Die Finanzierung erfolgt über die EU, die aus dem Interesse Deutschlands heraus hier vor allem an die Förderung der Rückkehr aus Deutschland denkt. Aus schwedischer Sicht soll das Programm auch etwa 2.000 Rückkehrer aus Schweden zugute kommen.
Schweiz
Die Schweiz, die in ihrer Rückführungspolitik Deutschland am nächsten kommt, will, dass Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder die Schweiz bis zum 30. April 1997 verlassen. Die Ausreisefrist für Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige wird bis Ende 1998 verlängert. Deserteure und Kriegsdienstverweigerer müssen vorläufig nicht zurückkehren.
Der Lage von ethnisch gemischten Familien oder Personen mit gesundheitlichen Problemen ist durch eine Verlängerung der Ausreisefrist Rechnung zu tragen. Niemand soll gezwungen werden, in Gebiete zurückzukehren, wo die entsprechende Ethnie in der Minderheit ist. Es wird aber als normalerweise zumutbar betrachtet, sich andernorts einen neuen Wohnsitz zu suchen.
Die Regierung hat zusätzliche 26 Mio. SF bewilligt, um das als erfolgreich eingestufte Rückkehrhilfeprogramm von 1996 vorerst bis in den Sommer 1997 weiterzuführen. Im Rahmen dieses Programms sind bisher 1.600 Flüchtlinge, das sind etwa 9 % der 18.000 rückkehrpflichtigen, in die Heimat gegangen. Weitere 900 hätten sich angemeldet.
Das Hilfsprogramm sah für den einzelnen einen Betrag von DM 4.800 bei Erwachsenen und DM 2.400 für Kinder als Hilfe zum Lebensunterhalt vor und sollte in zwei Tranchen erst in der Heimat ausgezahlt werden. Dazu kamen DM 1.200 für jede Familie und für alleinstehende Personen. Darüberhinaus konnten Gelder als wirtschaftliche Starthilfe gewährt werden. Voraussetzung hierfür war die Beteiligung schweizerischer Hilfswerke an solchen Projekten, bei denen es um die Wiederherstellung der Infrastruktur ging. Mit den Projekten für jene Regionen, die Rückkehrer aufnehmen, sollte einer ungleichen Behandlung von Rückkehrern und verbliebener Bevölkerung möglichst entgegengewirkt werden.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), die Dachorganisation der von der Regierung anerkannten Flüchtlingshilfswerke, hat darauf hingewiesen, dass einer auf freiwilliger Basis beruhende Rückkehr weit mehr Erfolg beschieden sei, als irgendwelchen ausländerpolizeilichen Maßnahmen. Sie sei erwiesenermaßen kostengünstiger und dauerhafter und gewährleiste, dass die Würde der Rückkehrer respektiert werde.
Scharfe Kritik übt die Flüchtlingshilfe an dem Beschluss der Bundesregierung, dass das im Abkommen von Dayton verbriefte Recht auf Rückkehr an den Herkunftsort nicht mehr unbedingt zu berücksichtigen sei. Die Regierung hält es für zumutbar, in das Herkunftsgebiet und nicht unbedingt an den Herkunftsort zurückzugehen. Dies sei eine Missachtung von Dayton.
Der SFH hatte bereits anfangs des Jahres Kriterien aufgestellt, nach denen die Rückkehr tunlichst auf freiwilliger Basis erfolgen solle. Wenn es dennoch zu einer zwangsweisen Ausweisung kommen sollte, müßten zuerst die Fragen positiv beantwortet sein, ob eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erfolgen könne, ob die Betroffenen an ihren Herkunftsort zurückgehen können, ob die Freizügigkeit garantiert sei, wie es um die Effektivität der Arbeit der Kommission für Eigentumsfragen bestellt sei, wie die Amnestiegesetze angewendet würden und wie es mit der Strafverfolgung angeklagter Kriegsverbrecher bestellt sei.
