Generic selectors
Nur exakte Ergenisse
Suchen in Titel
Suche in Inhalt
Post Type Selectors

TAG DES FLÜCHTLINGS 1998

„Kurdische Männer halten viel aus“

Kai Weber

Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Am 20. August 1997 wird der Kurde Ahmet Karakus aus Deutschland abgeschoben. Bereits am 3. November 1997 verurteilt ihn das Staatssicherheitsgericht in Izmir zu 3 Jahren und 9 Monaten schweren Gefängnisses. Die Anklage war möglich geworden, weil deutsche Polizeibeamte, so die Familie, ihren türkischen Kollegen nach der Landung einen Aktenkoffer übergeben hatten. Im Koffer befand sich belastendes Material gegen Karakus. So fielen der türkischen Polizei der handschriftliche Asylantrag von Karakus, Fotos von einer Düsseldorfer Kurdistandemonstration sowie Quittungen über die Zahlung von Geldspenden an die »Kurdische Befreiungsfront ENRK« in die Hände. Nach Angaben der Familie überhörten die deutschen Beamten die flehentlichen Bitten der Kurden, den Inhalt des Koffers zu vernichten. Der Koffer sei – so die offzielle Version der Karlsruher Polizei – in »gutem Glauben« mitgegeben worden. Der Asylantrag, den Karakus in Deutschland vor der politischen Verfolgung schützen sollte, bescherte ihm jedenfalls Haft in der Türkei.

Ercan Demir, Anwalt der Familie Karakus, wirft den deutschen Behörden vor, seinen Mandanten wissentlich den türki schen Behörden ans Messer geliefert zu haben. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die deutschen Behörden es geradezu darauf anlegten, daß mißliebige kurdische Flüchtlinge, die man mit rechtsstaatlichen Mitteln in der Bundesrepublik nicht belangen könne, dann eben nach der Abschiebung durch die türkische Polizei bestraft würden.

Karakus trat mit seinen politischen Aktivitäten keineswegs unter den kurdischen Asylbewerbern in Deutschland hervor. Für das Bundesamt und die Gerichte war sein politisches Engagement eine Lapalie und nicht ausreichend für eine Anerkennung als Asylberechtigter. Den türkischen Behörden genügte es, um eine mehrjährige Haftstrafe zu verhängen.

Vor dem Hintergrund der in türkischen Gefängnissen weit verbreiteten Folter setzte sich PRO ASYL bei Bundesaußenminister Kinkel ein und bat, die Sorge um Karakus’ körperliche Unversehrtheit zur Chefsache zu machen. Mit wenig Erfolg, ist doch die deutsch- türkische Kooperation gegen Flüchtlinge seit Jahren nicht Zufall, sondern Absicht. Dies beginnt mit dem sogenannten Strafnachrichtenaustausch, den das Verwaltungsgericht Gießen erst vor kurzem als einen Verstoß gegen den Datenschutz und das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gebrandmarkt hat, über eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit dem türkischen Innenministerium im Falle von Abschiebungen bis zur – offiziell dementierten – Kooperation mit der Türkei bei der Verhinderung der Flucht irakischer Kurden.

Das Verhalten deutscher Grenzschützer wird offiziell als Einzelfall dargestellt. Es findet jedoch eine Parallele im Umgang deutscher Gerichte und Behörden mit kurdischen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Mit oftmals lapidaren Begründungen werden die Asylanträge politisch aktiver Kurdinnen und Kurden abgelehnt. So hat sich im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung im Asylverfahren eines Kurden vor der 7. Kammer des VG Hannover der Vorsitzende zur Furcht des Betroffenen vor drohender Folter mit den Worten geäußert: »Kurdische Männer halten viel aus.«

Kai Weber ist Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates

Nach oben