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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV BIOGRAFIE 1991 :::
Ökumenische Gottesdienste
im Flüchtlingslager Schwalbach
Weihnachten 1991

Weihnachten 1991
Die Pfarrer Karl Gutberlet und Herbert Leuninger sind über Jahre das gemeinsame „christian service-team“.
Globus und Krippe versinnbilden die Botschaft.
Frankfurter Rundschau (Main-Taunus)
vom 16.12.1995

„Notfalls reden wir mit Händen und Füßen“
Seit zehn Jahren lädt eine ökumenische Initiative zum offenen christlichen Gottesdienst

Von Andrea Neitzel


Kinder an der Krippe
Im Lager sind immer viele Kinder. Sie lassen sich gern in die Gottesdienste einbeziehen.
SCHWALBACH. Es war einmal eine Kantine, da saßen Hindus, Russisch-Orthodoxe, Juden, Moslems und Christen beieinander und feierten gemeinsam einen Gottesdienst. Und nachdem sie sich in vielerlei Sprachen mit den Worten „Friede sei mit dir“ gesegnet hatten, verweilten sie noch auf eine Tasse Tee, plauschten miteinander und informierten sich über Asylbestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland.

Flucht nach Ägypten
Holzrelief von Adebayo Alaye, Nigeria
Weihnachten und Flucht – es gibt eine Gemeinsamkeit
Was wie ein frommes Märchen anmutet, ist in der Hessischen Erst-Aufnahme Einrichtung (HEAE) für Flüchtlinge und Asylbewerber in Schwalbach alle zwei Wochen Realität: Seit zehn Jahren lädt eine ökumenische Initiative, der etwa 15 Gemeinden aus Schwalbach und Umgebung angehören, zweimal im Monat zu einem offenen christlichen Gottesdienst ein.

Weihnachten 1994
Eine armenische Christin aus dem Iran wollte gern ein Erinnerungsfoto mit der Sofortbildkamera haben.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag, am 26. Dezember 1985, luden die beiden evangelischen Pfarrer Karl Georg Gutberlet und Hans-Jürgen Roth und ihre katholischen Kollegen Herbert Leuninger und Norbert Schmidt-Weller zum ersten Mal zu diesem multinationalen Gottesdienst ein, der die Idee der Ökumene auf die unterschiedlichen Religionen erweiterte.

Nach dem Gottesdienst
Während die Gottesdienstteilnehmer miteinander Kontakt suchen, spricht Francette Gutberlet über ihre Probleme als Flüchtlingsberaterin.

„Wir wollen Christen und Nicht-Christen die Möglichkeit zum Gespräch geben. Zum Gespräch mit Gott und zum Gespräch mit Menschen“, sagte Pfarrer Gutberlet.

Das Angebot wird offenbar gerne angenommen.


Ein „politischer“ Gottesdienst
Flüchtlingspfarrer Gerhard Mey (Mitte) begrüßt die Vertretung der Hessischen Landesregierung beim 10-jährigen Jubiläum des Eschborner Arbeitskreises „Hilfe und Beratung für Asylbewerber“.
Durchschnittlich 50 Flüchtlinge aus allen Ecken der Welt nehmen an der Veranstaltung teil, die mal in der Kantine, mal im Gemeinschaftsraum, manchmal im Zelt und im Sommer auch im Freien ausgerichtet wird. Begrüßt werden die Besucher stets mit einem großen aufblasbaren Globus, auf dem sie zeigen können, wo sie herkommen, falls es mit der Verständigung hapert.

Demonstration
Die Flüchtlinge wehren sich dagegen, in die neuen Bundesländer verlegt zu werden. Sie befürchten Fremdenfeindlichkeit und mangelnde Versorgung.
Nach dem eigentlichen Gottesdienst tischt dann eine „Service-Gruppe“ Mitglieder der jeweils zuständigen Kirchengemeinde Kaffee, Tee und Gebäck auf. Bei dieser Gelegenheit können Flüchtlinge von ihren Erlebnissen erzählen, werden bei Fragen beraten und können sich über das weitere Asylverfahren informieren.

Fast eine Sommeridylle
Die evang. Gemeinde von Friedrichsdorf (Taunus) hat diesmal die Gestaltung des Gottesdienstes und die anschließende Bewirtung übernommen.
Eine langfristige Betreuung ist allerdings kaum möglich: Schwalbach ist ein Durchgangslager, 60 Prozent der Flüchtlinge werden innerhalb einer Woche an andere Unterkünfte weitergereicht. Patricio Aravena vom Eschborner Arbeitskreis „Hilfe und Beratung für Asylbewerber“ bedauert diese Praxis.

Sommer 1986
Zur Abschreckung werden erstmals viele Flüchtlinge in Zelten untergebracht. Angeblich waren die Aufnahmekapazitäten erschöpft.
„Kontakte zwischen den Flüchtlingen und Gemeindemitgliedern entstehen kaum noch, weil kaum jemand zweimal am Gottesdienst teilnehmen kann“.
Doch diejenigen, die übers Wochenende oder längere Zeit in der Schwalbacher Unterkunft bleiben, nutzen das ökumenische Angebot. „Die meisten sind neugierig auf unseren Gottesdienst und wollen mitfeiern“, sagt Gutberlet.

Zeltgottesdienst
Die Unterbringung der Flüchtlinge in Zelten war für die Unterstützerkreise eine Herausforderung. Sie protestierten gegen diese Maßnahme.
Am meisten überrascht waren die Pfarrer von Flüchtlingen aus Albanien, die „tatsächlich noch nie etwas von Gott oder der Kirche gehört hatten“. Und das größte Lob war für Pfarrer Karl Georg Gutberlet das Urteil eines moslemischen Gottesdienstbesuchers: „This was a very good entertainment – eine tolle Unterhaltung“.

RESSOURCEN | LITERATUR
1993 ist eine Dokumentation über die Gottesdienste in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge als Ökumenische Gottesdienste mit Flüchtlingen, „Papiere 29“ erschienen. Hrsg. Beratungsstelle für Gestaltung von Gottesdiensten und anderen Gemeindeveranstaltungen, Eschersheimer Landstr. 565, 60431 Frankfurt, Tel. 069 5302246


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