TAG DES FLÜCHTLINGS 1998
Gängelung, Entmündigung,
Entrechtung, Aushungerung
Sozial ausgegrenzt
Die Realität des Asylbewerberleistungsgesetzes
Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998
Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.
Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.
INHALT
- I. WER MENSCHENRECHTE VERGISST, VERGISST SICH SELBST.
- Initiativen zum Tag des Flüchtlings 1998
- UN-Kritik an Deutschland
- Menschenrechte und Asyl – Hubert Heinhold
- siehe auch: Europas neuer Pförtner (Beat Leuthardt)
- »Wer Menschenrechte vergißt, vergißt sich selbst.« Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht
- Die Ausländerpolitik neu gestalten – Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
- Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Völkerrecht
- Kinderflüchtlinge – Flüchtlingskinder
- »Verfolgte Frauen schützen!« Zwischenbilanz und Perspektiven der Kampagne
- Europäisches Parlament: Entschließung zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union
- Menschenrechte – Kein Thema für Deutschland?
- II. RECHTLOS IN DEUTSCHLAND
- Leben in der Illegalität – Eine Bestandsaufnahme
- Schlepper, Schleuser, …. – Von Fluchthelfern und Wegelagerern
- III. SOZIAL AUSGEGRENZT
- Gängelung, Entmündigung, Entrechtung, Aushungerung – Die Realität des Asylbewerberleistungsgesetzes
- Ausgrenzung kommt von oben – Kontinuitäten der Sozialpolitik von Weimar bis heute
- Die erfundene Massenflucht
- IV. DER EINZELFALL ZÄHLT
- Bundesarbeitsgemeinschaft »Asyl in der Kirche« ausgezeichnet
- Kurdische Flüchtlinge aus dem Irak – Ein Beispiel für die Entrechtung von Schutzsuchenden
- Kurzinformationen zu der Situation in den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen
- Der Widerstand der Nonnen von Dinklage gegen den Bruch eines Kirchenasyls
- Entscheidungsdruck und rassistische Textbausteine – die Anhörung von Asylsuchenden beim Bundesamt
- Gewalttätiger Abschiebealltag
- Gefangener des Verfahrens – Tutsi als Buchautor
- »Kurdische Männer halten viel aus«

Animation: PRO ASYL
In keinem Bereich sind Gesetze dermaßen häufig »nachgebessert«, d. h. in der Praxis verschärft worden, wie im Ausländerrecht. Kaum haben sich Verwaltungen an die Anwendung eines Gesetzes gewöhnt, kaum gibt es eine Rechtsprechungspraxis zu strittigen Paragraphen – schon gibt es die nächste Gesetzesverschärfung.
Ganz besonders trifft dies für das Asylbewerberleistungsgesetz zu, das in der kurzen Zeit seiner Existenz mehrfach geändert wurde und das beständig Gegenstand weiterer Verschärfungsplanungen ist.
Mit der Verabschiedung eines besonderen Leistungsgesetzes für Flüchtlinge hatte man zunächst zwei unterschiedliche Existenzminima für Deutsche und Flüchtlinge geschaffen. Ohne vernünftige Begründung wurden Asylsuchenden einfach die Leistungen um mehr als 20% gekürzt. Diese Kürzungen galten zunächst nur für den Zeitraum eines Jahres. Das war den Verschärfern noch ein Dorn im Auge. Im Jahre 1997 wurde dieser Zeitraum auf drei Jahre ausgedehnt. Mehr Flüchtlinge wurden auf noch längere Zeit aus der üblichen existentiellen Grundsicherung Sozialhilfe ausgegrenzt. Gleichzeitig wurde die Neuregelung auf alle in Deutschland lebenden Asylsuchenden – auch die bereits länger im Lande lebenden Flüchtlinge, Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete Ausländerinnen und Ausländer ausgedehnt. Obwohl die SPD- Bundestagsfraktion immer wieder darauf hingewiesen hatte, daß eine langfristige mehrjährige Unterschreitung des Sozialhilfeniveaus nicht vertretbar und nicht Bestandteil des sogenannten Asylkompromisses von 1992 gewesen sei, fielen die SPD- Ländervertreter im
Bundesrat den eigenen Kolleginnen und Kollegen schließlich in den Rücken und gaben den Weg frei für die weitere Verschärfung. Federführend beteiligt waren SPD- regierte Bundesländer auch an einer weiteren Bundesratsinitiative, mit der mehrere hunderttausend Flüchtlinge in der Praxis von jedem Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgeschlossen werden, wenn es eine Mehrheit hierfür im Bundestag gibt. Keinen Anspruch mehr haben sollen so etwa alle diejenigen Flüchtlinge, die zwar nicht abgeschoben werden können, bei denen aber unterstellt wird, daß sie freiwillig zurückkehren könnten. Keinen Anspruch auf Leistungen sollen auch diejenigen haben, die sich angeblich nur in die Bundesrepublik begeben haben, um solche Leistungen zu erhalten. Dies ist eine Generalklausel, die die Sozialämter zunächst einmal nutzen werden, um jeden Leistungsanspruch zu verweigern. Da Eilverfahren gegen eine solche Leistungsverweigerung monatebis jahrelang dauern werden, haben Flüchtlinge keinen wirksamen Rechtsschutz: Sie werden praktisch ausgehungert.
