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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV FOTOSERIEN 2001 :::

Parteien auf dem Prüfstand:
Thema „Asyl und Einwanderung“

EINLADUNG

Parteien auf dem Prüfstand:
Thema „Asyl und Einwanderung“

Podiumsdiskussion
7.3.2001 um 20h

im Haus Fetzenreich/KHG
Trier, Sichelstr. 36

Das Grundrecht auf Asyl wird weiter ausgehöhlt. Anstatt Fluchtursachen zu bekämpfen, werden Flüchtlinge bekämpft und ausgegrenzt. Diskriminierende Gesetze, schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, Entrechtung und eine inhumane Abschiebepraxis kennzeichnen die restriktive Asylpolitik. Hinzu kommt eine Unterscheidung in nützliche und unnütze MigrantInnen, Beispiel Greencard. Das Flüchtlingsforum fordert eine humane Ausgestaltung der Asyl- und Migrationspoltik und will die Positionen der Parteien dazu kennenlernen und anhand konkreter Beispiele überprüfen.

Moderation:

• Bruno Sonnen
(Chefredakteur des Paulinus)

Es diskutieren
für das Flüchtlingsforum:

• Herbert Leuninger („Pro Asyl“)
• Siegfried Pick (Arbeitskreis Asyl RLP) .

von den Parteien:

• Christoph Grimm (SPD)
• Thomas Albrecht (CDU)
• Thomas Egger (FDP)
• Reiner Marz (B.90/Die Grünen)
• Albert Schtschepik (PDS)

Veranstalter: Flüchtlingsforum Trier
Afrikamissionare Weiße Väter, amnesty international, Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier, Arbeitskreis Asyl Konz-Trier-Schweich, Ausländerbeirat der Stadt Trier, Caritasverband für die Diözese Trier, Caritasverband für die Region Trier, Caritasverband Wittlich, Ökumenische Beratungsstelle für Flüchtlinge, Pax Christi, Sozialdienst Katholischer Frauen, Ausländerbeauftragte des Kirchenkreises Trier, Diakonisches Werk Trier.

FRAGEN AN DIE POLITIK

Parteien auf dem Prüfstand:
Thema „Asyl und Einwanderung“

Podiumsdiskussion am 7.3.2001 in Trier

Zu folgenden Themenbereichen wird je ein Beispiel und eine Frage gestellt und darauf Stellungnahmen der Parteienvertreter und der Vertreter des Flüchtlingsforums

4 Themenbereiche:

(Präsenzpflicht, Gutscheine, Umgangston (Rassismus auf Behörden), Schulpflicht, Leistungskürzungen (weniger Geld für Flüchtlinge als Sozialhilfe für Deutsche)

(Antragstellung, Übersetzung, Information, Rechtsanwaltskosten???)

(inhumane Abschiebepraxis (Pampers, Helm, Handschellen, nachts), fraglicher/inhumaner Gefängnisaufenthalt, Sinn- und Kostenfrage, Ingelheim/Zweibrücken)

de facto Arbeitsverbot, kurzfristige Duldung verhindert Arbeit, Asylgesetz versus Einwanderung, Abschlussrunde, dann offene Diskussion

Beispiele und eine Frage des Flüchtlingsforums:

1. Lebensbedingungen

1. Beispiel: Schweich

Ein junger Roma aus dem Kosovo wird unserem Landkreis zugeteilt, während seine später geflüchtete Verlobte nach Bayern umverteilt wird. Als die junge Frau mehrfach ihren Verlobten mit einer jeweils nötigen Extra-Erlaubnis besucht, wird ihre Sozialhilfe gestrichen. Das Paar möchte heiraten, hat aber keine Papiere, da diese nachweislich mit der gesamten Habe in einem kosovarischen Dorf verbrannt sind.
Die religiöse Trauung – beide sind Moslems – wird von unseren Behörden nicht anerkannt. Als die Frau schwanger wird und wiederholt einen Antrag auf Familienzusammenführung stellt, sagt der Mitarbeiter der Ausländerbehörde: „Das kann ja jede sagen, wer weiß, von wem Sie schwanger sind.“