Die SFH möchte auch geklärt wissen, dass es eine Überwachung der Rückkehr durch OSZE oder UNHCR gibt und dass die Aufnahmekapazität gebührend berücksichtigt wird. Schließlich seien auch vorher in jedem Einzelfall die individuellen Fluchtgründe und die persönliche Situation zu bewerten.
Schlußbemerkung
Dieses hier grob umrissene schweizerische Raster basiert auf Dayton und auf dem von UNHCR bei all seinen Repatriierungsaktionen zugrunde liegenden Prinzips, dass jede Rückkehr freiwillig und in Sicherheit u n d Würde zu erfolgen hat. Es könnte auch für Deutschland Grundlage von Forderungen an Bund und Länder sein.
HUMANITÄRE ARBEITSGRUPPE 1
DER INTERNATIONALEN KONFERENZ ÜBER DAS EHEMALIGE JUGOSLAWIEN
Genf, 16. Dezember 1996
Die Schaffung dauerhafter Lösungen
in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und der Bundesrepublik Jugoslawien während der Phase der Konsolidierung des Friedens
(Auszüge in einer nicht authorisierten Übersetzung – Original Englisch)
II. RÜCKKEHR IN 1996 UND 1997
1. Ursprünglich Planungsannahmen
3. Bei dem Arbeitstreffen auf höchster Ebene zur Umsetzung von Anhang 7, die am 8. März 1996 in Oslo stattfand, hat UNHCR einen Aktionsplan zur Rückkehr und Rückführung (HLWM/1996/1) im Rahmen der Vorgaben von Anhang 7 vorgestellt. Die ursprüngliche Annahme des Amtes war, dass 1996 500.000 Vertriebene und 370.000 Flüchtlinge zurückkehren würden (170.000 aus der Region und 200.000 aus anderen Ländern). Man ging davon aus, dass die Mehrheit von ihnen zwischen April und November zurückkehren würden. Diese Planungsannahmen hingen von einer Reihe Faktoren ab, die ein beständiges Engagement der drei Vertragsparteien, der interessierten Staaten und Organisationen einschlossen, außerdem die vollständige Umsetzung aller Vorgaben des Friedensvertrages, nämlich Sicherheit – insbesondere bei der Rückkehr von Minderheiten –, Freizügigkeit, die volle Beachtung der Menschen- und Minderheitenrechte; und all dies in Verbindung mit schnellen Fortschritten bei der großangelegten Instandsetzung und dem Wiederaufbau von Häusern ebenso wie bei der Minenräumung.
Aktuelle Rückkehrbewegungen
4. Während es – und zwar wie für die Sommermonate erwartet – tatsächlich zu beachtlichen Rückkehrbewegungen kam, waren diese dennoch viel geringer als anfänglich erwartet. Es wird angenommen, dass von den etwa zwei Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus Bosnien-Herzegowina in 1996 annähernd 250.000 nach Hause oder in das Heimatgebiet zurückgekehrt sind. Diese Zahl schließt etwa 21.350 Flüchtlinge ein, die bis Ende November an Rückkehraktionen aus den Ausland beteiligt waren, die von UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Zusammenarbeit mit den Behörden von Bosnien-Herzegowina organisiert worden waren. In der Gesamtzahl ist auch die aufgrund von Beobachtungen vor Ort und Informationen seitens der Gemeinden geschätzte spontane Rückkehr von Flüchtlingen wie von Vertriebenen enthalten.