Bereits nach der geltenden Fassung des Asylbewerberleistungsgesetzes sind Flüchtlinge in einem Netz aus Bevormundung, Entmündigung und täglicher Erniedrigung gefangen. Vielerorts werden sie mit Lebensmittelpaketen verpflegt oder werden gezwungen, in bestimmten Magazinläden einzukaufen. Als Sachleistungen, die vorrangig zu gewähren sind, gelten insbesondere die Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften, die Zurverfügungstellung von Bekleidung und Dingen des täglichen Bedarfs. Beispiele zeigen, daß die Folgen für die betroffenen Flüchtlinge von bloßer Gän gelung bis zur akuten Lebensgefahr reichen.
Fall 1: Verweigerung einer Augenoperation
Mehmet I. ist 14 Jahre alt und lebt in Niedersachsen. Seine Eltern waren Mitglieder einer türkischen Untergrundorganisation, haben keine Meldeadresse in der Türkei und haben ihren Sohn vermutlich aus Angst vor Repressionen nach Deutschland geschickt. Infolge einer schweren Augenverletzung wurde Mehmet in der Türkei bereits einmal operiert. Diese Operation ist zwar fachkundig durchgeführt worden, die notwendige Nachbetreuung gab es jedoch nicht. Die Komplikationen machen eine weitere Operation unbedingt erforderlich. Es drohen irreparable Schäden, wie zum Beispiel eine Netzhautablösung.
Nachdem ein Augenarzt die Operation zunächst befürwortet, erhält Mehmet I. den Krankenschein vom Sozialamt. Er soll sich von einem weiteren Arzt in die Fachklinik überweisen lassen.
Mehmet sucht einen Augenarzt in Lehrte auf. Dieser verweigert die Überweisung und verständigt das Sozialamt von seiner Entscheidung. Seiner Ansicht nach sei die Behandlung nicht »dringlich und unaufschieblich«. Er mache sich strafbar, wenn er das attestiere: »Mir geht es darum, Geld zu sparen.« Deutschland könne nicht das Sozialamt der ganzen Welt sein. Für den Fall, daß das Sozialamt dennoch Behandlungskosten übernehme, droht er mit Veröffentlichung im SPIEGEL oder im FOCUS. Das Sozialamt läßt sich unter Druck setzen und verweigert die Aushändigung des
Krankenscheins für die bereits in Aussicht gestellte Kostenübernahme. Der zwischen Ärzten ausgetragene Streit dreht sich um die Frage, ob und inwieweit die Nichtbehandlung von Mehmet zu Schädigungen des Auges führt. Was jedoch überhaupt nicht berücksichtigt wird, ist die Frage, welche anderen Folgen es für das Kind bereits jetzt hat, nur auf einem Auge sehen zu können. Die Probleme beginnen beim Schul- und Sportunterricht und hören bei der Frage der Sicherheit im Straßenverkehr nicht auf. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn das Kind auf dem Schulweg unter die Räder kommt?
Fall 2: Verweigerung eines Hörgerätes
Ein weiteres Beispiel für die Verweigerung von Heil- und Hilfsmitteln stellt der Fall des syrischen Flüchtlings N. dar. Dem Mann, der unter Tinnitus (extrem störende Dauergeräusche im Innenohr) und Schwerhörigkeit leidet, wurde ein Hörgerät verweigert. Sein erster Antrag auf Übernahme der Kosten für ein Hörgerät wurde unter Hinweis auf die damalige 1- Jahres- Frist abgelehnt. Nach Ablauf des Jahres stellte Herr N. erneut einen Antrag auf Gewährung der Hörhilfe, der jedoch nach Inkrafttreten des neuen Asylbewerberleistungsgesetzes erneut abgelehnt wurde. Im Ergebnis muß Herr N. mindestens vier Jahre darauf warten, um in der Bundesrepublik ein Hörgerät zu erhalten. Ein HNO- Arzt hat die Notwendigkeit des Hörgerätes bestätigt. Laut mündlicher Auskunft des Sozialamts werde jedoch »nur das Lebensnotwendige gewährleistet«. Nur wenn bei Nichtgewähren Folgeschäden zu befürchten seien, würde ein Hilfsmittel gewährt, und dies sei vorliegend nicht der Fall.
