FR-Interview
Poppe will „massiv“ auftreten
Menschenrechtsbeauftragter dringt auf neue Regeln
PRO ASYL and the Red-Green Coalition Agreements (en)
Menschenrechtsbeauftragter Poppe will „massiv“ auftreten
Der Rot-Grüne Koalitionsvertrag (Auszüge)
Die Grünen stimmten dem Koalitionsvertrag zu (FR 26.10.1998)
Als neuer Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung will Gerd Poppe darauf dringen, daß auch solche Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht finden, die von nichtstaatlichen Gruppen verfolgt werden. Damit greift er eine Forderung regierungsunabhängiger Organisationen auf. Mit dem Bürgerrechtler und ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen sprach die Bonner FR-Korrespondentin Monika Kappus.
Sie gelten als einer, der unbequem sein kann. Sehen Sie Spielraum für eigene Impulse?
Ich denke, diese beim Bundesaußenministerium angesiedelte Stelle ist dafür eingerichtet, daß ich Impulse gebe. Das ist der Wunsch des Außenministers. Allerdings sehe ich zunächst wenig Widersprüche zu ihm. Er will der Menschenrechtspolitik stärkeres Gewicht geben. Auf Regierungsebene geht es um bessere Institutionalisierung des Menschenrechtsschutzes etwa durch den internationalen Strafgerichtshof. Auch wenn die vorige Regierung Vorarbeit geleistet hat, meine ich, wir müßten hier massiver und möglicherweise auch im Widerspruch zu den Verbündeten vorgehen.
Wir bräuchten keinen Beauftragten, wenn Sie nur der verlängerte Arm des Außenministers würden.
Das wäre nicht richtig. Es ist eine sehr eigenständige Aufgabe, und ich habe sehr eigene Erfahrungen gemacht. Einmal als Oppositioneller in der DDR, der sich gegen eine Diktatur wehrte. Aus dieser Zeit und noch mehr aus den acht Jahren als Bundestagsabgeordneter habe ich viele Kontakte zu Gruppen und Abgeordneten in Ländern, in denen Menschenrechte verletzt werden.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Ein Akzent wird die Kooperation mit dem Bundestag sein und besonders mit dem neuen Vollausschuß für Menschenrechte. Verstärken möchte ich den Kontakt zu Nichtregierungs-Organisationen. Sie haben eine Unmenge wertvoller Informationen und Erfahrungen. Menschenrechtsarbeit ist kein Selbstzweck für Gutmenschen. Deshalb lege ich das Schwergewicht auf die Verbindung von Menschenrechtsschutz und Demokratie-Entwicklung. Ich glaube, daß Regierungen Demokratie-Bewegungen in autoritären Staaten unterstützen müssen.
Angenommen Kanzler Gerhard Schröder fliegt mit Wirtschaftsbossen nach China. Wollen Sie mitreisen und darauf drängen, daß Menschenrechte Priorität genießen?
Auf jeden Fall werde ich nach China reisen, ob mit Herrn Schröder weiß ich nicht. Es gibt keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Handel und Wirtschaft und Menschenrechtspolitik. Es muß im Interesse der Wirtschaft liegen, daß in solchen Ländern ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit hergestellt wird. Nur wenn Firmen sehr kurzfristig denken, können Sie einen Vorteil ziehen aus Kontakten zu autoritären Regimen.
Verlassen Sie sich auf die Einsichtsfähigkeit der Wirtschaft?
Nein. Man muß intensiv miteinander reden. Man kann nicht mit Verboten hantieren. Aber ich will darauf hinarbeiten, daß Firmen sich auf einen freiwilligen Verhaltenskodex einlassen, der Rechtsstandards zur Bedingung für Geschäfte macht.
Regierungsunabhängige Organisationen verlangen, daß Menschenrechtsschutz als Querschnittsaufgabe begriffen wird.
Ich werde Kontakt zum Innenministerium suchen. Hier darf es keine Interessenkonflikte geben, etwa bei der Flüchtlingspolitik. Auch Kooperation mit dem Bundesentwicklungsministerium ist dringend angezeigt, um dafür zu sorgen, daß bei Wirtschaftshilfen Menschenrechtskriterien stärker berücksichtigt werden.
Pro Asyl rügt, daß die Koalitionsvereinbarung die Genfer Flüchtlingskonvention nicht hinreichend berücksichtigt. Innenminister Otto Schily gilt als Blockierer. Flüchtlinge, die nicht vom Staat verfolgt werden, haben keine Chance.
Hier muß der Gesetzgeber Regeln finden, etwa für algerische Flüchtlinge, die von Extremisten verfolgt werden. Ich glaube nicht, daß man bürokratisch vorgehen und solche Menschen ausschließen darf. Bei der Bewertung, was als sicheres Herkunftsland gilt, müssen Menschenrechtskriterien herangezogen werden.
Gefordert wird für sogenannte Entwicklungsländer der Abbau von Handelsbeschränkungen und ein Schuldenerlaß.
Hier muß man von Fall zu Fall entscheiden und sich mit dem Entwicklungsministerium abstimmen. Zu fragen ist, welche Maßnahmen am ehesten helfen, daß sich in einem Land ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit durchsetzen kann.