5. Alle Rückkehrbewegungen erfolgten jedoch fast ausschließlich in Gebiete, in denen die Rückkehrer Teil der derzeitigen „Mehrheits“-Bevölkerung sind. Das kann mit einer Reihe von Faktoren erklärt werden, ist aber vor allem auf das Versagen der Vertragsparteien zurückzuführen, die Vorgaben von Anhang 7 und entsprechender Anhänge vollständig umzusetzen, insbesondere diejenigen, die sich auf die Freizügigkeit und die Freiheit beziehen, in das Herkunftsgebiet zurückzukehren. Begrenzter Wohnraum und der Mangel an wichtiger und funktionsfähiger Infrastruktur waren in Verbindung mit Ungewissheiten über die Sicherheit und Beschäftigungsmöglichkeiten ebenfalls für alle Bereiche wichtige Faktoren für die Rückkehrbewegungen . Im Rahmen des Osloer Plans von UNHCR und mit dem Ziel, diese Beschränkungen aufzugreifen, hat UNHCR Informationen bereitgestellt, mit denen die Rückkehrentscheidungen erleichtert werden sollen; das Amt hat eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen eingeführt und versucht, sich dem Problem der Aufnahmekapazität, besonders auf dem Bau- und Infrastruktursektor zu widmen. Es hat auch eng mit dem Hohen Vertreter und seinem Amt zusammengearbeitet, das mit der Gesamtverantwortung bei der Überwachung der Umsetzung der zivilen Aspekte des Friedensabkommens beauftragt ist, ebenso wie IFOR, die UN-Polizei (IPTF) und andere Institutionen.
6. UNHCR hat die wichtige Initiative Deutschlands, Österreichs, Kroatiens, Sloweniens und der Schweiz begrüßt, ein Transitabkommen abzuschließen, das visafreie Reisen von Flüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina durch diese Länder erleichtern soll; Voraussetzung dabei ist der Besitz eines gültigen Bosnischen Passes mit einem Aufkleber, der von dem Aufnahmeland ausgestellt wird. Das Abkommen trat am 1. Juli 1996 in Kraft und regelt Reisen für eine dauernde oder zeitweise Rückkehr. Nach UNHCR vorliegenden Zahlen haben insgesamt 63.056 bosnische Bürger bis Ende 1996 das Abkommen genutzt. 84 % unternahmen eine Reise von Deutschland aus, 8 % von Slowenien, 6 % von Österreich und 2 % von der Schweiz aus. Nur 32.685 kehrten bis Ende November wieder in ihr Aufnahmeland zurück; das impliziert, dass Zehntausende in Bosnien-Herzegowina verblieben. Daher ist UNHCR davon überzeugt, dass das Abkommen die Rückkehr nach Bosnien erheblich erleichtert hat und zu größerem Zuzug ermutigt.
III. DIE SUCHE NACH DAUERHAFTEN LÖSUNGEN IN DER REGION
C. Bosnien und Herzegowina
1. Rückkehr im Frieden
a. Rückkehr während des Ersten Jahres der Konsolidierungsphase
25. Obwohl ein Großteil der Bosnier heute immer noch nicht in ihre Häuser zurückkehren können, gibt es Kategorien von Personen aus Bosnien-Herzegowina, die generell gesehen bereits jetzt zurückgehen können. Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase (d.h. 1997), wird UNHCR ihrer Rückkehr in enger Zusammenarbeit mit den Bosnischen Behörden und den Aufnahmestaaten Vorrang einräumen. Die Rückkehrmöglichkeit für andere Kategorien wird von dem Fortschritt bei der Beseitigung der politischen Rückkehrhindernisse abhängen. Sie sind beträchtlich.
26. Es wird damit gerechnet, dass in 1997 etwa 200.000 Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurückgehen. UNHCR erwartet ebenfalls, dass die Rückkehrzahlen kontinuierlich in dem Maße ansteigen, wie die 13 Prioritäten der Konsolidierungsphase durch die gemeinsamen Bemühungen aller an der Umsetzung des Zivilen Konsolidierungsplanes Beteiligten umgesetzt werden. Dem Hohen Vertreter, SFOR und ITPF fallen in dieser Hinsicht eine besondere Rolle zu.
b. Richtlinien für die Rückführung nach Bosnien-Herzegowina
27. Das Folgende soll richtungsweisend für die Rückführung im ersten Jahr der Konsolidierungsphase sein.
(I) Freiwillige Rückkehr
28. Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase wird UNHCR weiterhin freiwillige Rückkehr nach allen Gebieten von Bosnien-Herzegowina unterstützen, und zwar im Sinne von Anhang 7 des Friedensabkommens. Wie für 1996 festgestellt erfolgt die Rückkehr in vielen Fällen spontan. Die an Bosnien-Herzegowina angrenzenden Staaten werden daher ermutigt, weiterhin die Durchreise für zurückkehrende Flüchtlinge zu erleichtern.