N. wohnt in einem Flüchtlingswohnheim in Hildesheim. Aufgrund seiner Schwerhörigkeit kann er sich mit seiner Umwelt praktisch nur schriftlich austauschen. Die Verweigerung eines Hörgerätes bedeutet für ihn die Isolation von seiner Umwelt für einen unzumutbar langen Zeitraum.
Fall 3: Bevormundung mit Hilfe elektrischer Regeln
Sehr geehrter Asylbewerber, ist bei einer elektrischen Anlage oder einem elektrischen Betriebsmittel ein Mangel festgestellt worden, das heißt, entsprechen sie nicht oder nicht mehr den elektrischen Regeln, so hat der Unter nehmer dafür zu sorgen, daß der Mangel unverzüglich behoben wird und, falls bis dahin eine dringende Gefahr besteht, dafür zu sorgen, daß die elektrische Anlage oder das elektrische Betriebsmittel in mangelhaftem Zustand nicht verwendet werden.«
Alles klar? Mit diesem Schreiben versucht das Sozialamt Oberhavel Asylsuchenden einer vom Kreis betriebenen Unterbringungseinrichtung in einfachen Worten zu erläutern, daß demnächst Kontrollen der Elektrogeräte durchgeführt werden. Damit wird eine Elektrofachfirma beauftragt, und die Kosten tragen natürlich die Einrichtungsbewohner und -bewohnerinnen. Schließlich gehört der Fön oder der Rasierapparat nicht der Einrichtungsleitung, sondern den Asylsuchenden! Und prüfen muß man, da gibt es nämlich eine »Unfallverhütungsvorschrift – elektrische Anlagen und Betriebsmittel« von 1978. Brandschutz ist ohne Zweifel wichtig, aber warum sollen die Geräte, die die Flüchtlinge in deutschen Geschäften kaufen, nicht den Sicherheitsvorschriften entsprechen? Die Überprüfung der Geräte kostet zum Beispiel für eine Kaffeemaschine oder ein Radio 8,– DM, für einen Fön 11,– DM oder einen Toaster 13,– DM. Und das sollen die Flüchtlinge nach Meinung der zuständigen Sachbearbeiterin des Sozialamtes Oranienburg von ihren 80,- DM im Monat alle halbe Jahre bezahlen. Bedenkt man, daß diese Menschen von diesen 80,– DM alles mögliche, wie zum Beispiel Telefonate, öffentliche Verkehrsmittel, aber auch gegebenenfalls eine rechtsanwaltliche Vertretung bezahlen müssen, so scheint doch das Aufbringen von z. B. 32,– DM für die drei oben genannten Geräte in einem einzigen Haushalt ziemlich viel. Das Sozialamt sieht das nicht so. Daß die Maßnahme schließlich scheitert, verdankt sich nicht der plötzlichen Einsicht des Sozialamts, sondern ihrer schlichten Undurchführbarkeit – sie ist einfach praktisch nicht durchsetzbar. Und nun zahlt das Landratsamt für die Überprüfung. Vorher allerdings hat man versucht, an den Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft auszuprobieren, wie weit man gehen kann. Die komische Seite der Geschichte sehen die Betroffenen gewiß nicht.
Fall 4: Der tägliche Mißbrauch beim Sockenkauf
Menschen denken. Menschen haben auch eine Würde. Zu dieser Würde gehört zum Beispiel die Entscheidungsfreiheit beim Einkauf. Wenn Menschen also Dinge einkaufen, die uns vielleicht nicht besonders nützlich erscheinen, so sollten wir doch davon ausgehen, daß sie sich etwas dabei gedacht haben. Meistens jedenfalls.
