Mindestanforderungen an neues Asylrecht
INHALT
Herausgegeben von
PRO ASYL
mit Unterstützung von:
- Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V.
- Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“
- Deutscher Caritasverband e. V., Abt. Migration
- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V.
- DGB Bundesvorstand, Referat Migration
- Diakonisches Werk in Hessen und Nassau, Ökumenische Diakonie
- Ev. Frauenarbeit in Deutschland e. V.
- Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, Arbeitsstelle für den Dienst in den Gemeinden an Ausländern, Aussiedlern, Asylsuchenden
- Ev. Kirche der Pfalz, Der Ausländerbeauftragte
- Ev. Kirche im Rheinland
- Humanistische Union e. V.
- Interkultureller Beauftragter der Ev. Kirche in Hessen und Nassau
- Pax Christi, Internationale Friedensbewegung – Deutsche Sektion
- terre des hommes Bundesrepublik Deutschland e. V.
- Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V.
(Stand: 6. Mai 1998)
Durch die Grundgesetzänderung vom 26. Mai 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl weitgehend abgeschafft. PRO ASYL und eine Reihe anderer Institutionen wie Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, UNHCR u. a. haben sich entschieden dafür eingesetzt, dass das Grundrecht auf Asyl in seiner ursprünglichen Fassung erhalten bleibt.
Die Wiederherstellung von Art. 16 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz bleibt verfassungspolitisch geboten, da durch den neuen Artikel 16a Grundgesetz der individuelle Asylrechtsanspruch durch die Einführung des Konzepts „sicherer Drittstaaten“ weitgehend abgeschafft worden ist. Doch gleich wie die Bundestagswahl ausgeht: Eine verfassungsändernde Mehrheit zur Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl ist nicht in Sicht. Trotzdem müssen die verbliebenen Möglichkeiten genutzt werden, um Flüchtlinge zu schützen. Deshalb haben für PRO ASYL die im folgenden dargestellten Forderungen Priorität.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 14. Mai 1996 dieses Asylrecht als verfassungskonform bestätigt. Mit der Grundgesetzänderung sei „eine Grundlage geschaffen, um durch völkerrechtliche Vereinbarungen eine europäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den beteiligten Staaten zu erreichen“. Das Gegenteil dessen, was Politik und Verfassungsgericht hier verkünden, ist wahr: Deutschland versucht, sich zunehmend von den bisher anerkannten Standards des internationalen Flüchtlingsschutzes zu lösen.
Nach dem Abbau des Grundrechts auf Asyl sind die nächsten Angriffspunkte die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Beide kommen nur noch eingeschränkt in Deutschland zur Geltung. 1993 wurde das Asylrecht angeblich geändert, um ein europäisches Asylrecht zu schaffen. Jetzt ist die Bundesrepublik die Vorreiterin bei der Demontage des internationalen Flüchtlingsrechtes. Bis heute hat die Bundesregierung keinen Vorschlag für ein einheitliches europäisches Asylrecht, das politisch Verfolgte wirksam schützt, auf europäischer Ebene vorgelegt. Bisher gibt es vor allem eine europäische Asylpolitik, die auf die Abwehr von Flüchtlingen gerichtet ist. Vergleichbare Verfahrensregelungen oder gar ein gemeinsames materielles Asylrecht gibt es nicht.
Die Dublin- und Schengen-Abkommen haben im europäischen Bereich nur Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen gebracht. Sie sind jedoch nicht in den Bereich des materiellen Asylrechts vorgedrungen. Da alle EU-Staaten prinzipiell ein Asylrecht anerkennen und sich zur Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet haben, ist die Forderung, ein solches materielles europäisches Asylrecht zu schaffen, nicht so weltfremd wie manchmal dargestellt. PRO ASYL fordert von der neu zu wählenden Bundesregierung unmittelbar nach der Bundestagswahl Initiativen zur Schaffung eines verbindlichen europäischen Rechts. Hierbei sind die bislang anerkannten Standards des internationalen Flüchtlingsrechtes, die Empfehlungen des Europarates aus dem Jahre 1981 und die Auslegung dieser Standards durch den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) zu berücksichtigen. Aus dem Bereich der Nichtregierungsorganisationen gibt es Vorschläge des Europäischen Flüchtlingsrates ECRE, die ebenfalls als Grundlage dienen können.
Damit dieses Vorhaben nicht auf die lange Bank geschoben wird und sich die Politik nicht mit dem Hinweis auf die angeblich so langwierigen internationalen Prozesse entlasten kann, fordern wir konkrete Schritte vom nationalen Gesetzgeber, dem Deutschen Bundestag.
Oberste Priorität hat für PRO ASYL, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention wieder uneingeschränkt in Deutschland Geltung erlangen. Wir erwartenvom neuen Bundestag und der neuen Bundesregierung – gleich welcher Zusammensetzung –, dass sie folgende Mindestanforderungen zum Schutz von Flüchtlingen umsetzen:
1. Rückkehr zu den internationalen Standards im Flüchtlingsrecht
- a) Das Non-Refoulement-Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention muss auch in Deutschland wieder praktisch angewandt werden. Die Abschiebung in einen Drittstaat ist einstweilen auszusetzen, wenn die Gefahr einer Kettenabschiebung nicht ausgeschlossen ist. Dies impliziert die Einführung eines einstweiligen Rechtsschutzes.
- b) Der Schutz durch § 51 AuslG, der den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention aufgreift, darf nicht von der Existenz einer staatlichen oder staatsähnlichen Ordnungsmacht abhängig gemacht werden.
- c) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention ist als verbindlich zu akzeptieren. § 53 AuslG ist dementsprechend zu ändern. Abschiebungsschutz muss auch dann gewährt werden, wenn keine staatliche Gewalt existiert.
- d) Familienasyl im Sinne von § 26 AsylVfG wird auch denjenigen Ehegattinnen, Ehegatten und Kindern gewährt, die über einen sogenannten sicheren Drittstaat eingereist sind. Der Familiennachzug für Konventionsflüchtlinge wird, wie von UNHCR gefordert, ermöglicht.
- e) Eine Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen muss entsprechend der Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR und der Beschlüsse der Frauenministerinnenkonferenz vom 25./26. Juni 1997 im Asylverfahren berücksichtigt werden. Eine entsprechende Klarstellung muss in § 51 AuslG erfolgen.
