Zur Kritik aus der Regierungskoalition
an der Friedenspreislaudatio von Günter Grass
PRO ASYL: Politisch Verantwortliche leugnen die Fakten
„Mit seiner unqualifizierten Kritik an der Friedenspreislaudatio von Günter Grass leugnet CDU-Generalsekretär Peter Hintze Fakten, die Grass klar benannt hat und für die die Bundesregierung maßgeblich Verantwortung trägt. Den ‚ungeheuerlichen Behauptungen‘ (CDU-Generalsekretär Hintze) liegen ungeheuerliche Fakten zugrunde.“ Eine grundlegende Änderung der Türkeipolitik der Bundesregierung sei längst überfällig, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Als ad hoc Maßnahme fordert PRO ASYL einen Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden aus der Türkei.
Zu den Fakten:
Abschiebungshaft:
Abschiebehäftlinge sind nur deshalb inhaftiert, damit man sie außer Landes bringen kann. Abschiebungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet und auf bis zu 1 ½ Jahren verlängert werden. Bei Deutschen ist eine halbjährige Untersuchungshaft nur dann gerechtfertigt, wenn eine erhebliche Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten ist. Nach wie vor wird in Deutschland zu schnell und zu leicht Abschiebungshaft verhängt. Eine gründliche Überprüfung der Haftvoraussetzungen durch die Richterinnen und Richter findet oftmals nicht statt. Die Haftbedingungen genügen in vielen Bundesländern weder rechtsstaatlichen noch menschenrechtlichen Mindeststandards.
Seit der Asylrechtsänderung 1993 haben sich in Abschiebungshaft mindestens 14 Menschen aus Angola, Nigeria, Sudan, Ghana, China, Marokko, Algerien, Äthiopien, Togo und Zaire das Leben genommen. Sie hatten Angst vor der Abschiebung in ihre Herkunftsländer und fürchteten, dort verfolgt, verhaftet oder gar erneut gefoltert zu werden.
„Die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft ist verfassungswidrig und eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig“ erklärte Günter Burkhardt. Zurecht pran-
gere Günter Grass diesen Zustand als ‚demokratisch abgesicherte Barbarei‘ an.
Zum Schicksal kurdischer Flüchtlinge in Deutschland:
In den letzten zehn Jahren war die Türkei immer unter den fünf größten Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden in Deutschland. Überwiegend suchen Kurdinnen und Kurden aus der Osttürkei hierzulande Zuflucht. In den letzten Jahren hat sich die Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus der Türkei beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sprunghaft nach unten entwickelt:
1995: 21,5 Prozent
1996: 12,8 Prozent
1997: ca. 8,7 Prozent (erstes Halbjahr)
Dies hat nichts mit einer Verbesserung der Verhältnisse in der Türkei zu tun, sondern mit juristischen Spitzfindigkeiten und politischen Vorgaben.
Für viele Flüchtlinge aus der Türkei wäre ein Abschiebungsstopp ein minimaler Schutz. Doch selbst darauf können sie nicht mehr hoffen. Die Innenminister von Bund und Ländern verlassen sich auf wachsweiche Zusagen aus der Türkei, die Menschenrechte von Abgeschobenen würden respektiert.
Tatsache ist, daß in den letzten Jahren wiederholt Abgeschobene inhaftiert und erneut verfolgt wurden. Beispielhaft seien hier genannt:
- Im August dieses Jahres wurde K. in die Türkei abgeschoben. Der begleitende Bundesgrenzschutz übergab den Aktenkoffer mit persönlichen Unterlagen zu seinen Angaben im Asylverfahren nicht dem Abgeschobenen, sondern der Polizei in Izmir. K. kam daraufhin in Haft.
- Im September wurde D. nach der gewaltsamen Räumung eines Kirchenasyls in Niedersachsen in die Türkei abgeschoben und nach seiner Festnahme auf dem Flughafen Istanbul vermutlich gefoltert.
- Auch der im Februar in die Türkei abgeschobene Kurde S. erklärte, in einem Spezialgefängnis mit Elektroschocks gefoltert worden zu sein. Man habe ihn im Juni freigelassen, weil es offensichtlich Bemühungen deutscher Stellen gegeben habe, seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. S. gelang die erneute Einreise nach Deutschland. Er sitzt nun in Abschiebungshaft und schwebt in konkreter Gefahr wiederum abgeschoben zu werden.
gez. Günter Burkhardt
Geschäftsführer
Weitere Informationen und Zahlen zu kurdischen Flüchtlingen aus der Türkei erhalten Sie über die Geschäftsstelle von PRO ASYL.
TÜRKEI