ANSPRACHE
Prof. Dr. Ernst Leuninger
23. Juli 2005
Ökumenischer Gottesdienst
zwischen Mengerskirchen und Arborn
„Heilig-Kreuz am Galgenkopf“
Ansprache
Schwestern und Brüder!
Wir stehen hier an einer alten bedeutsamen Stätte, wenn Steine reden könnten, dann hätten sie uns viel zu erzählen. Wir müssen uns aber auf wenige Fakten stützen und versuchen, daraus einige vertretbare Aussagen zu machen.
Dieses Gebiet ist altes keltisches Siedlungsgebiet aus der Latenezeit, etwa 500 vor bis 300-400 nach Christus. Die Täler waren damals noch versumpft, deshalb wohnt man auf den Höhen. Keltische Siedlungen gab es in unserer Gegend am Seeköppel, am Knoten (westlich oberhalb der Viehtränke) und am Hansenberg. Dort war auch eine Wallanlage. Der Höhenweg lief über den Hansenberg in das Lahntal, dieses galt es zu verteidigen. Es ist durchaus möglich, dass hier eine keltische Versammlungs- und Kultstätte war, die Kelten verehrten ihre Gottheiten gerne in Wäldern und an Steinen. Der Distriktname Heidenkopf mag ein Hinweis darauf sein. Da man bei der Christianisierung nicht einfach die heidnischen Kultstätten vernichtete, sondern christlich überbaute oder umformte, könnte das auch an dieser Stelle so gewesen sein. Mit der fränkischen Besiedlung aber dürfte es dann fränkische Thingstätte geworden sein.
Denn nach der Schwäche und dem Fall des römischen Reiches drängten ab um 300 die Germanen immer mehr in diesen Raum. Hier seien zuerst die Chatten gewesen, dann die Franken, diese vor allem im 5. und 6. Jhdt. Diese siedelten mit Vorliebe in den geschützten Talmulden, die durch Klimawandel und/oder Abwassereinrichtungen entsumpft waren. Sie richteten ihre Weiler aus Sicherheitsgründen in Rufweite ein. Unser Gebiet dürfte im achten Jahrhundert fränkisch besiedelt gewesen sein. Arborn und Mengerskirchen gehen ebenso wie Nenderoth wohl auf diese Phase zurück. Das Rufweitensystem der Siedlungen zur schnellen Verständigung untereinander dürfte sich noch an den bekannten ausgegangenen Weilern (Wüstungen) erkennen lassen: für Mengerskirchen, Almendrode, Helmenrode, Winnau (Winden), Struthausen (mit Arborn) Arborn-Gehöfte, (vielleicht auch mit Arborn identisch). Diese Dörfer legen alle im sogenannten Kahlenberger Zehnt mit den Pfarreien Nenderoth, Beilstein und Mengerskirchen. Ihre Mitte könnte der Kahlenberg oder aber auch unser Ort hier gewesen sein.
Es wird angenommen, dass der älteste Ort christlicher Verkündigung im Kahlenberger Zehnt am Heiligen Kreuz gewesen sei. Es ist sogar zu vermuten, dass hier die älteste kleine Kirche dieses Zehnten gestanden hat, die dann später wohl die Vorgängerkirche von Mengerskirchen war. Für eine Pfarrkirche spricht der Distrikt-Taufstein in der Nähe. Für die Orte im Umfeld lag dies auch nicht ungünstig. Bald werden aber die Kirche von Nenderoth dazu gekommen sein. Mit dem Wachstum von Mengerskirchen wurde dort, wie der Name sagt, eine Kirche wohl von Meginher, also eine Eigenkirche, gebaut, die Pfarrkirche wurde.
Hier am Heilig-Kreuz war auch das Zehntgericht, normalerweise immer in der Nähe einer Kirche. Für Beilstein später wissen wir wie ebenso für Nenderoth, dass es in der Vorhalle war. Für Mengerskirchen wissen wir das nicht. Die Zwölf statt Siebenzahl der Schöffen weist aber auf ein altes Gericht hin. Noch 1562 wurden die Bewohner des Kirchspiels dort versammelt, um sich auf die Dienste für die neue Bewohnerin des Schlosses von Mengerskirchen, eine Witwe aus dem Herrscherhaus, einschwören zu lassen. Übrigens, Arborn gehörte ursprünglich zum Gericht Mengerskirchen. Als hier die Landesgrenze zwischen Nassau Diez und Nassau Dillenburg verlief, wurden Gericht und Gerichtsstätte getrennt. Die Mengerskirchener versuchten es 1724 noch einmal, einen Delinquenten hier zu hängen, aber die Dillenburger rückten mit ihrer Landmiliz an und verhinderten es.
Zentrum keltischer Siedlung am alten Höhenweg, Thing und Gerichtsstätte, frühe christliche Verkündigung und älteste Pfarrkirche, das sind schon einmal Hinweise für die Bedeutsamkeit dieses Ortes.
