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13.03.1997

Kanthers Handstreich-Verordnung gegen Kinder im Bundesrat:
PRO ASYL fordert uneingeschränkte Zurückweisung
„Gigantische Täuschung von Politik und Öffentlichkeit“


Anläßlich der Bundesratssitzung am morgigen Freitag fordert die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL die Ministerpräsidenten und Innenminister der Länder auf, den Kanther-Erlaß, die Verordnung nach § 3 Abs. 4 des Ausländergesetzes zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 11. Januar 1997, uneingeschränkt zurückzuweisen.

„Die hastige Verordnungsinitiative Kanthers ist ein Lehrstück über mangelndes Demokratieverständnis, Kinderfeindlichkeit und staatliche Ausgrenzungspolitik im Europäischen Jahr gegen Rassismus“, erklärte der Sprecher von PRO ASYL, Heiko Kauffmann. „Kinder aus MigrantInnen-Familien und Flüchtlingskinder dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, um einen Teil des Kanther-Erlasses zu retten.“

Denn Verlierer dieser Verordnung seien neben den Hunderttausenden, zum größten Teil in Deutschland geborenen und hier lebenden Kindern ausländischer Familien die Kinder aus den Anwerbestaaten – vornehmlich der Türkei – die ihre in Deutschland lebenden Eltern und Verwandten besuchen wollten, vor allem aber asylbegehrende Kinder, insbesondere Kurden, deren Anträge keineswegs „mißbräuchlich“ oder „unbegründet“ gestellt würden. „Für viele Kinder und Jugendliche in den Wirren des gewalttätigen Konflikts in Kurdistan ist die Flucht nach Deutschland oft die einzige Chance, der unerträglichen Situation von Gewalt, Vertreibung, Menschenrechtsverletzungen oder drohender Zwangsrekrutierung zu entkommen.“ Weltweit würden immer mehr Kinder als Geschädigte, Beteiligte und Hauptbetroffene in politische und militärische Konflikte einbezogen, so Kauffmann weiter. Während dies auf vielen internationalen Konferenzen beklagt wird und auch von deutschen Regierungsvertretern notwendige Hilfen und Zufluchtsmöglichkeiten für diese Kinder angemahnt würden, stelle das Bundesinnenministerium die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingskinder pauschal als „Mißbraucher und Schmarotzer“ hin.

Deshalb dürfe die SPD-Mehrheit im Bundesrat, aber auch das Parlament und jede/r einzelne Abgeordnete sowohl die Schikanierung Hunderttausender Kinder ausländischer Familien wie auch die Instrumentalisierung akut auf Hilfe und staatlichen Beistand angewiesener Flüchtlingskinder nicht zulassen.

Die Erklärungen Innenminister Kanthers im Bundestag und gegenüber den Medien, es ginge darum, „Mißbrauch“ zu verhindern und das Schlepperwesen zu treffen, bezeichnete Kauffmann als „unzutreffend“ und „gigantische Täuschung von Politik und Öffentlichkeit“.

Nicht nur die vom Innenministerium genannten Zahlen hielten keiner Überprüfung stand; auch die von Kanther zur Begründung vorgeschobenen „Mißbrauchsfälle“ – etwa zum Drogenhandel von „Schleppern“ eingeschleuste Jugendliche – würden mit dieser Verordnung gerade nicht ausgeschlossen.

„Bei den kriminellen Fluchthelfern dürften die Sektkorken geknallt haben, denn diese Verordnung dürfte bei ihnen einen Boom auslösen – größere Nachfrage garantiert höhere Preise“, so Kauffmann.

Ginge es Kanther wirklich um die Verhinderung des Mißbrauchs von Kindern, so müsse er als erster der Forderung nachkommen, für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ein sogenanntes „Clearing-Verfahren“ durchzuführen, in dem mit Ruhe und Sorgfalt, der notwendigen Zuwendungs- und Betreuungsintensität und mit Kompetenz das persönliche Schicksal jedes einzelnen Kindes und seine bestmögliche Perspektive sorgfältigst abgeklärt werde. Nur mit Hilfe eines solchen Verfahrens ließe sich der Mißbrauch von Kindern wirklich verhindern. Innenminister Kanther habe aber auf diese von über 90 in der „National Coalition“ zusammengeschlossenen Kinderschutz-, Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen an ihn herangetragene Forderung bisher nur negativ und auf entsprechende Gesprächsangebote nur mit Schweigen reagiert.

Die berechtigte Unruhe und Empörung über den Kanther-Erlaß vom 11. Januar 1997 verdeutliche einmal mehr, so Kauffmann abschließend, wie weit die Bundesrepublik noch von der Umsetzung der Kinderrechtskonvention entfernt sei, nach deren Art. 3 auch Deutschland verpflichtet ist, bei allen staatlichen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das „Wohl des Kindes“ vorrangig zu berücksichtigen.

Notwendig seien nicht weitere Verschärfungen und Erschwernisse von Integration und Hilfen, sondern „die überfällige Anpassung der restriktiven Bestimmungen des deutschen Asyl- und Ausländerrechts an die Völkerrechtsnormen der Kinderrechtskonvention“.

(siehe auch: Presseerklärung vom 13.1.1997)


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