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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV DIVERSES | FRANZ LEUNINGER ZUM GEDENKEN:::

Gedenkfeier
für Franz Leuninger
am 1.3.1995
in Mengerskirchen

Schlußwort Bürgermeister Robert Becker

Schlußwort Bürgermeister Robert Becker

Sehr geehrte Familie Leuninger, verehrte Ehrengäste, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Gemeinde Mengerskirchen, für die ich die Ehre habe, hier zu sprechen, ist stolz darauf, daß es aus ihren Reihen Frauen und Männer gab, die aus humanitären, ethischen, moralischen, religiösen und rechtlichen Gründen Widerstand gegen das NS-Unrechtssystem geleistet haben.

Der Bedeutendste war Franz Leuninger, der heute vor 50 Jahren, am 1. März 1945, sein Leben ganz bewußt und ganz klaren Willens, für uns und sein Vaterland geopfert hat.

Ich danke Ihnen, auch im Namen der Familie Franz Leuninger, sowie der hiesigen Grundschule, die nach ihm benannt wurde, all denen, die heute am Gottesdienst teilgenommen haben und die an dieser Gedenkfeier mitgewirkt haben.

Ich habe mich sehr gefreut über den Beitrag der Kinder der Grundschule, aber auch danke ich herzlich dem Ensemble der Westerwaldschule, das die musikalische Umrahmung hier geleistet hat.

Ich hatte vor, in meiner Rede noch kurz ein Bild zu zeichnen, über die damalige Situation Mengerskirchens, und es ist ja immer das Leidwesen desjenigen, der am letzten spricht, daß viel vorweggenommen wurde. Ich denke, dieses Bild von Mengerskirchen wurde sehr ausführlich beschrieben, so daß ich darauf auch nicht mehr zurückkommen brauche.

Auch im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit möchte ich aber meine Gedanken zu dem Vermächtnis Franz Leuningers doch noch Ihnen vortragen:

Meine Damen und Herren! Franz Leuninger war, lieber Walter, ein Patriot, würde ich sagen. Er leistete mit seinen Freunden Widerstand und kämpfte entschlossen gegen die braune Diktatur. Heute (Originalton)wissen wir, daß der Widerstand sich aus Menschen aller Schichten, aus allen weltanschaulichen und politischen Richtungen zusammensetzte. Von ausgesprochen rechts stehenden Konservativen bis hin zu Kommunisten. Nicht wenige hatten sich zeitweise blenden lassen. Nicht wenige irrten, schwankten, zeigten sich schwach. Doch stärker war in ihnen schließlich die Stimme des Gewissens und das Bewußtsein der Verantwortung. Über alle Unterschiede hinweg aber war ihnen eines gemeinsam: Die Bereitschaft, ihr Leben für Menschlichkeit, Freiheit, Recht und Frieden zu wahren. Deshalb ist es unsere Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir diesen edlen Vorbildern nachfolgen. Ihre Leistungen und ihr Engagement nicht nur zu würdigen, sondern es auch vor allem unserer Jugend zu vermitteln und wachzuhalten. In diesem Zusammenhang verhehle ich nicht meine Enttäuschung über die äußerst schwache Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl am 19. Februar 1995.

Mit knapp 48 % lag die Wahlbeteiligung hier in Mengerskirchen im unteren Bereich dessen, was landauf landab festgestellt wurde. Diese bedauerliche Entwicklung eines zunehmenden Desinteresses breiter Bevölkerungsschichten an der staatlichen Entwicklung, ist für mich alarmierend. Die Ursache hierfür sind sicher vielschichtig. Ich denke, es fehlt auch das positive Beispiel vieler, aber auch unserer Volksvertreter. Wasser auf die Mühle derer, die nicht mehr wählen gehen, sind Aktionen, wie das aktuelle Beispiel der Diätenerhöhung durch den Thüringischen Landtag. Da ist die Hessenwahl acht Tage vorbei, da streiken Arbeitnehmer in Bayern für eine 6 %ige Lohnerhöhung. Allenthalben sprechen Politiker von der Notwendigkeit von Verschlankung unseres Staatswesens und der Aufgabenbeschränkung an allen Ecken und Enden. In einer solche Situation, meine Damen und Herren, ist eine 43 %ige weit über die Steigerung der Lebenshaltungskosten liegende Einkommenserhöhung, von der nur Normalbürger träumen können, nicht tragbar. Ich denke, es ist von uns allen mehr Zivilcourage erforderlich. Mißstände, und das ist im Sinne von Franz Leuninger, müssen massiv angesprochen und notfalls auch angeprangert werden. Wir müssen verhindern, daß unsere Demokratie Schaden nimmt und dieses Phänomen sich im Bewußtsein der Bevölkerung verfestigt. Die positive Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg war insbesondere geprägt durch die soziale Verantwortung der politisch Handelnden. Die Abwendung der Bürger von der Politik ist eine große Gefahr. Freiheit wird ohne soziale Verantwortlichkeit schnell zur Freiheit der wenigen über die vielen. Das begründet die Notwendigkeit einer sozialen Ethik, die immer wieder ins Bewußtsein gerufen wird und die Franz Leuninger vertreten hat.

Meine Damen und Herren! Freiheit wird ohne soziale Verantwortung schnell zur Freiheit der wenigen über die vielen. Unsere Chance, die vielen großen Probleme von heute zu lösen, liegt nicht in einseitiger kompromißloser Interessenpolitik, sondern in der Erkenntnis, daß nur das solidarische Miteinander, welches Freiheit und Gerechtigkeit umschließt, schwere soziale Konflikte verhindern kann. Kurzfristige Vorteile, die der Besitz der Macht bietet, dürfen nicht dazu führen, die Vernunft aus den Augen zu verlieren und den sozialen Konsens außer acht zu lassen. Der Appell an die Menschlichkeit, an das gemeinsame Ganze, das es zu erhalten und zu entwickeln gilt, ist keine Leerformel, sondern eine dringende Notwendigkeit. Ich denke, daß wir das Vermächtnis von Franz Leuninger – wir insbesondere hier in Mengerskirchen – achten und hochhalten sollen und in diesem Sinne stets für Demokratie, für eine freie und gerechte Gesellschaft eintreten. Dazu würde aber auch die Beteiligung am Staatsgeschehen, d.h., daß man sich auch an Wahlen beteiligt, gehören.

Mit diesem Ausblick und mit diesem Appell möchte ich mein Schlußwort beenden und nochmals all denen danken, die heute uns so beispielhaft und so interessant das Leben und das Werk von Franz Leuninger hier dargeboten haben durch seinen zweitältesten Sohn Walter, durch seine Neffen Ernst und Herbert und durch die Beiträge von Herrn Landrat Dr. Fluck, Herrn Lütgert vom DGB, den Schülern der Franz-Leuninger-Schule und ihrem Rektor und den Musikern. Allen danke ich nochmals…


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