2. Das sogenannte Flughafenverfahren ist ersatzlos zu streichen.
3. Verbesserungen im Verfahrensrecht
Für ein schnelles, faires und zugleich rechtsstaatlich einwandfreies Asylrecht fordert PRO ASYL Verbesserungen im Verfahrensrecht.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat eine umfassende Sachaufklärung durchzuführen. Die Einzelentscheiderinnen und -entscheider haben durch entsprechende Nachfragen Klarheit zu schaffen. Widersprüche sind den Asylsuchenden mitzuteilen und durch Nachfragen bei der Anhörung zu klären. Bezweifeln Einzelentscheiderinnen und -entscheider Angaben, muss ausdrücklich nach Beweismöglichkeiten gefragt werden.
Das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist abzuschaffen.
Der besonderen Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge istRechnung zu tragen, indem dem Asylverfahren ein „Clearingverfahren“ vorgeschaltet wird.
Der besonderen Situation von Folteropfern und aus geschlechtsspezifischen Gründen verfolgten Frauen muss Rechnung getragen werden, indem ein sogenanntes „nachträgliches Vorbringen“ nicht mehr als „gesteigertes“ und somit unglaubwürdiges Vorbringen gewertet wird . Stellungnahmen unabhängiger Sachverständiger (Fachärztinnen und -ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, insbesondere der Psychosozialen Behandlungszentren für Flüchtlinge und Folteropfer) sind zu berücksichtigen.
Eine unabhängige Verfahrensberatung muss gesetzlich verankert und in erreichbarer Nähe zu allen Außenstellen des Bundesamtes installiert werden.
Die wissenschaftlich unseriösen „Sprachanalysen“ in Fällen, in denen das Herkunftsland angeblich zweifelhaft ist, sind als unzuverlässig einzustellen. Bisher entscheidet das Bundesamt oft ohne ausreichende Sachaufklärung in fahrlässiger Eile. Die Folge ist ein Verfahrensstau vor den Gerichten. Unsere Vorschläge werden dazu führen, dass Asylverfahren sowohl sorgfältiger als auch insgesamt schneller als bisher durchgeführt werden.
4. Ein effektiver Rechtsschutz
im gerichtlichen Verfahren muß wieder hergestellt werden. Im Eilverfahren muss ein Antrag auf Zulassung der Beschwerde eingeführt werden.
5. „Altfallregelung“
Die Justiz wird durch eine „Altfallregelung“ entlastet. Ausländerinnen und Ausländern, deren Verfahren seit dem 14. Mai 1996 (Datum des Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts) anhängig sind und deren Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung noch gerichtlich anhängig sind, wird eine Aufenthaltsbefugnis erteilt.
Überdies wird aus humanitären Gründen eine Altfallregelung für Flüchtlinge (auch solche ohne Status), die länger als 5 Jahre in Deutschland sind (z.B. Flüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina, Restjugoslawien), erlassen. Ihnen ist eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
6. Härtefallregelung im Ausländergesetz
In § 55 Abs. 4 AuslG müssen Spielräume für humanitäre Entscheidungen in Einzelfällen geschaffen werden. Eine Härtefallklausel ist einzufügen. In einem solchen gesetzlichen Rahmen können Härtefallkommissionen gebildet werden.
7. Abschiebungshaft
Die monatelange, bis zu 1 1/2 Jahren dauernde Abschiebungshaft ist abzuschaffen. Für einen demokratischen Rechtsstaat ist es völlig ausreichend, Abzuschiebende kurzfristig und vorübergehend festzuhalten, wenn die Abschiebung anders nicht gesichert werden kann.
8. Soziale Situation von Flüchtlingen
Das Asylbewerberleistungsgesetz ist ersatzlos abzuschaffen. Die sozialrechtliche Sonderbehandlung von Flüchtlingen ist zu beenden. Weder die Unterbringung in Lagern, noch Arbeitsverbote, noch die Sonderbehandlung durch das Asylbewerberleistungsgesetz sind mit Menschenrechtsstandards zu vereinbaren. Asylbewerbern ist – wie anderen auch – prinzipiell eine Erwerbstätigkeit zu gestatten und die Führung eines eigenverantwortlichen Lebens zu ermöglichen. Ist der Betreffende hierzu nicht imstande und bedarf er öffentlicher Mittel, hat er diese – wie andere auch – als Sozialhilfe zu erhalten. Durch eine Streichung von § 53 Asylverfahrensgesetz wird die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften als Regelform der Unterbringung abgeschafft; durch eine Änderung von § 47 Asylverfahrensgesetz wird die Möglichkeit eröffnet, auch außerhalb einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dürfen nicht in Lagern, sondern allenfalls in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden. Konventionsflüchtlinge (Anerkennung nach § 51 AuslG) müssen in sozialrechtlicher Hinsicht mit Asylberechtigten nach Art. 16a GG gleichgestellt werden. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sind diesbezüglich zu ändern.
Konkrete Vorschläge
zur Umsetzung
dieser Forderungen
1. Rückkehr zum internationalen Flüchtlingsrecht
a) Einhaltung des Refoulement-Verbotes der Genfer Flüchtlingskonvention
Artikel 34a des Asylverfahrensgesetzes ist wie folgt zu ändern:
„Die Abschiebung in den sicheren Drittstaat ist dann gemäß § 80 oder § 123 VwGO auszusetzen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme oder die Zurückweisung das Refoulement-Verbot gemäß Artikel 33 GFK verletzt würde.“
Begründung: Mit der Drittstaatenregelung, wie sie im Asylverfahrensgesetz festgeschrieben ist, hat sich die Bundesrepublik Deutschland von der Einzelfallprüfung abgewandt und ist zur Pauschalierung des Asyl- und Menschenrechtsschutzes übergegangen.
Demgegenüber setzt aber das in Artikel 33 GFK enthaltene Refoulement-Verbot eine Einzelfallprüfung voraus. Dies ist die Auffassung des UNHCR.
Um dieser Auffassung wieder zur Geltung zu verhelfen, muss nicht das Grundgesetz geändert werden. Die geforderte Regelung widerspricht auch nicht der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 14. Mai 1996. Es genügt eine Änderung von § 34a Asylverfahrensgesetz.
Mit einer derartigen Regelung wäre die sogenannte Viertstaatenproblematik nicht der Kontrolle der Dritten Gewalt entzogen.
Die vorgeschlagene Gesetzesänderung bedeutet für die Justiz erfahrungsgemäß keine nicht zu bewältigende Belastung.
