5. April 1997: 5 Jahre Kinderrechtskonvention
PRO ASYL: Deutschland verletzt Völkerrechtsnormen für Flüchtlingskinder
Offener Brief an Parteivorsitzende, Innenminister und Kinderkommission
In einem Offenen Brief zum 5. Jahrestag der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesregierung appelliert die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL an die Vorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien, Flüchtlingskindern den ihnen völkerrechtlich zustehenden Schutz und notwendige Hilfen nicht länger zu verweigern.
Wie der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann, in dem auch an die Innenminister der Länder und die Mitglieder der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gerichteten Schreiben kritisiert, befindet sich das deutsche Ausländer- und Asylrecht fünf Jahre nach Ratifizierung der Konvention noch immer nicht im Einklang mit den Völkerrechtsnormen für Flüchtlingskinder. Dies führe dazu, daß viele der durch Flucht, Menschenrechtsverletzungen und Kriege schwer traumatisierten Kinder keine ausreichenden Hilfen in Deutschland erhielten.
Wörtlich heißt es: „Wer das Leid dieser oft völlig erschöpften und schwer traumatisierten Kinder erlebt, die unmittelbar unter dem Eindruck von Krieg, Verfolgung und Gewalt zu uns gekommen sind, findet kein Verständnis für die gesetzlich vorgeschriebene Verweigerung von Hilfen durch den Rechtsstaat.“
Zur Umsetzung der Bestimmungen der Kinderrechtskonvention für Flüchtlingskinder in Deutschland nannte Kauffmann acht zentrale Forderungen:
- Kinderschutz im Sinne der Konvention (Art. 1) ist auch in Deutschland bis zum Alter von 18 Jahren zu gewähren (zur Zeit werden Kinder zwischen 16 und 18 Jahren asylverfahrensrechtlich wie Erwachsene behandelt);
- unbegleitete minderjährige Flüchtlingskinder sind aus der „Drittstaatenregelung“ und der Flughafenregelung zu nehmen;
- den besonderen Schutzbedürfnissen aller neu eingereisten unbegleiteten Minderjährigen ist durch ein besonderes („Clearing“-) Verfahren Rechnung zu tragen (hier soll unter kindgerechten Bedingungen, mit der notwendigen Zeit, Zuwendung und Sorgfalt das persönliche Schicksal und die Perspektive des Flüchtlingskindes umfassend abgeklärt werden);
- eine kindgerechte Unterbringung, Betreuung und Förderung für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (dies ist in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften nicht gewährleistet);
- ein kompetenter Vormund ist für alle Kinderflüchtlinge im Alter von bis zu 18 Jahren nach der Einreise unverzüglich zu bestellen;
- für unbegleitete Flüchtlingskinder, die seit mindestens 2 Jahren in Deutschland leben, ist eine besondere „Härtefall-“ bzw. „Altfall“-Regelung zu schaffen (die von den Innenministern im März 1996 verabschiedete Altfallregelung ist auf unbegleitete Flüchtlingskinder nicht anwendbar);
- unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dürfen niemals inhaftiert werden;
- die seitens der Bundesrepublik Deutschland bei der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention abgegebenen (einschränkenden) Erklärungen müssen zurückgenommen werden.
Kauffmann verwies darauf, daß diese Forderungen von über 90 in der „National Coalition“ für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland zusammengeschlossenen Verbänden – darunter allen bekannten Wohlfahrts-, Menschenrechts- und Kinderschutzorganisationen geteilt werden.
„Nachdem bereits der UN-Ausschuß für die Rechte des Kindes die Haltung Deutschlands kritisiert und die Anpassung des deutschen Asyl- und Ausländerrechts an die UN-Kinderrechtskonvention angemahnt hat, sollte dieses Jubiläum den Parlamentariern und Innenministern endlich den Anstoß geben, ihrer gesetzlichen Handlungspflicht nachzukommen und das Völkerrecht zu Gunsten der Flüchtlingskinder auch in Deutschland durchzusetzen“, so Heiko Kauffmann abschließend.