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13.01.1998

Kritik an Kanthers Kurden-Politik

Kohl und Prodi wollen Beschlüsse der
Polizeikonferenz von Rom schnell umsetzen

DIE WELT
Von Karl-Ludwig Günsche


Bonn – Bundeskanzler Helmut Kohl und sein italienischer Amtskollege Romano Prodi wollen den Zustrom vor allem kurdischer Flüchtlinge zur Chefsache machen. Laut Regierungssprecher Peter Hausmann vereinbarten die Regierungschefs gestern in einem Telefonat, zur Lösung der Flüchtlingsproblematik „engsten Kontakt“ zu halten. Die bei der Konferenz der Polizeidirektoren mehrerer EU-Staaten und der Türkei in der vergangenen Woche getroffenen Absprachen sollten möglichst rasch umgesetzt werden, um die Weiterreise der nach Italien gelangten Flüchtlinge in andere Staaten zu unterbinden.

Scharfe Kritik an der Kurden-Politik von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) kam gestern von der evangelische Kirche im Rheinland und Flüchtlingsorganisationen*. Sie rügten, Kanther kriminalisiere die Kurden mit seiner Politik und betätige sich im Vorfeld des Wahlkampfes als „verbaler Brandstifter“. Sein Fraktionskollege Armin Laschet warf Kanther vor, er schüre die Angst vor einer kurdischen Flüchtlingswelle. Zur Hysterie bestehe aber kein Anlaß: In den vergangenen Tagen seien nur vier Kurden nach Deutschland gekommen, die aber ohne Probleme nach Italien zurückgeschickt werden könnten.

SPD-Europaparlamentarier Martin Schulz, der am Wochenende als erster ausländischer Politiker Kurden-Lager in Kalabrien besichtigt hatte, nahm unterdessen die italienische Regierung gegen Vorwürfe in Schutz, sie handhabe die Kontrolle der Flüchtlinge zu lasch. Die drei von ihm besuchten Lager seien streng bewacht gewesen, sagte Schulz. Die italienischen Behörden nähmen auch eine strenge Einzelfallprüfung jedes Asylbewerbers vor. Unrichtig sei die Behauptung, während des Asylverfahrens könnten die Flüchtling ungehindert in andere EU-Staaten weiterreisen. Vielmehr stünden sie während des Asylverfahrens unter Überwachung. Wenn ihr Antrag genehmigt werde, könnten sie für maximal 90 Tage in ein anderes EU-Land ausreisen. Nur wenn der Asylantrag abgelehnt werde, könnten sie sich vor ihrer Abschiebung 14 Tage lang in Italien frei bewegen und dann auch in andere EU-Länder reisen. Diese Gesetzeslücke solle bis Ende Januar geschlossen werden. Bereits jetzt würden abgelehnte Asylbewerber allerdings bis zur Abschiebung weiterhin in Lagern festgehalten. Schulz kündigte an, seine Fraktion wolle im Europaparlament beantragen, die im Amsterdamer Vertrag vorgesehene Harmonisierung des EU-Asylrechts vorzuziehen. Ebenso müsse die Sicherung der Außengrenzen schon jetzt zur EU-Gemeinschaftsaufgabe werden.

* u.a. PRO ASYL


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