2. Beispiel: Trier

Ein durch Folterungen traumatisierter Kurde aus der Türkei sollte zur Behandlung in das psychsoziale Zentrum Frankfurt gehen. Die ökumenische Beratungsstelle hatte dies organisiert und die nötigen Zusagen der Kreisverwaltung. Am Ende wurde ihm aber ohne Begründung diese Hilfe versagt, es gab keine Gestattung, es entstanden stattdessen nur zusätzliche unnötige Kosten durch Einschaltung eines Amtsarztes und eines niedergelassenen Arztes. Zusätzlich lief während der Folterung Musik, so daß der Kurde es nicht mehr erträgt, mit anderen Personen in einem Zimmer zu wohnen. Die von der Beratungsstelle ausnahmsweise beantragte Einzelunterbringung wurde mit der Begründung „Wo kämen wir denn dahin, wenn wir für jeden eine Einzelunterbringung zur Verfügung stellen müssten“ abgelehnt.

Frage:

Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, dass die gegenwärtige gesetzliche Praxis solche diskriminierenden Lebensbedingungen erzeugt?

2. Asylverfahren

1. Beispiel: Trier

Ein Türke, dessen Erstantrag abgelehnt wurde, klagt beim Verwaltungsgericht. Bei der mündlichen Verhandlung legt er seine Asylgründe dar. Die Richterin begegnet ihm mit Vorurteilen und schreit ihn plötzlich an. Der Antragsteller hat sich an den Verhandlungsstil in seinem Heimatland erinnert.

2. Beispiel: Trier

Ein Iraner leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er war 10 Jahre im Iran im Gefängnis, davon einmal 8 Monate und einmal 6 Monate in Einzelhaft. In der Anhörung beim Bundesrat fällt auf, dass er wenig sagt und sehr abwesend wirkt. Aufgrund seiner schlechten psychischen Verfassung erhält er die Erlaubnis, sich anstatt in der Erstaufnahmeeinrichtung bei seinen Verwandten aufzuhalten. Gleichzeitig erhält er 2 Wochen nach seiner Anhörung die Entscheidung, offensichtlich unbegründet, noch bevor seine Verwandten weitere medizinische Stellungnahmen abgeben konnten.

Frage:

Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, daß Asylverfahren so unfair ablaufen?

3. Abschiebungspraxis/Abschiebehaft

1. Beispiel: Wittlich

Im Februar klingelt morgens um 6.00 Uhr die Hausglocke. Als die vierjährige Tochter die Tür öffnet, stürzen sieben Polizeibeamte mit Schäferhund in die Wohnung. Sie fragen den Vater: „Sind Sie Herr ….?“ Als er dies bejaht, stellen Sie ihm ein Bein, werfen ihn auf den Boden, fesseln ihn an Händen und Füßen und schleppen ihn so in das Polizeiauto. Getrennt von seiner Familie – er soll alleine abgeschoben werden – wehrt er sich in diesem gefesselten Zustand und wird daraufhin von der Polizei geschlagen und getreten. Der Arzt attestiert später großflächige Hämatome, ebenso Quetschungen der Stimmbänder, die durch Fixierung breiter Gummibänder im Zuge der Abschiebung im Flugzeug entstanden sind.
Später wird die Polizei Strafantrag wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ stellen. Eine Geldstrafe von DM 5.300,– reicht aus, als vorbestraft zu gelten und nicht die Altfallregelung in Anspruch nehmen zu können.

2. Beispiel: Saarburg

In einer frostigen Novembernacht soll eine vietnamesische Familie abgeschoben werden. Um 3.00 Uhr in der Nacht stehen zwischen sieben und zehn Polizisten ohne zu läuten mit Hilfe des Schlüsseldienstes in der Wohnung. Während sie die Mutter mit den beiden Töchtern – ein Jahr und sieben Jahre alt – aus dem Bett jagen, springt der Vater, der in der Küche geschlafen hat, in der Unterhose aus dem Fenster.

