Für Katholische Nachrichtenagentur
Kinderflüchtlinge
Perfekte Abschottung der Bundesrepublik angestrebt
Als Mauer gegen Flüchtlingskinder verurteilt die bundesweite Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“ die Einführung der Visumspflicht für Kinder bis 16 Jahren, die mit dem neuen Ausländergesetz am 1.1.1991 in kraft tritt. Dem verzweifelten Schritt vieler Eltern, ihre Kinder vor Verfolgung, Folter, Verwundung und Tod zu retten, werde in kalter Berechnung ein Riegel vorgeschoben. Tausende Kinder seien in den Krisengebieten der Welt Opfer von Folter, von staatlichen Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen. Zehntausende würden willkürlich verhaftet, in Gefängnisse gesperrt, verschleppt, ermordet und hingerichtet. Kinder müssten die Folterungen ihrer Eltern mit ansehen oder werden ihren Eltern, um sie zu erpressen, weggenommen.
Nach Angabe des Hohen Flüchtlingskommissars seien über sechs Millionen Kinder auf der Flucht. „Nur einen Bruchteil von ihnen ist es bisher gelungen, in die Bundesrepublik zu gelangen. Dies soll nun rigoros verhindert werden“, kritisiert Herbert Leuninger von „Pro Asyl“.
„Allerdings wirken bereits jetzt eine Reihe abwehrender Maßnahmen, bevor die eigentliche Gesetzesregelung in kraft tritt“, ergänzt Leuninger. Landeten nämlich 1989 noch 2460 alleinflüchtende Kinder auf dem Frankfurter Flughafen, so seien die Zahlen 1990 drastisch gesunken.
Das Frankfurter Jugendamt rechne in 1990 nur mehr mit der Hälfte, ohne offiziell eine Erklärung für diesen Rückgang zu haben. Eine Ursache hierfür sind nach Herbert Leuninger die Kontrollen des Bundesgrenzschutzes, die dieser in Uniformen der Lufthansa auf den wichtigsten Flughäfen u.a. der Türkei, Sri Lankas und dem Sudan durchführe. Hier erfolgten bereits Zurückweisungen gerade von Kindern wegen fehlender oder gefälschter Reisedokumente.
„Während die Bundesregierung in feierlicher Form die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Kinder unterschrieben und sich Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem jüngsten Kindergipfel in New York für die Lebensrechte aller Kinder eingesetzt habe, sei der Bundesregierung fast jedes Mittel recht, um die Zuflucht von Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten in die Bundesrepublik zu verhindern. Dies werde zwar mit der Angleichung der Rechtslage an die übrigen Staaten der Europäischen Gemeinschaft begründet, verfolge aber vornehmlich den Zweck, sich der besonderen sozialen und pädagogischen Verantwortung gegenüber Kinderflüchtlingen zu entziehen.
Kinder, die allein in die Bundesrepublik gelangen, haben nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz einen gleichrangigen Anspruch auf Erziehung und Ausbildung. „Dies ist Bund und Ländern schlichtweg zu teuer!“, weiß Herbert Leuninger aus internen politischen Diskussionen zu berichten. Dabei gibt es viele Familien, die bereit sind, Flüchtlingskinder aufzunehmen oder sogar zu adoptieren. Entsprechende Appelle und gezielte Aktionen könnten die öffentliche Hand in großem Umfang entlasten.