29. Die Unterstützung der Gemeinsamen Institutionen und der einzelnen Behörden der Gebietseinheiten ist unter drei Aspekten besonders wichtig: erstens um für ein sicheres Umfeld vor Ort zu sorgen; zweitens um Gesetze zu verabschieden, die sich auf die Fragen wie Eigentum, Staatsbürgerschaft, Amnestie usw. beziehen, und die Einfluss auf eine freiwillige Rückkehr haben; drittens, um besondere Maßnahmen zu ergreifen, durch die unter den unterschiedlichen ethnischen Gruppen Vertrauen und damit ein besseres Klima für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen geschaffen wird.
30. Bereits in 1997 werden 50 % der Haushaltsmittel von UNHCR für Rückkehrer aus dem Ausland eingesetzt, 40 % für Binnenvertriebene, die nach Hause zurückkehren oder sich umsiedeln lassen und 10 % für binnenvertriebene Personen bzw. für besonders schutzbedürftige Gruppen, die ihren Aufenthaltsort im Planungsjahr nicht wechseln.
31. Während UNHCR 1997 der Rückkehr in Mehrheitsgebiete Vorrang einräumt, wird er in seinen Bemühungen fortfahren, die Rückkehr von Einzelnen und von Gruppen zu erleichtern, die in ihre früheren Häuser bzw. Wohnungen in Gebieten und Gebietseinheiten zurückkehren möchten, in denen sie nicht Teil der Mehrheitsbevölkerung sind. Die Erfahrungen von 1996 haben die Schwierigkeit gezeigt, eine derartige Rückkehr zu bewerkstelligen, wenn bei den Behörden der politische Wille fehlt. Um sie Realität werden zu lassen, wird über die ganze Konsolidierungsphase hinweg das verbindliche Engagement der Vertragsparteien und die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung sein. Die Arbeit der Gemeinsamen Institutionen muss das Klima in Bosnien-Herzegowina schrittweise von einem solchen der Trennung und Spannung zu einem der Integration und Versöhnung verändern. UNHCR wird die vertrauensbildenden Projekte weiterführen, besonders gemäß den kürzlich verabschiedeten Verfahren für die Rückkehr in die Pufferzone (ZOS). Ziel sollte es sein, in 1997 wirkliche Fortschritte zu erreichen, und zwar in der Weise, dass die Rückkehr von Minderheiten bereits im ersten Jahr der Konsolidierungsphase einsetzt und sich in 1998 intensiviert.
(II) Gruppen, von denen eine Rückkehr erwartet werden kann
32. UNHCR glaubt, dass von folgenden Personengruppen während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase billigerweise erwartet werden kann, dass sie in ihre Heimat nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren. Dabei muss das Aufnahmeland zuvor alle individuellen Umstände überprüft haben, die einer sicheren Rückkehr entgegenstehen könnten. Diese Personengruppen sind:
- Bosnische Muslime aus derzeit bosniakisch verwalteten Gebieten der Föderation
- Bosnische Kroaten aus derzeit kroatisch verwalteten Gebieten der Föderation
- Bosnische Serben aus der Republika Srpska ( mit Ausnahme von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren, solange sie nicht unter eine ausreichende Amnestie fallen).
In der Sicht von UNHCR sind diese „Mehrheits-Bewegungen angesichts der Realitäten vor Ort am ehesten praktikabel und sicher, und es sollte ihnen Priorität eingeräumt werden. Dabei legt UNHCR Wert darauf zu betonen, dass es innerhalb der genannten drei Personengruppen u.a. politisch bedeutende Personen geben kann, die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesichts der derzeit herrschenden Lage in Bosnien-Herzegowina haben oder in anderen wichtigen humanitären Notlagen sind. Diesen Personen sollte ein dauerhafter Schutz gewährt oder die Weiterwanderung in ein Drittland ermöglicht werden. UNHCR glaubt, dass jede zwangsweise Rückkehr besonders schutzbedürftiger Gruppen wie behinderter Menschen, älterer Personen ohne Verwandte in Bosnien-Herzegowina vermieden werden sollte. Es ist ebenfalls zu hoffen, dass es eine Flexibilität bei Studenten gibt, die erst ihr Studium oder das Studienjahr beenden möchten.
