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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV ASYL 1991 :::

BÜRGERINNEN UND BÜRGER
GEGEN AUSLÄNDERHASS

Rede von Herbert Leuninger

„Die Flüchtlinge schützen und die Republik retten“

Sollte das Kulturamt einen neuen Prospekt von Hofheim herausgeben, könnte es mit einer neuen Attraktion aufwarten: dem Hofheimer Nachtleben. Da pirschen sich zur Geisterstunde Hofheimer Bürger, wie sie sich selbst bezeichnen – maskiert – an ein Wohnheim für Flüchtlinge heran, um mit Pflastersteinen Furcht und Schrecken zu verbreiten. Etwa 40 kleinere Kinder und Jugendliche schlafen dort mit ihren Müttern und Vätern. Diese haben sie aus Verfolgung, Unterdrückung und Kriegswirren in dieses Land gerettet. Ein Teil von ihnen sind mittlerweile bereits als politische Flüchtlinge anerkannt. Jetzt zittern sie nachts vor einer erneuten Bedrohung. Tagsüber wagen sie sich kaum noch, das Haus zu verlassen.

Hofheimer Bürger, die offensichtlich die Plakate umzusetzen gedenken, die vor Wochen an allen Straßenecken in großen Lettern die Passanten ansprangen und vom vermeintlichen Asylmißbrauch kündeten. Terrorschwadronen glauben sich berufen, daraus und aus der hochgepeitschten Asyldiskussion, die nur Abwehr, Abschiebung und Internierung kennt, großdeutsche Konsequenzen ziehen zu müssen.

Wer nach Hoyerswerda die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat, wer nach Hoyerswerda, Saarlouis und Hünxen die Abwehrdiskussion gegen Flüchtlinge so weitergeführt hat wie bisher, wer sich auf Schnellverfahren und Internierungslager für Asylbewerber einigen konnte, ist mitschuldig an der Pogromstimmung in Deutschland.

Unsere Parteien werden nur noch von Wahlterminen wirklich angetrieben. So sind sie unfähig, die neue Herausforderung des Rechtsextremismus anzunehmen. Sie stoßen mit ihrer barbarischen Auseinandersetzung diese Republik immer tiefer in den Sumpf des Rassismus. Geschichtsvergessen lassen sie die Bundesrepublik und eine stimmlose Minderheit in höchste Gefahr geraten.

Was ist aus der Bundesrepublik geworden!?

Dieser Tage hat mich ein älterer Hitler-Junge aus Ulm in einem Telefonat aufgefordert, doch auszuwandern. Das würde ich gern, habe ich ihm geantwortet. Es fiele mir sehr schwer, mit Leuten wie seinesgleichen zusammenzuleben. Was ich ihm nicht gesagt habe, es wäre sein kleiner Triumph gewesen, daß ich auch nicht wüßte, wohin ich auswandern sollte.

Kürzlich hat der Club of Rome seine neue Studie „Die globale Revolution“ veröffentlicht. Darin kritisieren die 100 Wissenschaftler aus 53 Ländern die demokratischen Parteien. Ihre Tätigkeit kreise so sehr um Wahltermine und Rivalitäten, daß sie die Demokratie, der sie dienen sollten, damit inzwischen eher schädigten. (S. 69)

Dabei rechnet der Club of Rome damit, daß Bevölkerungsdruck, fehlende Chancengleichheit sowie Tyrannei und Unterdrückung Auswanderungswellen in Richtung Norden und Westen auslösen werden, die sich nicht mehr eindämmen ließen. (S. 42)

Er befürchtet eine deutliche Verschärfung des defensiven Rassismus in den Zielländern. Bei allgemeinen Wahlen könnte dieser rechtsgerichteten Diktatoren zur Macht verhelfen. Sein Rezept: mehr Entwicklungshilfe und ehrliche Information der Bevölkerung der reichen Länder hierüber. (S. 43)

Wollte ich also emigrieren, käme ich bestenfalls in ein Gemeinwesen, wo bereits Flüchtlinge leben, wo es Menschen gibt, die gegen Flüchtlinge eingestellt sind, wo es aber auch die anderen gibt, die sich mit ihnen solidarisieren, sogar mit ihnen zusammen Nachtwache halten, wenn ihnen Angriffe drohen. Dann spätestens würde mir klar, daß eine Auswanderung kaum einen Sinn hat und ich besser gleich in Hofheim bliebe mit Ihnen und den Flüchtlingen zusammen.

Dennoch müßte etwas Entscheidendes geschehen!

In den Stadtstaaten des alten Griechenlands war nur der ein Bürger, der imstande war, sein Gemeinwesen an einem anderen Ort neu entstehen zu lassen.

Ich halte angesichts des Versagens der Parteien nur den für eine Bürgerin und einen Bürger dieser Stadt und dieses Landes, der bereit ist, die Flüchtlinge zu schützen und damit diese Republik vor ihrem endgültigen Niedergang zu bewahren. Erforderlich wäre eine Art Rütli-Schwur, alles Menschenmögliche zu tun gegen ein 4. Reich und für eine erneuerte Republik!


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