Sie ist auch politisch keineswegs weltfremd. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Bundestagsfraktion der SPD im Jahr 1993 einen Änderungsantrag gestellt hat, mit dem sicher gestellt werden sollte, dass auch solche Asylsuchende eine gerichtliche Beschwerdemöglichkeit erhalten, die über einen „sicheren Drittstaat“ nach Deutschland einreisen.
b) Der Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention mu“ auch in Deutschland gelten
Dem § 51 Absatz 1 Satz 1 Ausländergesetz wird folgender Satz 2 angefügt:
„Die Flüchtlingseigenschaft (Folie: Harmonisierung 3) kann nicht mit der Begründung verneint werden, im Herkunftsstaat existiere keine übergreifende staatliche oder staatsähnliche Ordnungsmacht.“
Begründung: In Deutschland hat sich eine Rechtsprechung durchgesetzt, die den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention verengt. Verfolgt sollen nur diejenigen sein, deren Verfolgung vom Staat ausgeht. Damit wird faktisch verhindert, dass die Genfer Flüchtlingskonvention ihre volle Schutzwirkung entfalten kann. Motoren dieser Entwicklung sind neben der Bundesregierung die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) .
So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil vom 4. November 1997 entschieden, dass praktisch allen Flüchtlingen, die aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland fliehen, der asylrechtliche Schutz verweigert wird. Obwohl das Gericht im konkreten Fall zugestand, dass der Asylsuchende aus Afghanistan als hoher Funktionär des früheren kommunistischen Regimes inzwischen überall in Afghanistan mit lebensbedrohender Verfolgung rechnen müsse, verweigerte es ihm asylrechtlichen Schutz. Politische Verfolgung besteht nach dem Bundesverwaltungsgericht nur dann, wenn sie von einem Staat oder einer staatsähnlichen Gewalt ausgeht, deren Herrschaft stabil und dauerhaft ist. Diese Rechtsprechung ignoriert die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention. Diese entstand mit dem Ziel, alle diejenigen Menschen zu schützen, die durch den Wegfall des zuvor gewährten staatlichen Schutzes schutzlos geworden sind – unabhängig davon, ob der Auslöser der Untergang des Herkunftsstaates oder eine Verfolgung durch staatliche Organe ist.
Die Folge der verengenden Auslegung der GFK (Folie: Harmonisierung 3a) durch das Bundesverwaltungsgericht ist, dass Flüchtlingen die Status-Rechte der GFK vorenthalten werden (etwa Flüchtlingen aus Bosnien- Herzegowina, Afghanistan, Somalia). Eine Änderung der Praxis ist erforderlich. Von UNHCR ist in den vergangenen Jahren die entsprechende Beachtung der GFK immer wieder gefordert worden.
c) Die Europäische Menschenrechtskonvention muss auch in Deutschland uneingeschränkt angewandt werden.
Im Interesse einer europäischen Harmonisierung des Menschenrechtsschutzes ist § 53 Abs. 4 AuslG wie folgt zu fassen:
„(4) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II Seite 686) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.“ (Folie: Harmonisierung 4)
Begründung: Art. 3 der EMRK verbietet es, jemanden der Folter oder einer unmenschlichen oder einer erniedrigenden Strafe oder Behandlung zu unterwerfen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass das Verbot des Art. 3 EMRK auch dann gilt, wenn eine Person in ein Land gebracht werden soll, in dem die Misshandlung von nichtstaatlicher Seite droht (EuGMR, Urteil vom 17.12. 1996 Nr. 71/1995/577/663 – Ahmed ./Österreich, InfAuslR 1997, S. 279 ff.). Dieser Rechtsprechung zu folgen, weigert sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Somalia- Entscheidung vom 15. April 1997. Zugrunde lag dieser Entscheidung der Fall eines somalischen Staatsangehörigen, der von den Truppen des Clanchefs Aidid verfolgt und inhaftiert wurde. Dem nach Deutschland Geflohenen wurde von den Verwaltungsgerichten nicht nur der Asylanspruch verweigert; man verweigerte ihm auch die Rechtsstellung nach § 51 Abs. 1 AuslG und den Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 4 AuslG, der sich auf den Schutz durch die Europäische Menschenrechtskonvention bezieht. Die Begründung: Als unmenschliche Behandlung seien gemäß Art. 3 EMRK grundsätzlich nur Mißhandlungen durch staatliche Organe anzusehen (AZ.: BVerw G 9C 38. 96, Urteil vom 15.4.1997).
Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach der Auffassung, dass eine die Abschiebung verbietende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 3 EMRK nur dann vorliegen soll, wenn „sie von einem Staat oder von einer staatsähnlichen Organisation herrührt“.
Demgegenüber hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil „Ahmed gegen Österreich“ vom 17. Dezember 1996 (Nr. 71/1995/577/663) festgestellt, dass „angesichts des absoluten Charakters von Art. 3 auch nicht (…) das Fehlen jeder staatlichen Gewalt in Somalia“ der Anwendbarkeit von Art. 3 EMRK entgegenstehe. Der Grundsatz, wonach es beim Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK nicht auf die Einwirkung einer staatlichen oder staatsähnlichen Gewalt ankommt, sondern absoluter Schutz vor Folter, unmenschlicher Behandlung oder Abschiebung in eine vergleichbar lebensbedrohliche Lage gewährt werden soll, wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil „D. gegen Vereinigtes Königreich“ vom 2. Mai 1997 (N r. 146/1996/767/964) bestätigt. (In der Entscheidung ging es um einen Aidskranken, dem nach seiner Abschiebung ins Herkunftsland mangels ausreichender Behandlungsmöglichkeiten der baldige Tod gedroht hätte. Die Abschiebung wurde als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bewertet.)
Damit geht die deutsche Rechtsprechung einen Sonderweg und setzt sich in Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Schutzbedürftigen wird so der notwendige Schutz entzogen.
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss auch für deutsche Gerichte verbindlich sein: Deshalb ist im Zuge einer europäischen Harmonisierung des Menschenrechtsschutzes § 53 Abs. 4 AuslG wie oben bereits dargelegt zu fassen.
d) Familienasyl und Familiennachzug für Konventionsflüchtlinge
Die Familienasylregelung des § 26 AsylVfG ist umständlich und teilweise unklar. Die Rechtsprechung hat sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit der Vorschrift auseinandersetzen müssen. Nicht gerechtfertigt ist, dass Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention kein Familienasyl erhalten. Folgende Regelung sollte in Übereinstimmung mit der entsprechenden Empfehlung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge getroffen werden:
„Hat die Ehe schon in dem Staat bestanden, in dem der Flüchtling politisch verfolgt wird, so erhalten der Ehegatte und die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder auf Antrag dieselbe Rechtsstellung wie dasjenige Familienmitglied, welchem die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde.“ Dasselbe sollte auch für zur Familie gehörende – nicht leibliche – Kinder gelten.