Im Landkreis Elbe- Elster sieht man das ganz anders. Dort wird im Frühjahr 1997 eine »Information« herausgegeben, was Asylsuchende, die Sachleistungen beziehen, alles kaufen »sollten« und was nicht. Die »Information« sei nur ein Richtwert, kein Muß, so das Sozialamt. In diesem Sinne ist der nachfolgende Satz allerdings nicht ganz verständlich: »Aus diesem Grunde können nachstehende Artikel monatlich nur in den angegebenen Mengen abgegeben werden.« Nach »Richtwert« klingt das nicht. Frau L. aus dem Sozialamt Herzberg legt fest, daß Asylsuchende pro Monat sechs Flaschen Spirituosen bis zum Gesamtwert von 50,– DM, 60 Büchsen Bier und 12 Pakete Kaffee pro Haushalt kaufen dürfen, aber z. B. nur 20,– DM für Bekleidung mit geringem Anschaffungswert ausgeben und nur eine Stange Zigaretten pro Person und Monat erstehen dürfen. Wo liegt da das Verhältnis? Vergleicht man die Geldmenge, die die Menschen für Alkohol und für Wäsche ausgeben »dürfen«, so müßte man daraus schlußfolgern, daß die Vertreterin des Sozialamtes mehr am Kauf von Alkohol als am Kauf anderer notwendiger Dinge interessiert ist. Sie begründet die »Richtwerte« damit, daß es ein Einkaufsverhalten bei Waren gebe, der nicht im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes sei. Mitunter könne man auch von Mißbrauch sprechen. Das bedeutet also, daß alle Asylsuchenden unter dieser Reglementierung zu leiden haben, weil es hie und da Menschen gibt, die vielleicht ungewöhnliche Mengen bestimmter Waren kaufen. Wer aber wagt es zu beurteilen, was andere für wichtig halten, solange sie dabei niemandem schaden? Es scheint so, als sehe man sich gerade dadurch, daß den Flüchtlingen durch das Asylbewerberlei stungsgesetz nur wenig Taschengeld belassen wird, auch noch herausgefordert, sie bezüglich des Wenigen, was sie noch mit Bargeld kaufen können, zu reglementieren. So wird das letzte Restchen an Selbstbestimmung auch noch Gegenstand behördlicher Erziehungsversuche. Die Würde der Betroffenen bleibt dabei auf der Strecke.
Fall 5: Eine Art Todesurteil
Turhan Y. ist ein kurdischer Flüchtling aus der Türkei. Er leidet seit längerem unter chronischer Hepatitis und wird medikamentös behandelt. Im November 1996 kommen seine behandelnden Ärzte zu dem Schluß, daß seine Krankheit lebensbedrohlich geworden ist und eine Behandlung mit Medikamenten keine weitere Aussicht auf Erfolg mehr hat. Nur eine Transplantation kann nach ärztlichem Dafürhalten das Leben des Patienten noch retten. Der zuständige Hochtaunuskreis lehnt die Kostenübernahme für die möglicherweise lebensrettende Lebertransplantation ab. Y. kann so nicht einmal auf die Liste derjenigen gesetzt werden, die auf ein Spenderorgan warten.
Mit Unterstützung eines Anwalts zieht Y. vor das Verwaltungsgericht. Niemand glaubt, daß die Behörde jemanden sehenden Auges in den Tod schicken darf. Und es geschieht: Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt interpretiert den Gesetzeswortlaut des Asylbewerberleistungsgesetzes restriktiv. Das Gericht vertritt die Auffassung, die Kosten für eine Lebertransplantation gehörten nicht zu den zu gewährenden Leistungen. Der Gesetzgeber habe definitiv gewollt, daß unaufschiebbare Behandlungen nicht zu den nach dem Gesetz zu gewährenden Leistungen gehören sollten, jedenfalls dann, wenn die zu grunde liegende chronische Erkrankung zum Zeitpunkt der Einreise des Flüchtlings bereits besteht. Mit der Frage, ob nicht Art. 1 Grundgesetz (die Würde des Menschen und seine körperliche Unversehrtheit) eine Behandlung gebietet, setzt sich das Gericht nicht auseinander.
Kirchengemeinden, der lokale Arbeitskreis Asyl Friedrichsdorf und PRO ASYL kritisieren die Haltung des Hochtaunuskreises und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Sie sei »eine Art Todesurteil«. Die örtlichen Unterstützerinnen und Unterstützer beginnen Spenden zu sammeln, um eine Transplantation möglich zu machen und versuchen parallel mit Öffentlichkeitsarbeit Druck auf den Kreis auszuüben. In die öffentli che Kritik geraten, korrigiert der Landrat schließlich die Entscheidung des Kreises. Y. kann auf die Warteliste für eine Spenderleber gesetzt werden.
Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack. Welche Entscheidungen werden Verwaltungsgerichte zum Asylbewerberleistungsgesetz noch treffen? Ist die körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde wirklich noch grundrechtlich geschützt oder gibt es nur noch eine »Menschenwürde mit Rabatt«?
In einem ähnlichen Fall in Bremen war der türkische Kurde Celal A. am 26. Juni 1995 gestorben, weil sich die Entscheidung über eine Kostenzusage für die lebensrettende Lebertransplantation monatelang verzögert hatte. Der bremische Staatsrat Dr. Hoppensack hatte dies einen »leider negativen eindrucksvollen Fall von organisierter Unverantwortlichkeit« genannt. Im Fall Y. allerdings ging es nicht mehr um behördliche Schlamperei unter Kostendämpfungsgesichtspunkten, sondern um gezielte Ausgrenzung unter Inkaufnahme eines möglicherweise tödlichen Ausgangs.
Fall 3 und 4: Tatort Schreibtisch – Wegweiser des alltäglichen Rassismus in Brandenburger Amtsstuben
Fall 5: PRO ASYL
Bernd Mesovic ist rechtspolitischer Referent von PRO ASYL.