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Presseerklärung
21. Oktober 1998

Flughafenasylverfahren

Abschiebung direkt in den Knast?
UNHCR warnt vor der Abschiebung
einer afghanischen Familie nach Bangkok

Einer afghanischen Familie mit zwei Kindern droht heute nachmittag die Abschiebung nach Bangkok, nachdem ihr Asylverfahren auf dem Rhein-Main-Flughafen von Bundesamt und Verwaltungsgericht abgelehnt wurde. Nach den üblichen Regelungen soll die Familie in das zuletzt bei der Flucht durchreiste Land zurückgeschafft werden. Die deutsche Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen hat große Bedenken gegen den Vollzug angemeldet. Denn Thailand ist nicht Unterzeichnerstaat der Genfer Flüchtlingskonvention. In einem Schreiben des UNHCR an den Rechtsanwalt der Familie vom 16. Oktober 1998 heißt es:

„Unserem Amt liegen Erkenntnisse vor, daß die thailändischen Immigrationsbehörden aufgrund fehlender Verfahrensvorschriften ankommende Flüchtlinge grundsätzlich in Gewahrsam nehmen und dort für unbestimmte Zeit festhalten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Familie H. ebenfalls unmittelbar nach Ankunft in Bangkok für eine unbestimmt lange Zeit inhaftiert werden. Der jüngste unserem Amt bekannte Fall liegt ca. drei Monate zurück und betrifft einen ehemaligen vietnamesischen Kontingentflüchtling, der beim Versuch der Wiedereinreise nach Deutschland aus Bangkok am Flughafen München zurückgewiesen und nach Bangkok abgeschoben wurde. Unmittelbar nach seiner Ankunft wurde er in Polizeigewahrsam genommen, wo er sich auch heute noch befindet.“

PRO ASYL appelliert an Innenministerium und Bundesgrenzschutz, unter diesen Umständen auf keinen Fall nach Bangkok abzuschieben und somit den Bedenken des UNHCR Rechnung zu tragen. Die Familie verfüge nicht über finanzielle Mittel, mit denen sie selbst im Falle einer Freilassung Thailand verlassen und in einem Drittland Zuflucht suchen könne. Auch müsse den minderjährigen Kindern die Erfahrung einer Inhaftierung unbedingt erspart bleiben.

Die Familie war am 19. September 1998 auf dem Rhein-Main-Flughafen gelandet. Sie hatten vorgetragen, nach Bedrohungen durch die Taliban habe man ihr Geschäft – eine Damenschneiderei – geschlossen. Dieses „Berufsverbot“ habe ihnen keine materielle Existenzmöglichkeit gelassen. Der Bruder des Mannes sei 1997 nach der Festnahme durch die Taliban verschollen. Einen Onkel habe man getötet. Bundesamt und Verwaltungsgerichte hatten den Asylantrag mit der zentralen Begründung abgelehnt, in der aktuellen Situation gebe es in Afghanistan keinen Staat und damit keine Verfolgung. Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Ausländergesetz werden im Flughafenverfahren regelmäßig nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht geprüft. Die Familie hatte sich bei einem ersten Zurückweisungsversuch am 14. Oktober verzweifelt gegen die Abschiebung gewehrt, wobei sich dramatische Szenen im Transitbereich abspielten.

PRO ASYL kritisiert vor dem Hintergrund dieses Falles auch die Praxis eines Teils der Verwaltungsgerichte, afghanischen Flüchtlingen jedweden Schutz mit der Begründung zu versagen, daß es eine staatliche Gewalt dort nicht gebe. Bis auf wenige Gebietsreste übten die Taliban inzwischen im ganzen Land sehr wohl staatliche Gewalt aus und profilierten sich als eines der schlimmsten menschenrechtsverletzenden Regime der Gegenwart.


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