Gegenwärtig wird der Schutz der Familie verletzt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (AZ: BVerwG 9C 56. 96, Urteil vom 6. 5.1997) soll Familienasyl nach § 26 AsylVfG nur dann gewährt werden, wenn der Familienangehörige auf dem Luftweg oder mit einem Visum nach Deutschland gekommen ist. Bei Einreise über einen sicheren Drittstaat greife die Regelung von § 26a AsylVfG ein, so dass der Familienangehörige auch kein Familienasyl erhalten könne. Er müsse erst wieder ausreisen und einen Visumantrag stellen.
Diese Rechtsprechung führt zu dem absurden Ergebnis, dass nur die Land-Einreise über Tschechien, Polen, die Schweiz und ungeklärte Drittstaaten zum Ausschluss des Asylrechts führt. Denn bei allen anderen Nachbarstaaten handelt es sich um Schengen- bzw. Dublin-Vertragsstaaten, bei denen Art. 4 DÜ und Art. 35 SDÜ bewirken, dass Deutschland für die Prüfung der Asylberechtigung der Familienangehörigen zuständig ist und infolgedessen die Drittstaatenklausel nicht greift. Anknüpfungspunkt für das Familienasyl nach § 6 AsylVfG ist nicht eine eigene Verfolgung – eine solche wird nicht vorausgesetzt – , sondern ausschließlich die familiäre Verbundenheit und die Herstellung der Familieneinheit. Dem Wunsch nach Herstellung der familiären Einheit einen sicheren Drittstaat entgegenzuhalten ist absurd .
Zu den international anerkannten Standards des Flüchtlingsschutzes gehört es, dass Konventionsflüchtlinge einen Rechtsanspruch auf den Nachzug von Mitgliedern der Kernfamilie erhalten. Die Zustimmung zur Einreise darf nicht von ausreichendem Wohnraum und genügendem Einkommen abhängig gemacht werden. Darüber hinaus darf Konventionsflüchtlingen nicht der Anspruch auf integrationsfördernde Maßnahmen wie zum Beispiel die Sprachförderung verwehrt werden.
Nach zweijährigem Aufenthalt in Deutschland ist das Recht auf Familiennachzug auch sonstigen schutzbedürftigen Personen zuzugestehen, die weder als Asylberechtigte noch als Konventionsflüchtlinge anerkannt worden sind. Dies gilt vor allem für Bürgerkriegsflüchtlinge und Opfer nichtstaatlicher Verfolgung.
PRO ASYL schließt sich den entsprechenden Forderungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen an. Die §§ 17ff. AuslG sind entsprechend zu ändern.
e) Verfolgte Frauen müssen in Deutschland Schutz finden
Geschlechtsspezifische Verfolgung muss im Asylverfahren berücksichtigt werden. Die Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR und die Beschlüsse der Frauenministerinnenkonferenz vom 25./26. Juni 1997 sind umzusetzen.
Nach wie vor wird die Verfolgung von Frauen allzu oft als nicht-politisch und somit als asylunerheblich deklariert. Oftmals wird verneint, dass die Verfolgungshandlungen gegenüber Frauen an ein asylerhebliches Merkmal anknüpfen. So vertritt zum Beispiel selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass körperliche Misshandlungen wie Auspeitschung wegen des Verstoßes gegen die Bekleidungsvorschriften im Iran nur dann als asylrechtlich relevante Verfolgung zu werten sind, wenn darin eine Reaktion auf eine regimefeindliche politische Haltung zum Ausdruck kommt und die betroffene Frau auch noch den Eindruck einer „politisch aktiven und konsequenten Regimegegnerin überzeugend vermittelt“.
Auch die Auffassung, frauenspezifische Verfolgung könne nur zur Anerkennung führen, wenn die Verfolgungshandlungen vom Staat ausgehen oder ihm zurechenbar sind, steht einer Anerkennung allzu oft entgegen. Zum Teil werden Verfolgungen durch Amtspersonen als privat interpretiert, zum Teil folgt die Ablehnung des Asylanspruchs von Frauen der allgemeinen Rechtsprechung, der gemäß es zum Beispiel im Fall von Bürgerkriegen häufig keine Staatsgewalt und damit keine staatliche Verfolgung gibt.
Demgegenüber muss darauf beharrt werden, dass solche Fälle auch über Art. 16a GG gelöst werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 1988 (AZ: 9C 278/86) ausgeführt, dass der Begriff der politischen Verfolgung im deutschen Asylrecht nicht allein auf Verfolgungshandlungen wegen der in Art. 1a Abs. 2 der GFK genannten Merkmale beschränkt ist. Vielmehr gehe es um Verfolgung, die sich gegen Eigenschaften richten könne, „die den Betroffenen ohne eigenes Zutun, sozusagen schicksalhaft zufallen“. Diese seien auch nach geschichtlicher Erfahrung die häufigsten Anknüpfungspunkte von Unterdrückung und Verfolgung Andersartiger und Andersdenkender. Verfolgungshandlungen aufgrund des Geschlechtes können also unter den Begriff der politischen Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG fallen.
Neben der Anwendung von Art. 16a GG muss im Einzelfall geprüft werden, ob der/die geschlechtsspezifisch Verfolgte Flüchtling im Sinne der GFK ist. Eine Reihe von Staaten haben in ihrer Asylanerkennungspraxis in korrekter Auslegung der GFK festgelegt, dass frauenspezifische Verfolgung unter das Merkmal der Verfolgung einer „sozialen Gruppe“ fällt. Einen entsprechenden Entschluss hat das Exekutivkomitee des UNHCR 1985 gefasst. Allerdings stellt dieser Beschluss (Nr. 39/ 1985) es den Staaten in Ausübung ihrer Souveränität frei, sich diese Interpretation zu eigen zu machen.
In der deutschen Praxis wird allerdings § 51 Abs. 1 Ausländergesetz, der die Formulierungen der Genfer Flüchtlingskonvention aufgreift, oft zu eng ausgelegt. Obwohl weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention wie auch die Praxis anderer Staaten es nahe legen, geht die deutsche Rechtsprechung von der Voraussetzung aus, dass nur staatliche oder staatlich geduldete Verfolgung zur Anerkennung führen kann. Im Ausländergesetz sind die entsprechenden Klarstellungen, anders als im Falle der Verfassung, durch eine einfache Gesetzesänderung möglich.