33. UNHCR empfiehlt, dass jegliche Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina bis zum Frühjahr 1997 strikt auf freiwilliger Basis erfolgt. Danach muss eine Rückkehr von Personen, die unter die Kategorien des vorherigen Paragraphen fallen, nicht notwendigerweise freiwillig sein, vorausgesetzt, dass die betroffenen Personen über bestehende Möglichkeiten Widerspruch einzulegen informiert sind und diese auch wahrnehmen können, um persönliche Umstände geltend zu machen, die einer sicheren Rückkehr entgegenstehen. Dennoch sollen sich die Aufnahmeländer angeraten sein lassen, alles zu unternehmen, dass die Rückführung weiterhin auf freiwilliger Basis, human und stufenweise erfolgt. Das würde ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Rückkehr und zur Schaffung notwendiger Voraussetzungen für die Wiedereingliederung bedeuten.
(III) Fortdauer des Schutzes<(p>
34. Derzeit gibt es jedoch Personen, die nicht sofort zurückgehen können. UNHCR empfiehlt, dass Personen, die unter die nachstehenden Kategorien fallen, zur Zeit weiterhin internationalen Schutz genießen sollten:
- Personen, die aus Gebieten stammen, in denen sie nach der Rückkehr nicht mehr zur Mehrheit gehören, bis zu dem Zeitpunkt, wo die politischen und sicherheitsrelevanten Hindernisse für eine Rückkehr ausgeräumt sind. UNHCR hält dafür, dass diese Personen nicht genötigt werden sollten, in Gebiete, aus denen sie nicht stammen, zurückzugehen.
- (Ethnisch) gemischte Ehepaare, besonders diejenigen, deren Familienvorstand nach der Rückkehr zur Minderheit gehören würde –wobei es andere persönliche Umstände geben kann, die die Auffassung nahelegen, dass gemischte Ehen oder Personen aus solchen nicht genötigt werden sollten zurückzugehen.
- Besondere humanitäre Fälle mit zwingenden Gründen, die sich aus früherer Verfolgung in der Analogie zu Artikel 1 C der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Diese Kategorie würde u.a. ehemalige Lagerinsassen und Opfer extremer Gewalt und mit traumatischen Erfahrungen einschließen.
- Weiterer internationaler Schutz kann ausnahmsweise auch auf solche Bürger der Republiken der früheren sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien ausgedehnt werden, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist.
UNHCR begrüßt die Entscheidung bestimmter Staaten, Flüchtlingen aus den og. Gruppen mit einem dauerhafteren Aufenthaltsstatus zu versehen. Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase sollte jede Rückkehr einer Person, die unter die og. Gruppen fällt, nach wie vor auf strikt freiwilliger Grundlage erfolgen.
(IV) Rückkehr im Zweiten Jahr der Konsolidierungsphase
35. Ende 1997 wird UNHCR die Entwicklungen, die sich bei den Rückkehrbewegungen gezeigt haben, überprüfen. Diese Überprüfung wird sich ebenfalls konzentrieren auf die Lage in Bosnien-Herzegowina und den Fortschritt bei der Einhaltung aller Aspekte des Friedensabkommens, sowie auf die Umsetzung der Ziele des auf zwei Jahre angelegten Konsolidierungsplanes. Gleichzeitig wird das Amt Empfehlungen für dauerhafte Lösungen bei den weiterhin unter internationalem Schutz verbleibenden Personen aus Bosnien-Herzegowina machen.
