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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV RADIO KURZPREDIGTEN 1968 ::: ARCHIV KIRCHE 1968 :::
Zuspruch am Morgen

Hessischer Rundfunk Frankfurt
Woche vom 7. – 12. Oktober 1968

RADIO KURZPREDIGTEN

Die Bibel als unwiederbringlicher Schatz


In dem Film „Fahrenheit 451“ wird gezeigt, wie in einem Staat der Besitz von Büchern strafbar geworden ist. Dort werden Bücher als überflüssig, ja als gefährlich angesehen, da sie die Ungleichheit unter den Menschen förderten. Bei denen, die nicht lesen, entstünden allzu leicht Minderwertigkeitsgefühle. Eine Beunruhigung durch eine kleine Minderheit, die noch liest, kann von der Mehrheit nicht geduldet werden; denn die Mehrheit hat keinerlei Interesse an Büchern. So werden Feuerwehrtrupps ausgerüstet, die den Büchern nachspüren und sie mit Kerosin verbrennen.

Wie sieht es bei uns aus? Das Bücherlesen soll ja hierzulande nicht zu den bevorzugten Hobbys zählen. Das dürfte auch das Lesen in der Bibel betreffen, obwohl diese mittlerweile spottbillig zu haben ist. Meiner Kenntnis nach wird herzlich wenig in der Schrift gelesen und noch weniger von ihr verstanden. Dabei ist einzuräumen, daß es vielleicht nie schwieriger war als heute, die Bibel zu verstehen. Ganz deutlich wurde mir dies bei einer Frau, der ich aus besonderem Anlaß ein Neues Testament geschenkt hatte. Nach Wochen begegnete ich ihr. Sie bedankte sich für das Buch, hatte auch darin gelesen, gestand aber, kaum etwas vom Sinn verstanden zu haben.

Das mag ein besonders krasser Fall sein. Er läßt sicher noch keinen Schluß zu, wie verbreitet die mangelnde Fähigkeit ist, sinnvoll in der Bibel zu lesen. Diese Unfähigkeit dürfte aber im Wachsen begriffen sein. Wenn denn die Bibel heute ein Buch mit sieben Siegeln zu werden droht, wird sie morgen ganz aus dem Bewußtsein der Menschen verschwinden. Was ist zu tun?

In dem erwähnten Film „Fahrenheit 451“ haben sich ein paar wenige Frauen und Männer dem Terror der Bücherverbrennung entzogen. Sie leben einzeln oder in Gruppen in den Wäldern. Auch sie mußten Bücher verbrennen, hatten diese aber zuvor noch gelesen. Jeder hatte sogar ein Werk der Weltliteratur auswendig gelernt und konnte es wortwörtlich aufzusagen. Auf diese Weise bilden sie eine lebendige Bibliothek. Ihr Ziel ist es, das wichtigste Gedankengut der Menschheit für den ersehnten Tag aufzubewahren, an dem wieder Bücher geschrieben und gelesen werden dürfen. Sie sind sich dessen bewußt, daß ohne sie unwiederbringliche Schätze der Menschheit für immer verloren gingen.

Noch besteht bei uns die Überzeugung, mit der Bibel ebenfalls einen unwiederbringlichen Schatz zu besitzen. Unsere Aufgabe ist es, auch unter größten geistigen Schwierigkeiten dieses kostbare Gut an die künftigen Generationen weiterzugeben. Dabei würde es aber nicht genügen, die Heilige Schrift einfach auswendig zu lernen, viel wichtiger wäre es, daß wir nicht aufhören, aus ihrem Geist zu leben. Das sind wir unseren Nachfahren schuldig. Es könnte nämlich ganz gut sein, daß sie neue, ungeahnte Seiten, die uns heute noch verschlossen sind, in der alten Bibel entdecken.


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