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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1990 :::
10.10.1990

Medieninformation
Die Katze ist aus dem Sack


Die Katze aus dem Sack gelassen haben die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern mit ihrer erneuten Forderung nach Änderung von Artikel 16 Grundgesetz und der Abweisung von Zufluchtsuchenden an den Grenzen. Späth und Streibl nehmen damit billigend in Kauf, daß z.B. Menschen aus Sri Lanka und Libanon, die vor Krieg, Bürgerkrieg und Menschenrechtsverletzungen fliehen, in Gefahren für Leib und Leben zurückgeschickt werden. Die Gründe dieser Flüchtlinge fallen zwar nicht unter die restriktive Auslegung von Artikel 16 Grundgesetz, gleichwohl genießen sie bisher einen Abschiebeschutz aufgrund der Verpflichtung unserer Verfassung, Leib und Leben zu schützen und die Menschenrechte zu achten. Der erneute Vorstoß rüttelt damit nicht nur am Asylrecht. Er stellt in der Perspektive die Frage, ob die Grundrechte unserer Verfassung, z.B. die Verpflichtung, die Menschenwürde zu achten (Art. 1 GG) und die Rechtswegegarantie (Art. 19,4 GG), nur noch für Deutsche und nicht mehr für Flüchtlinge gelten.

Der Vorschlag, Länder festzulegen, in denen keine politische Verfolgung stattfindet, übergeht die Tatsache, daß es in Ländern, in denen es keine generelle Unterdrückungspolitik gibt, sehr wohl zur Verfolgung Einzelner kommen kann. Dies wird an einem Beispiel deutlich:

Es wird gesagt, daß es in Jugoslawien keine politische Verfolgung mehr gebe. Deshalb könnten jugoslawische Asylbewerber direkt an der Grenze zurückgewiesen werden. Diese Einschätzung verkennt aber die tatsächliche Menschenrechtssituation in Jugoslawien. Besonders im Kosovo kommt es nach wie vor zu Verhaftungen von Albanern, die sich für die Rechte ihrer Volksgruppe auf friedlichem Wege einsetzen. Nach dem Vorschlag zur Grundgesetzänderung würden diese politisch Verfolgten dann an der Grenze sofort zurückgewiesen. Für diese einzelnen politisch Verfolgten ist das Grundrecht auf Asyl abgeschafft.

Die Diskussion um Artikel 16 Grundgesetz ist eine Augenwischerei. Politiker täuschen damit die Öffentlichkeit. Selbst die Abschaffung von Artikel 16 Grundgesetz kann die Zuwanderung von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland nicht aufhalten. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, daß Flüchtlinge in ihrer Not immer wieder Wege zur Einreise finden. Die Bundesrepublik und die Staaten Europas erleben einen grundlegenden Wandel. Wenn Grenzen fallen, haben unterdrückte und in ihren Menschenrechten verletzte Personen neue Möglichkeiten zu flüchten. Dies ist eine Folge der von uns gewünschten Öffnung in Osteuropa. Wer unser Land von Flüchtlingen frei halten will, muß eine Mauer um Deutschland ziehen und sie mit Wachposten besetzen. Wer das will, soll es der Bevölkerung offen sagen.

Günter Burkhardt


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