PRO ASYL schlägt vor, §51 AuslG wie folgt zu ändern : „Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen vor bei
- Asylberechtigten,
- Ausländerinnen und Ausländern, die harte oder unmenschliche Behandlung zu erwarten haben, weil sie gegen den sozialen Sittenkodex in der Gesellschaft ihres Herkunftslandes verstoßen haben, und deshalb eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von Art. 1A (2) der UNFlüchtlingskonvention von 1951 darstellen,
- Ausländerinnen und Ausländern, denen Verfolgung durch sexuelle Gewalt wegen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung droht und deren begründete Furcht davor den Anspruch auf den Rechtsstatus nach § 3 AsylVfG begründet,
- sonstigen Ausländerinnen und Ausländern, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. In den Fällen des Absatzes 2, Nr. 2 und 3 und in sonstigen Fällen, in denen sich der Ausländer auf politische Verfolgung beruft, stellt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes fest, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes angefochten werden. „
Mit diesem konkreten Gesetzesänderungsvorschlag werden die Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR und die Beschlüsse der Frauenministerinnenkonferenz vom 25./26. Juni 1997 in geltendes Recht umgesetzt. Auch bisher ist zwar im Grundsatz möglich, dass eine Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen zur Anerkennung nach § 51 Ausländergesetz führt. Da Bundesamt und Gerichte § 51 AuslG allzu oft verengt auslegen, ist diese Klarstellung im Ausländergesetz dennoch sinnvoll.
- Des weiteren sind Änderungen im Asylverfahrensrecht nötig.
2. Die Flughafenregelung des § 18a AsylVfG ist ersatzlos zu streichen
Es ist nicht selten, dass politisch Verfolgte, sogar mutmaßliche Folteropfer und Menschen, denen bei einer Zurückweisung Lebensgefahr droht, am Flughafen nach einer sogenannten Offensichtlich – unbegründet Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge dennoch zurückgewiesen werden. Das Bundesamt klärt den Sachverhalt in vielen Fällen nur unzureichend auf, der Maßstab der Offensichtlichkeit der Unbegründetheit eines Asylantrages wird in der Praxis viel zu streng angewandt. Oft führen bereits Reste von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers oder der Antragstellerin zum Offensichtlichkeitsurteil – Glaubwürdigkeitszweifel, die bei einem Asylverfahren im Inland stets nur eine einfache Ablehnung nach sich gezogen hätten.
In diesen Fällen wird die Ermittlungsarbeit unter dem Zeitdruck extrem knapper Fristen den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aufgebürdet, nachdem das Bundesamt selbst sich seiner Amtsermittlungspflicht häufig entzieht. Die Rechtsmittelfrist von drei Tagen ist im deutschen Rechtssystem einmalig. Im Flughafenverfahren geht es häufig um komplizierte Sachverhalte. Da die fluchtauslösenden Vorgänge häufig erst kurz vor der Ausreise liegen, kann in diesen Fällen oft nicht auf Materialien von Dokumentationsstellen zurückgegriffen werden. Genauere Ermittlungen in den Herkunftsstaaten sind innerhalb der Dreitagesfrist oder der zusätzlichen viertägigen Begründungsfrist kaum möglich.
Hinzu kommen die kaum erträglichen Lebensbedingungen im Transitbereich des Flughafens, die einer Inhaftierung gleichkommen. Die psychische Belastung im Flughafenverfahren ist gerade für die besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge sehr groß. Eine Vielzahl von Selbstmordversuchen und Einweisungen in die Psychiatrie zeugen von dieser Situation. Auch die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Einrichtung einer unabhängigen asylrechtskundigen Beratung im Transit kann nur einige Härten mildern.
Natürlich können Zahlen nie gegen menschenrechtliche Argumente ins Feld geführt werden. Dies vorangestellt wird darauf hingewiesen, dass auch die Zahl der an den Flughäfen gestellten Asylanträge ein Sonderverfahren nicht rechtfertigt. Im Jahr 1997 stellten nur etwa 2300 Asylsuchende ihren Antrag auf einem Flughafen. Von diesen wurden ohnehin die meisten (etwa drei Viertel) nicht dem sogenannten Flughafenverfahren unterworfen, sondern durften zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens in Deutschland einreisen.
3. Für ein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren
E s gibt seit Jahren Anstrengungen, die Einzelentscheiderinnen und Einzelentscheider besser auszubilden. In der Praxis gibt es jedoch nach wie vor zu häufig Mängel bei der Anhörung. Mängel, die im verwaltungsbehördlichen Verfahren vermieden werden, führen zur Entlastung der Justiz und damit zur Beschleunigung des Asylverfahrens. Vor allem wird an Verbesserungen in drei Problembereichen gedacht:
- Ist der Vortrag des Flüchtlings nach Auffassung der Einzelentscheiderin oder des Einzelentscheiders zu wenig detailreich, vage etc., dann ist durch entsprechende Fragen ernsthaft der Versuch zu unternehmen, einen anschaulichen Vortrag zu bewirken. Erläuterungen und Fragen, die diesem Zweck dienen, sind in der Niederschrift festzuhalten. Trägt etwa ein kurdischer Asylantragsteller vor, er sei festgenommen und eine Woche in Polizeigewahrsam festgehalten und dabei gefoltert worden, so ist es unzulässig, hierzu nicht ergänzende Fragen zu stellen, andererseits aber diesen Teil der Angaben bei der Entscheidung unbeachtet zu lassen, da »detailarm«.
- Werden Widersprüche festgestellt, evtl. zwischen schriftlicher Antragsbegründung und Angaben bei der Anhörung oder innerhalb der Anhörung, dann ist in der Anhörung durch Vorhalt Gelegenheit zur Klärung zu geben. Werden sie erst später festgestellt, ist die Gelegenheit zur Klärung durch schriftlichen Vortrag oder im Rahmen einer weiteren Anhörung zu geben.
- Wird ein entscheidungserheblicher Teil der Angaben bezweifelt, ist ausdrücklich nach Beweismöglichkeiten zu fragen. Beweisangebote (etwa zeugenschaftliche Aussagen) dürfen nur in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Beweisantragsrechtes abgelehnt werden.
Ein Beispiel: Die Antragstellerin trägt vor, inhaftiert gewesen zu sein. Im Ablehnungsbescheid erfährt sie, dass ihr dies nicht geglaubt worden sei. Wäre die Antragstellerin aber nach Beweismöglichkeiten gefragt worden, hätte sie Namen und Adresse einer Mitinhaftierten nennen können, die sich mittlerweile im Ausland befindet und als Flüchtling anerkannt ist.
Es ist nicht einzusehen, dass der Justiz eine Sachverhaltsaufklärungsarbeit zugemutet, vom BAFl aber unterlassen wird .
Das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird abgeschafft. Es hat sich in den letzten Jahren als institutionalisiertes Verfahrenshindernis erwiesen und begründet sein Rollenverständnis, Rechtsvereinheitlichung nur durch Klagen gegen anerkennende Entscheidungen zu betreiben, offensiv. Mit der Abschaffung wäre eine Verkürzung der Asylverfahren erreichbar. Die institutionalisierte Benachteiligung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die darin besteht, dass sie nicht nur das BAFl, sondern zusätzlich auch den Bundesbeauftragten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber als gerichtlichen Gegner überzeugen müssen, wird durch seine Abschaffung beseitigt.
