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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV RADIO KURZPREDIGTEN 1969 ::: ARCHIV KIRCHE 1969 :::
Zuspruch am Morgen

Hessischer Rundfunk Frankfurt
Woche vom 10. – 15. März 1969

RADIO KURZPREDIGTEN

Die sortierte Menschheit


Ein anonymer Weltverbesserer hat mir vor kurzem einen Aufsatz zukommen lassen, in dem er einen ungewöhnlichen Vorschlag zur Befriedung der Welt macht. Danach liege die Wurzel allen Unglücks darin, daß die Menschen unsortiert zusammenleben, d.h. seelisch und körperlich bunt durcheinander gewürfelt existieren. Aus dieser Unterschiedlichkeit der Menschen ergäben sich dann Reibereien und Streitigkeiten. Je ähnlicher die Menschen aber physisch und psychisch seien, desto besser paßten sie zusammen. Deswegen sollte man sie sortieren. Wäre das Sortieren der Menschen nach gleichen Anlagen blitzartig zu leisten, hörte auch die Aggressivität schlagartig auf. „Die dann Sortierten“, so wörtlich, „würden die seelische Übereinstimmung auch in der Liebe in vollen himmlischen Zügen genießen.“ Mit einem Schlag würden auch alle Armeen der Welt überflüssig. Die schwierige Aufgabe des Sortierens müßten Computeranlagen übernehmen. Der Verfasser schließt seinen Aufsatz in der Hoffnung auf die große Sortierwelle.

Eine so sortierte Menschheit wäre sicher für unsere moderne Gesellschaft von großem Nutzen. Für jede genormte Tätigkeit ließe sich leicht die Kategorie der passend genormten Arbeiter, Angestellten oder Beamten finden. Unter der Voraussetzung, daß Gleiches sich wirklich mit Gleichem verträgt, würden alle Spannungen aufhören, die in den Betrieben, Unternehmen und Behörden das Arbeitsklima so beeinträchtigen. Mit der Zeit aber würde sich die Methode des Sortierens dann als altmodisch herausstellen und man ginge gleich dazu über, wie der englische Schriftsteller Aldous Huxley es beschreibt, Menschen in der Retorte mit den erforderlichen Eigenschaften zu züchten.

Für eine Fabrik, die elektrische Geräte herstellt, ist das folgendermaßen beschrieben: Die einzelnen Arbeitsgruppen sind durch griechische Buchstaben klassifiziert:

„Im Montageraum wurden die Dynamos von zwei Gruppen Gamma-Plus-Zwergen zusammengesetzt. Die beiden niedrigen Arbeitstische standen einander gegenüber. Zwischen ihnen kroch das laufende Band mit seiner Last einzelner Bestandteile. 47 Blondhaarige standen 47 Schwarzhaarigen gegenüber, 47 Stumpfnasen gegenüber 47 Hakennasen, 47 fliehende gegenüber 47 vorspringenden Kinnladen. Die montierten Maschinen wurden von 18 identischen, lockigen, gammagrünen Mädchen überprüft, von 34 dachsbeinigen Delta-Minus-Linkshändern in Verschläge verpackt und auf die wartenden Güterwagen und Lastautos von 63 blauäugigen, blonden, sommersprossigen Ypsilon-Halbidioten verladen“.

Die Vision einer sortierten oder auch gezüchteten Menschheit zeigt uns, wie unmenschlich ein solches oder ein ähnliches Unterfangen ist. Klassifizierte Menschen sind gleichzeitig auch degradierte Menschen, denn sie werden nicht nach ihrer individuellen Persönlichkeit bewertet, sondern nach mehr oder weniger äußerlichen Merkmalen.

Die Verschiedenartigkeit der Menschen und die Probleme, die sie mit sich bringen, muß schon auf andere Weise bewältigt werden. Ein Modell beschreibt Paulus in der Bibel: „Da gilt nicht mehr Jude oder Grieche, nicht mehr Sklave oder Freier, nicht mehr Mann oder Frau, denn ihr alle seid eins in Christus“ (Gal 3, 28).


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