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19.05.1997

VG Frankfurt/Main: Asylgewährung nach dem Zufallsprinzip
Richter will Minderjährigen in die Kriegswirren Afghanistans schicken


Voraussichtlich am kommenden Sonntag soll der minderjährige Shukran A. in das kriegsgeschüttelte Afghanistan abgeschoben werden. Er sollte von den Taliban-Milizen zwangsrekrutiert werden, floh und landete am 30. April 1997 auf dem Frankfurter Flughafen. Dort stellte er einen Asylantrag, der nur wenige Tage später als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde.

Während die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt – wie fast alle anderen Gerichte in Deutschland – in ähnlich gelagerten Fällen des vergangenen Monats die Abschiebung regelmäßig aussetzte, weil dies „gegen Art.3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstoßen würde“, sieht der für Shukran A. zuständige Einzelrichter der 6. Kammer keinerlei Abschiebungshindernisse. Die 5. Kammer des VG-Frankfurt hat demgegenüber in einem Urteil vom 7. Mai 1997 festgestellt: „Nach den vorliegenden Berichten kommt es zu Amputationen, Steinigungen, Folterungen und Tötungen jeder Art. Die Herrschaft der Taliban ist damit in vielen Fällen willkürlich und unberechenbar … unter diesen Umständen kann dem Kläger eine Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht zugemutet werden.“

Neben dem oben geschilderten Fall hat der genannte Einzelrichter nach Mitteilung der befaßten Anwälte in der letzten Woche weitere Klagen afghanischer Asylbewerber – im Gegensatz nahezu der gesamten deutschen Rechtsprechung – ohne inhaltliche Würdigung des Einzelfalles und ohne Berücksichtigung der aktuellen Situation in Afghanistan abgelehnt.

PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann erhebt deshalb schwere Vorwürfe: „Die Entscheidung über Leben oder Tod darf nicht von der zufälligen Zuteilung eines Falles zu einem in unseren Augen offensichtlich befangenen Richter abhängen, der ganz alleine entscheidet. Dies ist Asylrechtsprechung nach dem Zufallsprinzip oder in russischer Roulette-Manier.“ PRO ASYL unterstützt deshalb den notwendigen Gang von Shukran A. zum Verfassungsgericht und appelliert an die Verfassungsrichter „ein unhaltbares Urteil nach Recht und Gesetz zu revidieren.“

In der bevorstehenden Abschiebung des minderjährigen Shukran A. sieht PRO ASYL überdies einen Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. In Art. 6 hat sich die Bundesregierung verpflichtet „in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes“ zu gewährleisten.


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