Gedenkfeier
für Franz Leuninger
am 1.3.1995
in Mengerskirchen
Grußwort Gert Lütgert (MdL)
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Grußwort Gert Lütgert (MdL)
Gert Lüdgert (Originalton )
Grußwort Gert Lütgert (MdL)
Stellvertretender Vorsitzender des DGB-Hessen
Liebe Familie Leuninger, meine Damen und Herren!
Wenn wir heute (Originalton ) gemeinsam Franz Leuningers gedenken, dann ehren wir mit ihm auch die Umgebung, die ihn prägte, und die Gefährten, die den schweren Weg im Kampf gegen die Nazibarbarei gemeinsam mit ihm gingen.
Zur Umgebung, die ihn prägte, gehört seine Familie, deren Namen man seit vielen Jahrzehnten immer wieder dort findet, wo Menschen für die Rechte der Schwachen und Verfolgten eintreten.
Dazu gehört aber auch diese Gemeinde, deren Einwohner dem NS-Regime widerstanden, wie wir heute mehrfach gehört haben.
Die Weggefährten Franz Leuningers waren Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft, Religion und politischer Zielsetzung – einig aber in ihrem Einsatz für Freiheit und Humanität.
Denn Franz Leuninger hat über Grenzen hinweg das Bündnis mit allen gesucht, die die Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung und Chancengleichheit aller Menschen zu bewahren suchten.
Es hat ihn weniger interessiert, ob die einen diese Haltung Nächstenliebe nannten und die anderen sie vielleicht als Solidarität mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten bezeichneten. Ihm und seinen Freunden war klar, daß nicht Rückzug, Resignation und Verzweiflung, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt erhalten können, sondern nur der aktive Einsatz für diese Werte.
Und er kannte das Risiko. Er ist es bewußt eingegangen wie Tausende Gleichgesinnter. Doch noch mit dem Tod hat er seinen Mördern den Triumph genommen!
Indem sie ihn ermordeten, bewiesen die Nazis, daß das, was sie zerstören wollten, Nächstenliebe, Solidarität und Humanität, ein so hohes Gut ist, daß Menschen sogar ihr Leben dafür opfern.
Eine Minderheit der Deutschen, aber doch immerhin Tausende aus allen Kreisen der Bevölkerung, leisteten Widerstand gegen das Naziregime. Viele haben ihr Leben lassen müssen, viele haben ihre Gesundheit verloren.
Wenn heute Konservative von der Ehre des deutschen Volkes reden und gegen das Aufarbeiten der Vergangenheit polemisieren, dann sagen wir ihnen: Diejenigen, die ihre Ehre und die des demokratischen Deutschlands verteidigt haben, waren die Frauen und Männer des Widerstandes; sie haben gezeigt, daß die Deutschen nicht nur ein Volk der Richter und Henker waren. Sie haben den Grundstein gelegt für die Möglichkeit einer demokratischen Zukunft.
Das Vermächtnis der Frauen und Männer des Widerstandes ernstzunehmen, heißt für uns heute, den Verfall sozialer Sicherheit und die Zerstörung von Frieden und Demokratie zu bekämpfen!
Vielen Widerstandskämpfern, nicht nur denen aus der Arbeiterbewegung, schwebte eine neue Gesellschaft vor. Eine Gesellschaft, in der Faschismus und Krieg nie mehr möglich sein sollten, eine Gesellschaft, in der die Lebensperspektiven aller Menschen gesichert sein sollten.
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht bedeutete nicht nur die Befreiung der überlebenden Opfer. Sie war zugleich die Beendigung einer monströsen Barbarei: Der planmäßigen industriellen Vernichtung des europäischen Judentums. Seit ihrer Vertreibung aus Palästina erfuhren Juden vielerorts Haß und Verfolgung. Die systematische Ausrottung wurde einzig im Deutschen Reich geplant und praktiziert, bis die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition den Mördern das Handwerk legten.
Heute müssen wir feststellen, daß wieder Feindbilder entworfen werden. Sozial Schwache werden gegeneinander ausgespielt, Fremdenhaß und Rechtsextremismus machen sich breit. Die Rechtsextremisten rühren damit an die Wurzeln der Demokratie. Bis weit ins bürgerliche Lager, vereinzelt sogar bis in unsere eigenen Reihen, finden sie Anklang mit mancher ihrer Parolen. Es ist eine Grauzone entstanden, in der die Grenzen verschwimmen; rechtsextremes Denken wird salonfähig gemacht.
Unterdrückung und Menschenverachtung kommen eben nicht nur mit Getöse in den Nagelstiefeln der SA oder der terroristischen Neonazis daher, sie treten auch in den Lackschuhen scheinbarer Seriosität auf, und sie schleichen sich auch auf den Filzlatschen des Gleichgültigen in unser Bewußtsein.
Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, im alltäglichen Handeln zu zeigen, daß unser Gedenken an Franz Leuninger und seine Weggefährten mehr ist als nur ein Ritual. Wir werden ihrem Vermächtnis nur dann gerecht, wenn wir selber dafür sorgen,
daß Menschen in unserem Lande nicht verfolgt werden,
daß Hilfesuchende nicht zu Mörderregimen zurückgeschickt werden,
daß Arme nicht ins Elend und in die Obdachlosigkeit gedrängt werden und
daß Andersdenkende und anders Lebende nicht diskriminiert werden.
Lassen Sie mich enden mit einigen Sätzen, die vor 25 Jahren der verstorbene ehemalige Vorsitzende des DGB Hessen, Philipp Pless, sprach, als er die Widerstandskämpfer des 20. Juli ehrte:
„Im Gedenken an unsere Freunde, im Gedenken an die zahllosen Opfer nationalsozialistischen Unrechts rufen wir alle Schaffenden und die, die guten Willens sind, auf, nicht zuzulassen, daß die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. Dies würde die Demokratie erneut zum Scheitern bringen. Dem Frieden, der sozialen Gerechtigkeit und der Fortentwicklung unserer demokratischen Freiheit gilt unser Schaffen. Nur so handeln wir im Geiste unserer Freunde, die wir auf immer in ehrenvoller Erinnerung bewahren.“