Frage:

Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, dass diese Abschiebepraxis inhuman und menschenverachtend ist.?

4. Einwanderung und Arbeit

1. Beispiel: Daun

Herr K ist Asylsuchender, ein Computerspezialist aus dem Iran. Firma W aus D sucht dringend einen solchen Fachmann. Herr K darf nicht arbeiten. Bekannt ist, dass weiterhin ein Mangel an Fachkräften besteht, der nicht durch die Green Card Aktion gedeckt ist.

2. Beispiel: Trier

Herr G, ein Roma aus dem Kosovo, bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Er ist verheiratet und wird bald Vater. Herr G möchte arbeiten, weil ihm das Geld nicht ausreicht und weil ihm die Schikanen und die Abhängigkeit vom Sozialamt das Leben schwer machen. Da Herr G nur eine Duldung für einen Monat besitzt, ist es ihm fast unmöglich, eine Arbeitsstelle zu finden.

Frage:

Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, dass das Arbeitsverbot Flüchtlinge zu unnützen Menschen macht und sie an den Rand der Gesellschaft drängt. Flüchtlinge, die hier arbeiten, sollen abgeschoben werden, gleichzeitig werden Computerfachkräfte angeworben. Nach welchen Kriterien, humanitären oder wirtschaftlichen soll Einwanderung denn erfolgen?


Themen, Beispiele und Fragen, die wir nicht untergebracht haben:

  • Fehlende Schulpflicht für Flüchtlingskinder
  • Der Umgangston ist ein Beispiel von (verbaler) Diskriminierung; es gibt viele andere. Wenn Politiker und Mitarbeiter des öffentlichen Lebens in den Medien diese Sprache sprechen, entwickelt sich automatisch ein Klima der Gewalt.
    Was gedenken Sie, dagegen zu tun?
  • Sozialhilfe, Beispiel Trier, Herr A aus T erhält 550,-DM, Herr B aus T erhält 480,-DM ? Herr B ist Asylbegehrender!
    Sozialhilfeempfänger erhalten Leistungen zum lebensnotwendigen Unterhalt. Asylsuchende erhalten fast 20 % weniger als diese lebensnotwendigen Leistungen!
    Warum erhalten Asylsuchende fast 20 % unter dem Existenzminimum ???
  • Anerkennungspraxis
    Es gibt die Aussage, nur 3 % aller Asylsuchenden werden anerkannt. Die Anerkennungszahlen im Asylverfahren sind so niedrig! 70 % werden angefochten, 10 % mit Erfolg, Anerkennung insg. also 22-29 %. Asylsuchende aus Tschetschenien werden aber per Erlass jetzt nicht entschieden. Als die NATO im Kosovo Bomben warfen, erging der gleiche Erlass. Nun nachdem die Kämpfe aufgehört haben, wird wieder entschieden. In der Regel NEGATIV!
  • Stichwort Afghanistan, auch hier wurde wegen Nicht Staatlicher Verfolgung lange nicht entschieden.
    Warum wird die Anerkennungsquote so künstlich niedrig gehalten?
    Warum wird es Asylsuchenden so schwerer gemacht, ihr Recht zu bekommen?
    Warum müssen so viele überhaupt Klagen, um einen dauernden Aufenthalt zu erhalten? Ist nicht gerade aus der historischen Verantwortung (Asyl für Juden und Antifaschisten während des Nationalsozialismus) ein faires Asylverfahren gefordert statt einer weiteren Aushöhlung?
  • Keine Übersetzungshilfen bei Ärzten, Mangelnde muttersprachliche Informationen. Ist Deutsch Amtssprache bei Ausländerbehörden?
  • Frauenspezifische Fluchtgründe werden nicht entsprechend behandelt und anerkannt (Männer übersetzten Vergewaltigungsgeschichte.)
    Wer bei der ersten Befragung nicht gleich alle Fluchtgründe nennt hat Pech.
    Dies ist kein faires Verfahren!!!
  • 3. Beispiel zur Abschiebpraxis: Fell
    Eine Großfamilie aus dem Kosovo soll im September abgeschoben werden. In der Nacht wird die Straße großräumig abgesperrt. Ohne an der Haustür zu klingeln, versucht der Schlüsseldienst, die Wohnungstür zu öffnen. Als dies nicht gelingt, wird diese eingetreten, um sich mit Gewalt Eintritt in die Wohnung zu verschaffen.

