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Frankfurter Rundschau
15.05.1998

Pro Asyl legt sich mit Kanther an

Flüchtlingsorganisation weist auf Misere an Flughäfen hin

Von Ferdos Forudastan


BONN, 14. Mai. Das Bundesinnenministerium (BMI) ist noch immer nicht der vor zwei Jahren ergangenen Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, an Flughäfen eine unabhängige, asylrechtskundige Beratung einzurichten. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warf Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) am Donnerstag deshalb vor, er und das ihm unterstehende Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) verschleppten wegen „Marginalien“ die Umsetzung des Gerichtsbeschlusses. Dabei habe das Amt für diesen Zweck bereits knapp 300 000 Mark von der Europäischen Union (EU) erhalten. Pro Asyl urteilte, diese Verzögerungen seien Ausdruck des „fremden- und asylfeindlichen Habitus“ von Kanther. Während dem Bundesgrenzschutz die Wünsche buchstäblich von den Augen abgelesen würden, dauere es Jahre, bis das vom Verfassungsgericht geforderte „Quentchen Rechtsstaat“ auf den deutschen Flughäfen eingerichtet werde.

Die Grünen im Europa-Parlament kritisierten, daß das BMI von der EU Geld für die Rechtsberatung kassiere, sei an sich schon dreist. Als „unverantwortliche Verschwendung“ müsse man es bezeichnen, wenn trotz der bereits im Oktober vergangenen Jahres bewilligten EU-Mittel noch immer keine Rechtsberatung installiert sei. Die Fraktionsvorsitzende Claudia Roth fordert nun die EU-Kommission auf, ihre Zusage für Zuschüsse an das BAFl zurückzuziehen, das Geld samt Zinsen zurückzufordern und es statt dessen Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung zu stellen. Das BMI solle die unabhängige Rechtsberatung aus seinem eigenen Haushalt bezahlen.

Im Hause Kanther weist man diese Vorwürfe zurück und gibt die Schuld an der Verzögerung dem Deutschen Anwaltverein (DAV). BMI-Sprecherin Andrea Schumacher sagte, Verträge zwischen dem Ministerium und dem DAV über die Rechtsberatung seien seit langem unterschriftsreif. Der DAV habe aber einfach immer wieder Nachforderungen – etwa zu Honoraren – gestellt.

Pro Asyl erklärt die Verzögerung dagegen damit, daß das BMI eine Liste vereidigter Dolmetscher zum Bestandteil des Vertrages mit den Anwälten habe machen wollen. Als am Frankfurter Flughafen tätige Rechtsanwälte diese Liste durchgesehen hätten, seien ihnen jedoch erhebliche Fehler aufgefallen. Außerdem sei es unsinnig, eine Liste, die ständig erneuert werden müsse, zum Bestandteil eines Rahmenvertrages über einen Beratungsdienst zu erheben.

Die Bundesverfassungsrichter hatten im Frühling 1996 zwar die drastische Einschränkung des Asylgrundrechts von 1993 gebilligt. Dennoch verlangten sie, daß das außerordentlich knappe, sogenannte Flughafenverfahren verbessert werden müsse. Das Gericht bestand darauf, Schutzsuchenden, die keinen Anwalt haben, eine asylrechtskundige Beratung zu gewährleisten.


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