2. Mögliche andere Lösungen
36. Während des ersten Jahres der Konsolidierungsphase wird UNHCR auch die Personen unterstützen, die – weder aus dem Ausland noch in Bosnien-Herzegowina – in ihre Heimat zurückkehren können, sich aber freiwillig für eine Umsiedlung in anderen Gebieten von Bosnien-Herzegowina entscheiden. Eine solche Umsiedlung muss auf einer persönlichen Entscheidung beruhen. Nichtsdestoweniger kann sich dies für manche als die Lösung herausstellen.
37. Obgleich die Diskussionen um dauerhafte Lösungen im Rahmen der Vorbereitung eines Regionalplanes weitergehen, haben viele bosnische Flüchtlinge, die sich gegenwärtig in Kroatien und der Bundesrepublik Jugoslawien aufhalten, die Hoffnung geäußert, sich dauerhaft in ihren Gastländern niederlassen zu können. Die Lösung einer Integration am Zufluchtsort für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina mag sich für viele als eine dauerhafte und ebenbürtige Lösung, besonders innerhalb der Region, ergeben.
38. Während der Konsolidierungsphase wird die als Ausnahme verstandene endgültige Umsiedlung eine notwendige Lösung für eine begrenzte Zahl von Personen darstellen, die aus ganz speziellen Gründen nicht in der unmittelbaren Region bleiben können. Deshalb wird diese Lösung, wo geeignet, verfolgt. UNHCR möchte die Staaten ermutigen, die Umsiedlung bzw. Weiterwanderung als Form der Lastenteilung zwischen den Aufnahmeländern zu betrachten, und zwar für die Menschen, bei denen internationaler Schutz weiterhin erforderlich ist.
3. Engere Zusammenarbeit bei der Rückführung aus dem Ausland
39. UNHCR wiederholt die im März 1996 in Oslo gemachte Aufforderung an die Aufnahmestaaten, alle verfügbaren Informationen über Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina zu sammeln und auszutauschen, ebenso wie über vorhandene bilaterale Rückkehrabkommen und -programme, um damit die bosnischen Behörden und UNHCR zu unterstützen, wenn sie die Rückführung planen und dabei Themen wie die Verfügbarkeit von Wohnungen und die Befriedigung spezieller Bedürfnisse angehen. Es werden genauere Informationen über die (demografischen) Profile der Flüchtlinge wie über die mutmaßlichen oder angestrebten Zielorte benötigt.
40. Bei der Vielfalt der bilateralen Rückkehrabkommen und -absprachen würde eine langfristige Rückkehrplanung durch die Schaffung eines „Rückkehr-Informationszentrums“ in Sarajewo seitens UNHCR sehr gefördert. Das Zentrum soll in enger Zusammenarbeit mit den bosnischen Behörden, den in Bosnien-Herzegowina befindlichen Vertretern der Aufnahmestaaten und dem Amt des Hohen Vertreters als Clearingstelle dienen. Es wird Informationen über geplante Bewegungen und Zielorte austauschen und dabei genauere Informationen über Gebiete vorhalten, in denen Investitionen für den Wohnungsbau und die sonstige Infrastruktur erforderlich sind. Unter diesem Aspekt wird es den wichtigen Einsatzkräften, die unter der Schirmherrschaft des Hohen Vertreters gebildet wurden, deutliche Signale geben. Es würde schließlich zwangsläufig in enger Abstimmung mit den bosnischen Behörden das richtige Tempo festlegen, in dem die Rückkehrbewegungen vor sich gehen sollen und vor Ort aufgenommen werden können. Dabei könnten auch auftretende Engpässe angegangen werden. Schließlich würde das Amt für ein Verfahren sorgen können, bei dem Informationen über bestimmte Aspekte der Durchführung der organisierten Rückkehr reibungslos zwischen den Aufnahmestaaten, den bosnischen Behörden und UNHCR hin- und herfließen.