Schon in keltischer Zeit lief hier ein Höhenweg in das Lahntal. Der hatte auch lange weiterhin Bestand. Er wurde noch von den Franken übernommen. Die Höhenstraßen waren das entscheidende Straßensystem bis ins 13. Jahrhundert, besonders auch im Westerwald. Es könnte durchaus sein, dass hier auch die Verbindung Koblenz, Montabaur, Knoten, Lahntal und Thüringen verlief. Sie wäre dann von Bonifatius 721 gewählt worden. Die andere Strecke, die sich auf dem Knoten (Verkehrsknoten) mit dieser Straße kreuzte, ging von Limburg über Dillenburg und Siegen nach Köln. Sie wurde später durch Mengerskirchen als Ort für den Pferdewechsel gelegt und kreuzte sich hier mit der Koblenz-Montabaur-Thüringen-Straße. Jedenfalls war hier eine alte Straßenkreuzung. Schon Römer und andere haben an Straßenkreuzungen „gute Geister“ angesiedelt und ihnen kleine Kapellen gebaut, damit die Menschen sich nicht durch „böse Geister“ verirrten. Die Christen haben gerne ein Kreuz an solchen Kreuzungen aufgestellt, hier sogar mit einer Heiligkreuzkirche. In Mengerskirchen gab es z.B. das „Kreuz“ an der Elsoffer Straße. Damit bekam diese Stelle eine zusätzliche Bedeutung als Verkehrsknoten, der ja ursprünglich weiter nordwestlich lag.
Natürlich wurde an einer solchen Kirche auch gefeiert, besonders das Patronatsfest, das am 14. September „Kreuzerhöhung“ gefeiert wurde. Solche Christus- und Gottespatrozinien weisen im Gegensatz zu Heiligenpatrozinien auf ein hohes Alter hin. Was Wunder, dass dann hier ein Markt eingerichtet wurde, eigentlich eine Messe, weil dieses Geschehen in der Regel mit der Festmesse begann. Ab 1481 durfte dort mit Genehmigung von Kaiser Friedrich ein öffentlicher Markt abgehalten werden, der eine Riesendimension annahm. Drei Tage lang um das Fest Kreuzerhöhung war alles da von Händlern, Wahrsagern bis hin zu Wundärzten. Bis zu 5000 Stück Großvieh soll aufgetrieben worden sein. Dann wurde eine Konkurrenz in Emmerichenhain geschaffen, die den Mengerskircher Markt bedrängte. Zu Beginn des 30-jährigen Krieges wurde er in die Stadt verlegt und Ende des 19. Jahrhunderts ging er unter.
Die Kirche war inzwischen schon am Verfallen. In der Reformation waren ihr die Unterhaltsgüter von dem Stifteradel entzogen worden, im 30-jährigen Krieg verfiel sie endgültig. Sie stand ja auch auf einer Grenze. In der Pest wurden dort Pesttote aus Arborn hingebracht, so im Kirchenbuch von Nenderoth 1613 belegt. Dieser sogenannte Pestfriedhof wurde angelegt, wohl weil der eigentliche Friedhof in Nenderoth wegen der Pest in Arborn den dortigen Pesttoten verwehrt wurde oder aber nicht ausreichte. Es ist vielleicht auch anzunehmen, dass dies im 30-jährigen Krieg nochmals geschah, nämlich 1635, als die Mengerskircher in die Wälder geflüchtet waren und viele Arborner und Menschen aus anderen Ortschaften hinter die Mauern von Mengerskirchen geflüchtet waren. In einem halben Jahr gab es dort 179 Pesttote: In Mengerskirchen durften die Arborner wohl nicht beerdigen, nach Arborn-Nenderoth konnten sie aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich nicht. So legten sie ihre Toten auf den Pestfriedhof der alten Kirche, wobei es nicht auszuschließen ist, dass bei der Kirche schon früher eine Friedhofstradition bestanden hat. Dies alles müssten Grabungen belegen.
Mengerskirchen und Arborn waren konfessionell schon geteilt. Dann machte Mengerskirchen 1630 den 3. Glaubenswechsel in knapp einhundert Jahren mit. Nun kam noch die religiöse Grenze hinzu, die politische fiel ja später wieder weg. An die Stelle von Gemeinsamkeiten traten mehr und mehr Spannungen. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in große Schlägereien am Galgenkopf vor allem von Kindern und Jugendlichen ausarteten. Im Krieg und nach dem Krieg hatte man andere Sorgen. Formal war der Pfarrer von Mengerskirchen zuständig für die Katholiken in Arborn und praktisch den ganzen Kahlenberger Zehnten, aber es gab dort nur sehr wenige. Als die Heimatvertriebenen nach dem Krieg kamen, stellten evangelische Gemeinden ihre Gotteshäuser zur Verfügung. Es wurden die Pfarreien Beilstein und Driedorf gegründet. Der evangelische Pfarrer ist nach wie vor für Mengerskirchen zuständig. Eine wirkliche Entspannung kam erst, als die katholische Kirche Mitte der 70er Jahre ihre Ehegesetze liberalisierte.
Nun stehen wir heute hier und bewundern ein Gemeinschaftswerk am Heiligen Kreuz. Wir sind dankbar, dass so etwas möglich ist. Die Arborner nannten wir „Bloköpp“ und sie uns „Kreuzköpp“. Verkehrte Welt: blau ist die Farbe Mariens, der Mutter des Herrn und Karfreitag mit seiner Verehrung des Kreuzes ist der höchste Feiertag der evangelischen Christen. So sind wir denn alle „blaue Kreuzköpp“.
Vom Kreuz, das in der Theologie Luthers und bei uns z.B. in der franziskanischen Frömmigkeit eine so große Rolle spielt, soll eine neue Gemeinsamkeit ausgehen. Es gibt einen Karfreitagsruf der Kirchen: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben im Kreuz ist Hoffnung“. Das wollen wir für uns gemeinsam heute und vielleicht auch weiterhin Jahr für Jahr an diesem historischen Ort bestätigen.
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