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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV RADIO KURZPREDIGTEN 1969 ::: ARCHIV KIRCHE 1969 :::
Zuspruch am Morgen

Hessischer Rundfunk Frankfurt
Woche vom 10. – 15. März 1969

RADIO KURZPREDIGTEN

Die Stadt Nova Huta


Als in Polen nach dem Ende des II. Weltkrieges die Kommunisten die Macht übernommen hatten, planten sie eine Stadt, die als Modellfall für die sozialistische Gesellschaft gelten sollte. Diese Stadt wurde nach den modernsten Gesichtspunkten geplant und mit großzügigen Parkanlagen, freundlichen Kindertagesstätten, repräsentativen Kultur- und Sportzentren ausgestattet. Es sollte wirklich eine „Neue Stadt“ sein.

Daher erhielt sie den Namen: Nova Huta. In ihr sollte verwirklicht werden, was für die ganze Menschheit erstrebenswert wäre. Sorgfältig mußten die Bewohner dieser Stadt ausgewählt werden. Sie hatten ideologisch einwandfrei zu sein und durften nichts mehr von der überholten bürgerlichen Einstellung an sich tragen. Mit der neuen Stadt und ihren Bewohnern konnte unter klinisch einwandfreien Bedingungen das Experiment der neuen Gesellschaft gewagt werden. Damit stand der Traum von der vollkommenen Gemeinschaft kurz vor seiner Verwirklichung, wenigstens für einen unbegrenzten Bereich.

Nova Huta steht in einer offensichtlichen Parallele zum Neuen Jerusalem, das auf den letzten Seiten des Neuen Testamentes in den sprühenden Farben damaliger Vorstellung dargestellt wird. Die Fundamente, auf denen die Stadt gebaut ist, bestehen aus Edelsteinen, die 12 Tore sind aus Perlen, die Straße der Stadt besteht aus lauter Gold, durchsichtig wie Glas. „Aber eines sah ich nicht: einen Tempel“, sagt der Seher, „denn Gott ist ihr Tempel“ .

„Die Stadt bedarf keiner Sonne und keines Mondes, daß sie ihr leuchten, denn der Lichtglanz Gottes umstrahlt sie und Christus selbst ist ihr Licht (…) Ruhm und Herrlichkeit der Völker wird man hineintragen. Es wird aber nichts Unreines hineingehen, niemand, der Böses tut, oder der der Lüge dient, niemand, der nicht im Buche des Christus verzeichnet steht, im Buche des Lebens“ (vgl. Offb 21, 22ff.).

In dieser Stadt leben zu dürfen, bedeutet die Erfüllung aller Sehnsucht.

Wenn der Autor dieser biblischen Texte heute leben würde, müßte er die vollkommene Stadt mit anderen Worten beschreiben. Vielleicht würde sein Neues Jerusalem viele Ähnlichkeiten mit Nova Huta aufweisen, wenigstens mit dem geplanten. Ein großer Unterschied wäre aber zwischen dem polnischen Nova Huta und dem biblischen festzustellen. Man kann es auf die Formel bringen, Nova Huta ist eine Stadt des Menschen, das Neue Jerusalem ist eine Stadt Gottes. Das heißt, die Kommunisten wollen das Paradies auf Erden mit eigenen Kräften herbeiführen, während die Christen es als Geschenk Gottes erwarten.

Dieser Unterschied muss nicht unüberbrückbar sein. Die Erwartung der Christen ist keine untätige. Im Gegenteil, sie sollten eine unermüdliche Aktivität mit den Kommunisten gemeinsam haben; denn das Nova Huta der Bibel ist eine Stadt, die Gottes Geist durch die Menschen und ihre Aktivität verwirklicht. Wenn die Kommunisten sagen, Nova Huta sei ganz die Stadt des Menschen, dann sagen die Christen, das wahre Nova Huta ist ganz die Stadt des Menschen und ganz die Stadt Gottes.


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