41. UHNCR will auch zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Aufnahmestaaten kommen, um Flüchtlinge herauszufinden, die bereit sind nach Hause zu gehen, hierbei aber unterstützt werden müssen. Eine derartige Zusammenarbeit gibt es z.B. im Ansatz mit der Bundesrepublik Deutschland bei der Rückkehr in den Una Sana Kanton der Föderation. Die Vorbereitungsarbeit für eine großangelegte Rückführung wird in den kommenden Wintermonaten fortgeführt und zwar im Hinblick auf die stärker werdenden Rückkehrbewegungen im Frühjahr 1997.
4. Schaffung von Aufnahmekapazität
42. In vielen Diskussionsrunden hat UNHCR betont, dass es eine stärkere Verbindung zwischen den Planungen und Bemühungen um die wirtschaftliche Erholung auf der einen und der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen auf der anderen Seite geben müsste. Daher begrüßt das Amt die Beschlüsse der jüngsten Londoner Konferenz zur Umsetzung des Friedens (PIC), dass „Entscheidungen über den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die politischen Bemühungen des Amtes des Hohen Vertreters die Bedeutung der Förderung der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in Betracht ziehen sollen.“ UNHCR sieht diesbezüglich den Konsultationen mit dem Amt des Hohen Vertreters, mit der Europäischen Kommission und der Weltbank Anfang 1997 erwartungsvoll entgegen.
43. Der Umfang der organisierten Rückführung sollte der Idee nach die Aufnahmekapazität in Betracht ziehen und mit dem Tempo Schritt halten, in der sich diese verbessert. UNHCR begrüßt die Bemühungen einer Reihe von Staaten, im Rahmen von Programmen für eine organisierte Rückkehr in Gebieten vermutlicher Rückkehr aus dem Ausland, Fortschritte bei der Erhöhung der Aufnahmekapazität zu erzielen. Das Amt hat auch Kenntnis davon genommen, dass einige Staaten sich entschlossen haben, direkte finanzielle Mittel oder andere Anreize zur Rückkehr zur Verfügung zu stellen. Diese Entwicklung wird vom Amt begrüßt.
44. Die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in größerem Umfang erfordert die Durchführung großangelegter Wiederauf- und Neubaumaßnahmen. Der Zweijahresplan muss daher eine umfassende Strategie sowohl für den Wiederaufbau wie auch für die Errichtung von Neubauten beinhalten, um den Rückkehr- und Wiedereingliederungsprozess zu unterstützen. Darüber hinaus muss bei dem zivilen Konsolidierungsplan und dem Plan für dauerhafte Lösungen ein stärker integriertes Herangehen hohe Priorität besitzen. Dies umfasst die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Aufbau sozialer Einrichtungen und deren Unterstützung und nicht zuletzt die Minenräumung.
V. SCHLUSSFOLGERUNG
Es besteht nun die Hoffnung, dass der lang erwartete Friede gedeiht, und nach Jahren des Umbruchs und menschlichen Leids Stabilität und wirtschaftliche Gesundung mit sich bringt. UNHCR ist der Auffassung, dass die volle Umsetzung des Friedensabkommens nur ein Element der Gleichung für den Frieden in der Region ist. Das andere ist die Einsicht, dass wir das Problem der Flüchtlinge und Vertriebenen auf regionaler Basis und mit einer pragmatischen und langfristigen Perspektive angehen müssen, für die internationale Solidarität und Lastenteilung nach wie vor notwendig sind. Ähnlich bedeutsam ist der Lösungsbeitrag der in der Region politisch Verantwortlichen, um die früheren Differenzen auszuräumen und anzuerkennen, dass es keinen stabilen Frieden geben kann, kein Ende menschlichen Leids ohne eine Lösung für die Menschen, die durch den jahrelangen Konflikt entwurzelt wurden. Trotz der Vielzahl verbleibender Hindernisse und Schwierigkeiten ist UNHCR davon überzeugt, dass wir jetzt in gemeinsamer Arbeit Lösungen in der Region näherkommen können.
1 Den Vorsitz in dieser Arbeitsgruppe hat die Hohe Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen, Frau Sadako Ogata
EINZELFOLIEN
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