Forderungen zur Verbesserung der Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge haben u.a. die Mitgliedsverbände der »National Coalition für die Umsetzung der Kinderrechtskonvention« an den Gesetzgeber herangetragen. Im Rahmen eines dem Asylverfahren vorgeschalteten Clearingverfahrens können die persönlichen Lebensverhältnisse der unbegleiteten Minderjährigen, ihre Identität, ihre Herkunft, das Schicksal der Eltern sowie die früheren familiären und sozialen Lebensumstände ermittelt werden. Auf der Basis der so gewonnenen Erkenntnisse kann entschieden werden, ob eine gefahrlose Rückkehr der Minderjährigen ins Herkunftsland möglich ist, falls dort eine adäquate Betreuung gewährleistet ist, ob ein Asylantrag gestellt oder statt dessen ein humanitäres Bleiberecht auf anderer Basis beantragt werden sollte. Die Erfahrungen mit existierenden Clearingstellen sind ermutigend. Für die Dauer eines solchen Verfahrens muss neu einreisenden unbegleiteten Minderjährigen eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Flughafenverfahren und Drittstaatenregelung dürfen keine Anwendung finden.
Der besonderen Situation von Folteropfern und aus geschlechtsspezifischen Gründen verfolgten Frauen wird bislang nur unzureichend Rechnung getragen. Während die entsprechende Fortbildung von Bundesamtsentscheiderinnen und -entscheidern in einigen positiven Fällen dazu geführt hat, dass Anhörungen abgebrochen, von spezialisierten Entscheiderinnen und Entscheidern übernommen oder zeitlich verlegt werden und eine Kooperation mit psychosozialen Zentren stattfindet, wird in anderen Fällen kaum berücksichtigt, dass sich Opfer von Folter und sexueller Gewalt nicht kurz nach der Einreise unter Überwindung von Schamschwellen und psychischen Hemmnissen umfassend und konsistent äußern. Nach wie vor sehen sich die Betroffenen damit konfrontiert, dass spätere Darstellungen des Erlebten als gesteigertes Vorbringen gewertet werden.
Der besonderen Situation von Folteropfern und der daraus resultierenden Schwierigkeit, ihre Asylgründe sachgerecht vorzubringen, ist Rechnung zu tragen. Sie müssen in solchen Fällen die Möglichkeit erhalten, ihre Angaben zum Asylverfahren mit professioneller Hilfe (Fachärztinnen und -ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und dem Gesundheitspersonal in den entsprechenden Psychosozialen Behandlungszentren für Folteropfer) darlegen zu können. Insbesondere die Psychosozialen Zentren für die Behandlung von Folteropfern erfüllen die notwendigen fachspezifischen Voraussetzungen. Entsprechenden gutachterlichen Stellungnahmen ist grundsätzlich Rechnung zu tragen.
Opfer von Folter und traumatisierenden Menschenrechtsverletzungen müssen asylrelevante Fakten jederzeit in das Asylverfahren einbringen können. Von einer vorsätzlichen Verletzung der Mitwirkungspflicht oder „gesteigertem Vorbringen“ darf in Fällen von Folter und schwerer Traumatisierung nicht ausgegangen werden .
Die notwendigen Verbesserungen könnten durch Änderungen und Ergänzungen des Asylverfahrensgesetzes erreicht werden. In § 24 AsylVfG, der die Pflichten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge regelt, könnte verbindlich festgelegt werden, dass das Bundesamt auch verpflichtet ist, im Rahmen der Ermittlung der Gefährdung von Frauen zu prüfen , ob diese Gefahr durch geschlechtsbezogene Verfolgungsakte begründet oder erhöht wird oder ob die Verfolgung an eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau anknüpft, sie fördert oder sich diese zunutze macht.
§ 25 AsylVfG, der die Anhörung beim Bundesamt regelt, wäre ebenfalls zu ergänzen:
- Festzulegen ist, dass der Ausländer/die Ausländerin rechtzeitig vor der Anhörung zu fragen ist, ob die Anhörung und Übersetzung durch eine Person des jeweiligen Geschlechts gewünscht wird und dem geäußerten Wunsch von Seiten des Bundesamtes zu entsprechen ist.
- Geregelt werden sollte, dass Eheleute stets getrennt angehört werden müssen. Äußern sie jedoch übereinstimmend den Wunsch, die Anhörung gemeinsam fortzusetzen, sollte diesem Wunsch in der Regel entsprochen werden. Es sollte dem Anhörer oder der Anhörerin jedoch freistehen, hier auch eine andere Entscheidung zu treffen. Dies wäre zum Beispiel in denjenigen Fällen sinnvoll, in denen die anhörende Person den Eindruck gewinnt, dass dem Ehepartner gegenüber die erlittene geschlechtsspezifische Verfolgung möglicherweise verschwiegen worden ist und in einer gemeinsamen Anhörung auch nicht geschildert würde.
- In § 25 AsylVfG sollte ebenfalls geregelt werden, dass bei der Anhörung auf die psychische Situation des Flüchtlings Rücksicht zu nehmen ist. Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in der Anhörung erlittene Folter, grausame oder erniedrigende Strafe oder sexuelle Gewalt beschreiben oder andeuten, müssen die Unterbrechung und Fortsetzung der Anhörung zu einem späteren Zeitpunkt verlangen können.
- Die Erkenntnis, dass Menschen, die Folter und geschlechtsspezifische Gewalt erlitten haben, häufig nicht in der Lage sind, ihr Verfolgungsschicksal zeitnah, konsistent und widerspruchsfrei zu schildern, sollte durch eine Änderung von § 25 Abs. 3 AsylVfG und § 74 AsylVfG berücksichtigt werden. Menschen, die eine schwerwiegende Verletzung ihrer körperlichen Integrität erlebt haben, darf der Einwand des „gesteigerten Vorbringens“ nicht entgegengehalten werden.
Zu einem fairen Asylverfahren gehört es auch, dass Asylsuchenden Gelegenheit gegeben wird, sich bereits vor der Anhörung an eine unabhängige Verfahrensberatung wenden zu können und sich über den Gang des Asylverfahrens, Rechte und Pflichten im Verfahren und die Notwendigkeit einer umfassenden Darlegung informieren zu lassen. Die Vorstellung, neu ankommende Flüchtlinge seien ohne solche Beratung zu einem spontanen und umfassenden und deshalb wahrheitsgetreuen Vortrag fähig, ist falsch. Insbesondere benachteiligt werden Menschen, die von ihrem Bildungs- und Erfahrungshorizont nicht einordnen können, was von dem von ihnen Erlebten wichtig im Sinne des Bundesamtes bzw. des deutschen Asylverfahrens ist oder die nicht ohne weiteres in der Lage sind, Ereignisse in chronologischer Abfolge darzustellen oder auf den Tag genau zu datieren.
