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TAG DES FLÜCHTLINGS 1997

Eine Verkettung unglücklicher Umstände?
oder »Der Trend geht zur Urne«

Arbeitskreis Asyl Leimen

Alfa Biayo Sabi Touré, 36 Jahre, verheiratet, Vater zweier Kinder, Aktivist der togoischen Demokratiebewegung gegen das diktatorische Eyadema-Regime, nach einem Mordanschlag 1994 in die Bundesrepublik geflüchtet, Selbstmord am 24. November 1996 in der Justizvollzugsanstalt Lörrach. Der fünfzehnte Mensch, der sich in der Abschiebehaft in Deutschland das Leben genommen hat. Wenig ist bekannt von ihm. Wir wüßten noch weniger, hätte nicht der Asylarbeitskreis Leimen mit dem lebenden Touré Kontakt gehabt und sich auch um die Umstände seines Todes gekümmert.

Das Asylverfahren: Vom Verwaltungsgericht Karlsruhe im Juli 1996 endgültig abgelehnt. Die Richter sehen kein Abschiebehindernis. Versuche, wegen seiner chronischen Hepatitis eine Aufenthaltsverlängerung zumindest bis zum Ende der medizinischen Therapie zu erreichen, schlagen fehl. Die zuständige Bezirksstelle für Asyl in Rastatt lehnt die Aufenthaltsverlängerung ab, das Sozialamt verweigert die Übernahme der Kosten für die Behandlung. Dem Flüchtling wird nahegelegt, er solle »freiwillig« ausreisen. Seine Nachfragen in Togo haben jedoch ergeben, daß man dort immer noch nach ihm sucht. Am 20. November 1996, dem Abend vor der geplanten Ausreise, verschwindet Touré aus seiner Containerunterkunft. Landsleute erfahren einige Tage später bei Anrufen in Togo das Gerücht von seinem Tod.
Recherchen seines Rechtsanwaltes bei der Justizvollzugsanstalt, bei der Staatsanwaltschaft und anderen Behörden ergeben: Touré sei bei einem Versuch, in die Schweiz zu gelangen, aufgegriffen und dann in Abschiebehaft in Lörrach gekommen. Touré sei beim Hofgang mit dem Hinweis, ihm sei kalt, nach innen gegangen, aber nicht in seine Zelle, sondern in den Keller, wo er sich mit seinem Hosengürtel am Treppengeländer erhängt habe. Es wurde eingeräumt, daß er schon in den Tagen vorher versucht hatte, sich zu verletzen. Man habe dies aber nicht als Selbstmordabsicht gedeutet.
Posthum eine Art Nachrichtensperre: Weder der Asylarbeitskreis Leimen noch die togoischen Kameraden werden durch die Stadtverwaltung Leimen von dem Tod des Flüchtlings informiert. Auch das Diakonische Werk in Lörrach, nur wenige Häuser von dem Gefängnis, dem Todesort entfernt, erfährt nichts. Erst zufällige Telefonkontakte von Togoern zu Nachbarn des Toten in seinem Heimatort bringen das Gerücht über seinen Tod in Umlauf. Erst als der Anwalt des Toten vom Asylarbeitskreis informiert wird, gibt es offizielle Informationen.
Letztes Kapitel: Der Tod wird zur Kostenfrage. Bis Mitte Dezember liegt der Leichnam unbestattet in Lörrach in der Leichenhalle. Der Rhein-Neckar-Kreis, in dem Leimen, der letzte Wohnort des Toten liegt, weigert sich, die Bestattungskosten zu übernehmen. Auch Lörrach scheut die Kosten. Auf Anfrage des Asylarbeitskreises, ob nicht eine Bestattung in Leimen möglich sei, sorgt sich der Chef des dortigen Ordnungsamtes darum, wer denn in 15 Jahren das Grab noch pflegen werde. Er denkt an eine Feuerbestattung. Touré aber war Moslem. Der Islam läßt Feuerbestattungen nicht zu. Tourés Bruder in Togo äußert sich denn auch telefonisch entsetzt über diese Idee. Dennoch meint der Chef des Ordnungsamtes ebenso kostenbewußt wie geschmacklos: »Der Trend geht zur Urne.«

Der Asylarbeitskreis versucht ohne Erfolg, Kostenträger für eine Erdbestattung zu finden. Am 18.12.1996 kann der Tote schließlich in Lörrach beerdigt werden, nachdem sich der Arbeitskreis Asyl selbst bereit erklärt hat, die Kosten zu übernehmen. Ein muslimischer Bürger, der nicht genannt werden will, hilft mit einer großzügigen Spende.


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