Flughafen Frankfurt Rhein-Main:
Erste Auswirkungen der OLG-Entscheidung
zu rechtswidriger Inhaftierung
Nach 398 Tagen muß der BGS einen Algerier einreisen lassen
Für den 26-jährigen Algerier C. geht nach 398 Tagen eine Inhaftierung zu Ende, die nach einem Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (siehe erste Meldung vom Tage) seit langem rechtswidrig war. Dem zwischenzeitlich in einer psychiatrischen Klinik untergebrachten Mann, dem ein ärztliches Attest Folterfolgen bestätigt, mußte der Bundesgrenzschutz die Einreise gestatten. Nach der Rechtsauffassung des Bundesgrenzschutzes und der 14. Kammer des Verwaltungsgerichtes Frankfurt galt er auch während seines Aufenthaltes in der Psychiatrie als noch nicht eingereist.
Inzwischen hat sich das Grenzschutzamt Frankfurt vor dem Hintergrund der heute bekannt gewordenen OLG-Entscheidung offensichtlich entschließen müssen, weiteren Langzeitinhaftierten aus dem Transitbereich des Flughafens die Einreise zu gestatten.
PRO ASYL hatte unter Bezugnahme auf den Fall C. mehrmals darauf hingewiesen, daß die faktische Dauerinhaftierung bereits abgelehnter, aber noch nicht abgeschobener Flüchtlinge im Flughafenbereich als exzessive Inhaftierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet werden müsse und sieht sich an seiner Kritik der bisherigen Festhaltungspraxis bestätigt.
Weitere Einzelheiten aus der Begründung des OLG-Beschlusses: Das Oberlandesgericht hatte sich erstmalig mit der Materie zu befassen. Es stellt in seiner wegweisenden Entscheidung fest, daß die Unterbringung des Betroffenen auf dem Flughafen eine nicht auf richterlicher Anordnung beruhende Freiheitsentziehung ist. Weder Amtsgericht noch Landgericht hatten den Antragsteller persönlich angehört. Die Räumlichkeiten im Transitbereich seien abgeschlossen und so eng begrenzt, daß sie als Hafträume im Sinne des Gesetzes anzusehen seien, in denen die Bewegungsfreiheit des Betroffenen durch staatliche Maßnahmen beschränkt sei. Die Unterbringung während des Flughafenverfahrens sei jedoch auf maximal ca. 19 Tage beschränkt. Eine Verlängerung für den Fall der erfolglosen Zurückweisung sehe das Gesetz nicht vor.
Nach Auffassung des OLG-Senats darf der Bundesgrenzschutz einen Ausländer, der nicht ohne Verzögerung zurückgewiesen werden kann, nicht ohne richterliche Anordnung einer Freiheitsentziehung auf dem Gelände des Rhein-Main-Flughafens unterbringen. Jede andere Sicht stelle den Betroffenen rechtlos und widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Erläuterung zur 19 Tage-Frist: Nach dem Wortlaut des Asylverfahrensgesetzes darf die Unterbringung auf dem Flughafengelände nach Stellung des Asylantrags nur maximal 19 Tage dauern. Nach Ablauf dieser Frist muß entweder die Einreise des Flüchtlings zugelassen oder eine Zurückweisung vollzogen werden. Eine kurzfristige Verlängerung des Flughafenaufenthalts kann sich vor Stellung des Asylantrages durch die vorausgehende Befragung durch den Bundesgrenzschutz ergeben. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zum Flughafenverfahren vom 14. Mai 1996 die Frist zur Begründung von Rechtsmitteln um 4 Tage verlängert, die der 19 Tage-Vorgabe aus dem Asylverfahrensgesetz hinzugerechnet werden müssen. In der Regel hat daher nach Auffassung von PRO ASYL eine länger als 23 bis 26 Tage andauernde Unterbringung im Transitbereich keine Rechtsgrundlage.