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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1989 :::
9.10.1989

Der Entwurf des neuen Ausländergesetzes
Innen- und Sportminister Schäuble
und der Hürdenlauf eines Flüchtlings


„Mannshohe, Zimmermannshohe, unübersteigbare Hürden für Flüchtlinge hat Innen- und Sportminister Schäuble in seinem Entwurf zum neuen Ausländergesetz errichtet,“ so urteilt „Pro Asyl“ in einer ersten Analyse. Während sich die Öffentlichkeit mit der von Schäuble angeregten eventuellen Lockerung des Arbeitsverbotes für de-facto-Flüchtlinge befaßt, läßt er still und leise festschreiben, was bei Vorgänger Zimmermann bereits zur Abschottung gegen Flüchtlinge aus der Schublade ragte.

Das Visum

Sollte es einem Flüchtling gelingen, in seinem Land die bewachte Botschaft der Bundesrepublik zu erreichen, um ein Visum zu beantragen, ist ihm die Ablehnung seines Antrags so gut wie sicher. Die Versagung bedarf keiner Begründung und keiner Rechtsbehelfsbelehrung, sie bedarf nicht einmal der Schriftform (§ 67).

Ein Widerspruch ist ausgeschlossen (§68). Der Beamte teilt es dem Antragsteller am Schalter einfach mündlich mit, basta. Auf eine Diskussion lässt er sich nicht ein. Wir sind schließlich keine Bananenrepublik!

Auch die Kinder bis 16 benötigen jetzt ein Visum.

Die Fluggastkontrolle

Hat der Flüchtling wenigstens 10.000 DM (pro Person), versucht er, eine Fluchthilfeorganisation einzuschalten. Sie besorgt ihm alles, was er für den Flug in die Bundesrepublik benötigt. Die Fluggesellschaft darf ihn eigentlich nur befördern, wenn er einen Paß und ein Visum hat. Eine Fluggesellschaft, die sich nicht daran hält, wird pro Person mit DM 2.000 bestraft. Die Fluggesellschaften können verpflichtet werden, die Pässe der Fluggäste vor Beginn der Reise einzusammeln, um sie bei der Ankunft dem Bundesgrenzschutz vorzulegen (§ 75).

Wird ein Flüchtling vom Bundesgrenzschutz zurückgewiesen, weil er z.B. nach dessen Einschätzung über einen Drittstaat eingereist ist, in dem er vor Verfolgung sicher war, muß ihn die Fluggesellschaft unverzüglich außer Landes bringen. Diese Verpflichtung besteht drei Jahre lang für Flüchtlinge, die ohne gültige Reisepapiere eingereist sind, einen Asylantrag gestellt haben, aber schließlich doch ausgewiesen werden. (§ 75).

Die Aufenthaltsgestattung

Es ist dem Flüchtling gelungen, einen Asylantrag zu stellen. Er erhält eine Aufenthaltsgestattung mit Arbeits- und Reiseverbot und einer verordneten Unterbringung im Sammellager mit Gemeinschaftsverpflegung. Nach jahrelangem, zermürbendem Warten werden 90 % rechtskräftig abgelehnt und zur Ausreise aufgefordert.

Die Duldung

Nun wird eine Duldung erteilt, solange die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Sie kann erteilt werden, wenn dringende oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen die vorübergehende weitere Anwesenheit erfordern (§ 54). Durch die Duldung wird die Abschiebung zeitweise ausgesetzt. Die Ausreisepflicht bleibt unberührt (§ 53).

Die Aufenthaltsbefugnis

Einem Flüchtling darf nach einem Jahr der Duldung eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, wenn seiner Ausreise oder Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat oder ein Dritter sich für acht Jahre verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu tragen.

(§ 28). Die Aufenthaltsbefugnis kann für jeweils längstens ein Jahr erteilt und verlängert werden (§ 32).

Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis

Einem Ausländer, der seit sechs Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, kann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (§ 33), wenn er u.a.

  • die besondere Arbeitserlaubnis besitzt.
    (Die besondere Arbeitserlaubnis wird erteilt, wenn der Arbeitnehmer in den letzten acht Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis fünf Jahre rechtmäßig eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Die Erlaubnis hierzu bekommt er nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und nachrangig zu EG-Ausländern und diesen gleichgestellten Ausländern.)
  • über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
  • sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist.

Der Hürdenplan

  • 4 Jahre (ca.) Verfahrensdauer mit Aufenthaltsgestattung.
  • 1 Jahr Duldung als Aussetzung der Abschiebung
  • 6 Jahre Aufenthaltsbefugnis mit jährlicher Prüfung, ob das Rückführungshindernis noch besteht (§ 32).

11 Jahre Ungewissheit und Unsicherheit

  • Nach 11 Jahren theoretisch die unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
    Deren Erteilung ist an Bedingungen wie Arbeit, Arbeitserlaubnis und ausreichende Wohnung geknüpft, die die Mehrheit der de-facto-Flüchtlinge nach menschlichem Ermessen nicht erfüllen kann. Sie werden auf Dauer als Parias ihr Leben in der Bundesrepublik fristen, über ihren Köpfen am Pferdehaar das Damoklesschwert der Abschiebung.

Die Forderung von „Pro Asyl“:

Ein Ausländergesetz,

  • in dem die Zuflucht von Flüchtlingen nicht durch die Visapflicht vereitelt wird und
  • in dem der Aufenthalt von de-facto-Flüchtlingen ähnlich wie in Berlin geregelt wird:
    also eine Aufenthalts- (und Arbeits-)erlaubnis nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik.

Der eiserne Vorhang zur 2. Welt ist inzwischen hochgezogen.
Der eiserne Vorhang zur 3. Welt rasselt herunter, wenn dieses Ausländergesetz verabschiedet wird.


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