Die ab 1998 flächendeckend geplante Einführung der sogenannten „Sprachanalyse“ bei Asylsuchenden, deren Herkunftsstaat in Zweifel steht, ist wissenschaftlich nicht legitimiert. Einen zwingenden Zusammenhang zwischen Sprach- oder Dialektgebrauch und der Staatsangehörigkeit gibt es nicht. Die bisher bekannt gewordenen Gutachten schwedischer und schweizerischer Institute sind unqualifiziert und ungenau. Die Fachkenntnis der Gutachter kann nicht hinterfragt werden, wenn diese, wie in den bisher bekannt gewordenen Fällen, anonym bleiben. Zur Feststellung, dass ein Asylantragsteller aus einem von ihm behaupteten Herkunftsstaat nicht kommen kann, genügen einige gezielte Fragen in der normalen Bundesamtsanhörung. Sprachanalysen sind deshalb abzuschaffen.
4. Effektiver Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren
Das gerichtliche Verfahren gewährleistet keinen effektiven Rechtsschutz. Sowohl beim Flughafenverfahren als auch bei offensichtlich unbegründeten Entscheidungen entscheidet ein Richter abschließend über das Schicksal eines Menschen.
Nachdem auch das Bundesverfassungsgericht sich weigert, in Asylrechtsverfahren einstweilige Anordnungen zu erlassen, liegt damit – im wahrsten Sinne des Wortes – das Schicksal eines Menschen abschließend in der Hand eines – möglicherweise von Vorurteilen oder Karrierebestrebungen geprägten – Menschen.
Eine Generalisierung im Sinne einer Richterschelte liegt fern. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Spannweite der richterlichen Entscheidungen und der richterlichen Vorurteile nicht geringer ist als die der Gesellschaft: Dies führt im Einzelfall zu extremen, juristisch kaum mehr diskutablen und haltbaren Entscheidungen zu Lasten der Betroffenen. Da Menschenrechte aber absolut und unveräußerlich sind, führt das Fehlen einer Korrekturmöglichkeit eines individuellen Vorurteils im Ergebnis zu einem Menschenrechtsverstoß.
Das gerichtliche Verfahren ist dahingehend zu ändern, dass bei Eilentscheidungen durch einen Antrag auf Zulassung der Beschwerde im Ausnahmefall eine obergerichtliche Überprüfung ermöglicht wird. Generell ist der Rechtsschutz dahingehend zu verbessern, dass Asylbewerbern anwaltlicher Beistand oder sonstiger asylrechtskundiger Beistand ermöglicht wird, sei es durch die generelle Stellung eines Anwalts, sei es durch eine sonstige asylrechtskundige Beratung.
5. Altfallregelung
Erneut wird eine die Justiz von „Altverfahren“ bereinigende Regelung gefordert. Die durch die Asylrechtsreformen beabsichtigte Beschleunigung des Asylverfahrens hat im wesentlichen nur im verwaltungsbehördlichen Verfahren Ergebnisse gezeitigt. Im Justizbereich warten Klägerinnen und Kläger vor allem wegen der hohen Zahl anhängiger Altverfahren jahrelang auf Entscheidungen. Längst hat sich erwiesen, dass die gesetzliche Frist des § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (Klagebegründungsfrist 1 Monat ab Zustellung des BAFl-Bescheides) sinnlos ist, da der Gesetzgeber von kurzer gerichtlicher Verfahrensdauer ausgegangen ist. Die meisten Gerichte setzen deshalb im Zusammenhang mit der Terminierung eine Frist gem. § 87b Abs. 3 VwGO (Frist zum abschließenden Tatsachenvortrag und zur schriftsätzlichen Ankündigung von Beweisanträgen).
Neben einer Altfallregelung mit dem Ziel der Entlastung der Justiz ist eine Altfallregelung auch aus humanitären Gründen nötig. Flüchtlinge, die sich seit mehr als fünf Jahren in Deutschland aufhalten, sollten eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Bei der entsprechenden Aufenthaltsdauer ist von einer faktischen Integration auszugehen.
6. Härtefallregelung im Ausländergesetz
Der starre Schematismus und die eingeengten Rechtsschutzmöglichkeiten des Ausländergesetzes produzieren im Einzelfall falsche Entscheidungen, die nicht mehr korrigierbar sind. Ausländerbehörden werden so auch zu Abschiebungen in Fällen gezwungen, in denen sie nach Meinung der Öffentlichkeit unterbleiben sollten. So wie im asylrechtlichen Bereich das Kirchenasyl Folge einer verfehlten Asylpolitik oder einer verfehlten Behandlung von Einzelfällen ist, ist die Bildung von Härtefallkommissionen Ausdruck eines nicht vertretbar starren Ausländerrechts. Statt extralegale Einrichtungen zu schaffen, mit deren Hilfe für Wahrung der Humanität gesorgt wird, sollte das Gesetz selbst Bestimmungen enthalten, die im Einzelfall eine gerechte Lösung zulassen. Andernfalls verliert das Recht seine friedensstiftende Funktion. Die entscheidende Hürde in vielen Härtefällen im Ausländergesetz ist § 55 Abs. 4. Er bedeutet praktisch: Hat das Gericht im sogenannten Eilverfahren die Vollziehbarkeit der Ausreiseverpflichtung rechtskräftig bestätigt, gibt es fast keine Chance mehr, um zu einer menschlichen Lösung zu kommen.
Das Fallbeil unter den ausländerrechtlichen Normen, § 55 Abs. 4 Satz 1 AuslG, muss entschärft und durch eine Härtefallklausel ergänzt werden. In einem solchen gesetzlichen Rahmen können Härtefallkommissionen gebildet werden.
§ 55 Abs. 4 ist wie folgt zu fassen: „Ist rechtskräftig entschieden, dass die Abschiebung eines Ausländers zulässig ist, kann eine Duldung nur erteilt werden, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 54 ausgesetzt werden soll oder aufgrund des Vorliegens eines Härtefalls als humanitär unvertretbar angesehen wird. Zur Feststellung dieser Härtefälle können Härtefallkommissionen eingerichtet werden.“
Wird in einem derartigen Fall von einer Abschiebung abgesehen, ist eine Aufenthaltsbefugnis, zumindest aber eine Duldung zu erteilen.