PRESSE

Paulinus vom 18. März 2001
(Wochenzeitung für das Bistum Trier)

Parteien auf dem Prüfstand

Landespolitiker nahmen Stellung zu Flüchtlingspolitik

von Ernst Mettlach

Zur Diskussion über ein brisantes Thema hatte das Flüchtlingsforum Trier, ein Bündnis verschiedener Träger, von Caritas und Diakonie bis zu amnesty international und Pax Christi, am 7. März in der heißen Phase des rheinland-pfälzischen Wahlkampfes Vertreter verschiedener Parteien in die Katholische Hochschulgemeinde nach Trier eingeladen: Christoph Grimm (SPD), Thomas Albrecht (CDU), Thomas Egger (FDP), Rainer Marz (Bündnis 90/DieGrünen) und Albert Schtschepik (PDS) stellten ihre Positionen zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik den rund 150 Zuhörern vor. Als Experten, die täglich mit Flüchtlingen arbeiten, standen Siegfried Pick vom Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz und Herbert Leuninger von „Pro Asyl“ der Diskussion zur Verfügung.

Moderator Bruno Sonnen, Chefredakteur des „Paulinus“, stellte zunächst Beispiele vor, die deutlich machten, wie Asylbewerber in der Region Trier behandelt werden. Anschließend konnten sich die Vertreter der Parteien dazu äußern. Grundfrage: Ist unmenschliche Behandlung immer das Versagen einzelner Behördenvertreter oder fördert die Gesetzgebung solche Ungerechtigkeiten?

Für Christoph Grimm (SPD) ist die Sache klar: Zwar seien die Einzelfälle zu verurteilen. Aber dies liege nicht im System begründet. Trotzdem zeigte sich Grimm nicht zufrieden mit der derzeitigen Gesetzeslage. Er betonte, dass das Asylgesetz von 1993 eben nur ein Kompromiss sei. Thomas Eggert (FDP) schloss sich dieser Meinung an. „Kein Gesetz ist so absolut, dass es nicht mehr geändert werden kann“, erklärte er, räumte aber auch ein, dass das derzeitige Verfahren von einer breiten Mehrheit getragen sei. Thomas Albrecht (CDU) verteidigte den so genannten Asylkompromiss von 1993: „Der Asylkompromiss ist nicht schlecht.“ Er forderte, dass auch in Zukunft die Abschiebung gewährleistet sein müsse.

Albert Schtschepik (PDS) und Rainer Marz (Bündnis 90/Grüne) waren da ganz anderer Meinung. „Ich denke nicht, dass wir ein Asylrecht haben, wir haben ein Gesetz, das sagt: „Bleibt weg!“, sprach sich Marz gegen das Asylgesetz aus. Die menschenunwürdige Behandlung sei kein Einzelfall, die Problematik liege im System begründet. „Das ganze Verfahren ist darauf ausgerichtet, möglichst schnell abzuschieben“, stellte Marz seine Position dar. Auch Siegfried Pick vom Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz argumentierte so. „Diese Einzelfälle zeigen eine Struktur auf, die Verletzungen gehören zu unserer täglichen Praxis“, erklärte er und stellte außerdem eine „Verrohung in den Köpfen der Richter“ fest.

Herbert Leuninger von „Pro Asyl“ forderte die Abschaffung der Asylbewerberleistungsgesetze, die Abschaffung von Sammelunterkünften und die Schulpflicht für die Kinder von Asylbewerbern. Leuninger verurteilte die gängige Praxis, mit Flüchtlingen umzugehen. „Wir haben den humanitären Anspruch dieser Republik verletzt!“


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