7. Abschiebungshaft
Abschiebungshaft kann nach gegenwärtiger Rechtslage bis zu sechs Monaten angeordnet und auf bis zu 18 Monate verlängert werden. Diese Höchstdauer ist nicht mehr verhältnismäßig .
Zum Vergleich: Werden Deutsche straffällig, können sie in Untersuchungshaft genommen werden, wenn eine Strafe ohne Bewährung droht. Die Untersuchungshaft muss im Verhältnis stehen zur Dauer der erwarteten Strafe. Eine halbjährige Untersuchungshaft ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine erhebliche Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten ist.
Wenn also die Abschiebungshaft ein halbes Jahr und mehr dauert, ist dies eine unzulässige Nebenstrafe, die sich nicht aus ihrem Zweck, den Ausländer außer Landes zu bringen ,rechtfertigen lässt.
PRO ASYL lehnt die Inhaftierung lediglich zur Sicherung vorgesehener Abschiebungen grundsätzlich ab. Wenn der Staat meint, jemanden abschieben zu müssen, darf er nicht inhaftiert werden, eine vorübergehende Festhaltung genügt völlig.
Grundsätzlich keine Inhaftierung zum Zweck der Abschiebung darf zulässig sein bei
- Personen unter 18 Jahren,
- zur Ausreise Verpflichteten, die einen festen Wohnsitz oder Arbeitsplatz haben,
- Kranken, Alten, Schwangeren, stillenden Müttern oder Müttern von Kleinkindern. Dies ist durch eine Änderung von § 57 Abs. 2 AuslG klarzustellen.
Im Ausländergesetz oder in den Verwaltungsvorschriften des § 57 Abs. 2 AuslG muss klargestellt werden, dass die Abschiebungshaft dann aufzuheben ist, wenn eine Abschiebung aus technischen Gründen nicht durchgeführt werden kann oder der Heimatstaat durch sein Verhalten zeigt, dass er nicht gewillt ist, die betreffende Person innerhalb von vier Wochen zurückzunehmen oder der Flüchtling sich bereits länger als vier Wochen in Abschiebungshaft befindet.
8. Soziale Situation
Das Asylbewerberleistungsgesetz dient primär der Abschreckung. Flüchtlinge, die noch nicht im Lande sind, sollen von der Wahrnehmung des Rechtes auf Asyl abgeschreckt werden, indem die Lebensbedingungen für Asylsuchende so unerträglich wie möglich gestaltet werden. Unterschiedliche Existenzminima für Asylsuchende und andere Menschen zu unterstellen und auf Jahre hinaus einen Standard weit unterhalb der Sozialhilfe festzuschreiben, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten inakzeptabel. Auch wird durch die Konstruktion eines neuen Existenzminimums unterhalb der bisher als solches geltenden Sozialhilfe Tür und Tor geöffnet für die Ausgrenzung weiterer Personengruppen aus der Sozialhilfe.
Wird Gesetz, was der Bundesrat Anfang Februar 1997 auf Initiative des Landes Berlin an Vorschlägen zur weiteren Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes verabschiedet hat, dann wird allerdings von einer bloßen Schlechterstellung nicht mehr geredet werden können. Geplant ist, einem Großteil der in Deutschland geduldeten Flüchtlinge den Rechtsanspruch auf Leistungen zu entziehen. Betroffen wären vermutlich mehrere hunderttausend Menschen, bei denen unterstellt wird, dass sie entweder nach Deutschland gekommen sind, um Sozialleistungen zu erlangen oder dass sie in ihre Herkunftsstaaten freiwillig zurückkehren könnten, auch wenn sie z.Z. nicht abgeschoben werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz wird so noch mehr als bisher Mittel zur Entrechtung und schließlich zur Vertreibung von Menschen.
Bereits jetzt bewirken gekürzte Sozialhilfe und Sachleistungen mit geringem Taschengeld eine Unterversorgung von Flüchtlingen. Der Unterversorgung auf Seiten der Flüchtlinge steht ein erhöhter behördlicher Aufwand gegenüber. Der wesentliche Maßstab für die Gewährung von existenzsichern den Leistungen muss der tatsächliche Bedarf sein, nicht die ausländerrechtliche Absicht.
Hilfebedürftig werden zunehmend Flüchtlinge, weil ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt ohne Einzelfallprüfung verweigert wird. Die entsprechende Weisung des Bundesarbeitsministers schließt Flüchtlinge für unabsehbare Zeit von jeder Möglichkeit aus, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu sichern. Die erzwungene Abhängigkeit von der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel grenzt vom normalen Leben aus und stigmatisiert .
Ebenso ausgrenzend wirkt die obligatorische Unterbringung in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen, die in aller Regel Lagercharakter haben. Diese Unterbringungsform ist teurer als eine individuelle Unterbringung und führt zu psychischen Problemen. Aus diesem Grunde sollte § 53 Asylverfahrensgesetz, der die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften regelmäßig vorschreibt, ersatzlos gestrichen werden. Auch während der Erstaufnahmephase bedarf es keiner zwingenden Lagerunterbringung; § 47 Asylverfahrensgesetz ist entsprechend zu ändern .
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bedürfen in besonderem Maße einer kindgerechten Unterbringungsform sowie neben pädagogischer und medizinischer Versorgung oftmals auch besonderer psychosozialer Betreuung. Entsprechend den Vorgaben der Kinderrechtskonvention müssen sie in ihrer Entwicklungsmöglichkeit so weit wie möglich gefördert werden – wie ein deutsches Kind auch. Dies kann bei einer Unterbringung in Sammellagern nicht gewährleistet werden. Kinder und Jugendliche (auch wenn sie über 16 Jahre alt und nach dem Asylverfahrensgesetz verfahrensfähig sind) müssen in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden.
Sogenannte Konventionsflüchtlinge, die nach § 51 AuslG anerkannt wurden, dürfen hinsichtlich ihres sozialen Status nicht länger Flüchtlinge 2. Klasse bleiben. Ihre Zahl übersteigt mittlerweile die der nach Art. 16a GG Anerkannten. Nach wie vor werden ihnen unter Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention soziale Rechte vorenthalten (zum Beispiel Sprachförderung, Erziehungsgeld). Zwar hat es in Teilbereichen schon Korrekturen durch die Rechtsprechung gegeben, dennoch ist die umfassende gesetzliche Gleichstellung der Konventionsflüchtlinge mit den nach A rt. 16a GG Asylberechtigten erforderlich.
Harmonisierung des Asylrechts in Deutschland
veröffentlicht von PRO ASYL
Published by PRO ASYL, Germany