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Pressegespräch
19.05.1998

Die Ausländerpolitik neu gestalten –
Nein zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“

Vorstellung des Aufrufes

Wir brauchen einen grundlegenden Wechsel in der Ausländer- und Asylpolitik. Flucht und Migration gehören zu den zentralen Herausforderungen, denen sich eine neue Bundesregierung und ein neuer Bundestag zu stellen haben. Die Forderungen, die PRO ASYL heute gemeinsam mit dem Interkulturellen Rat und dem DGB der Öffentlichkeit vorstellt, betrachten wir als Kernelemente eines 100 Tage-Programms. Wir erwarten, daß jede neue Bundesregierung, gleich welcher Couleur, diese zentralen Forderungen umsetzt.

In Punkt 8 und 9 fordern DGB, Interkultureller Rat und PRO ASYL:

„Im Asylrecht ist zum völkerrechtlichen Mindeststandard zurückzukehren, wie er in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegt ist. Dazu gehört die Akzeptanz von nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund und eine Verbesserung der Einzelfallprüfung und des Rechtsschutzes. Frauenspezifische Fluchtgründe sind anzuerkennen. Der besonderen Situation von unbegleiteten Minderjährigen und Folteropfern ist Rechnung zu tragen.

Die monatelange, bis zu eineinhalb Jahren dauernde Abschiebungshaft ist abzuschaffen. Für einen demokratischen Rechtsstaat ist es völlig ausreichend, Abzuschiebende kurzfristig und vorübergehend festzuhalten, wenn die Abschiebung anders nicht gesichert werden kann.“

Nur Satz 1 dieser Forderungen möchte ich erläutern:

Heute stehen wir vor der Situation, daß die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention nur noch eingeschränkt in Deutschland zur Anwendung kommen:

Wo kein Staat ist, kann es auch keine politische Verfolgung geben – sagt das Bundesverwaltungsgericht.

In einem Grundsatzurteil zum Fall eines Flüchtlings aus Afghanistan hat das Bundesverwaltungsgericht am 4. November 1997 entschieden, daß dem Betroffenen und in der Folge fast allen Flüchtlingen, die aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland fliehen, der asylrechtliche Schutz zu verweigern ist. Obwohl das Gericht sieht, daß der Flüchtling – wie viele seiner Landsleute – als hoher Funktionär des früheren kommunistischen Regimes inzwischen überall im Lande mit lebensbedrohender Verfolgung rechnen muß, verweigert es ihm den Schutz des Asylrechts. Auch den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention, das sogenannte Kleine Asyl des § 51 Abs. Satz 1 Ausländergesetz, soll er nicht erhalten.

Obwohl die Taliban-Milizen seit September 1996 rund Dreiviertel des Staatsgebiets erobert haben, das sie seitdem stabil halten und sogar erweitern konnten, fehlt es nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts an der für „staatsähnliche Organisationen geforderten Stabilität und Dauerhaftigkeit der Ausübung von Gebietsgewalt. Da das Asylrecht nicht vor den Folgen eines Bürgerkriegs schützt, können Bürgerkriegsflüchtlinge in der Regel nicht als Asylberechtigte anerkannt werden.“

Dieses Urteil ist ein Skandal. Schutzbedürftigen Menschen wird der Schutz verweigert. Dies steht in krassem Gegensatz zur Genfer Flüchtlingskonvention.

In Art. I A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist definiert, wer nach der Flüchtlingskonvention geschützt werden soll. Ein Flüchtling ist jede Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann…“

In der Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht davon die Rede, daß eine Verfolgung nur vom Staat ausgehen muß. Nicht die Sicht des Staates ist für die Flüchtlingskonvention bestimmend, sondern die begründete Furcht des Flüchtlings. Wer Schutz vor Verfolgung braucht, soll diesen Schutz erhalten, von wem auch immer die Verfolgung ausgeht. Entscheidend ist nicht, wer den Flüchtling verfolgt, sondern aus welchen Gründen.

In ähnlicher Weise wird die Europäische Menschenrechtskonvention unterlaufen.

Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention sagt: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Hier ist nicht davon die Rede, wer der Urheber der Folter oder der erniedrigenden Behandlung ist.

Doch auch hier setzt sich in Deutschland eine Rechtsprechung durch, wonach die Europäische Menschenrechtskonvention nicht mehr zur Anwendung kommt, wenn keine Staaten vorhanden seien (z.B. Somalia) und dies, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen genau die gegenteilige Auffassung vertreten hat.

PRO ASYL fordert, daß die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention in Deutschland wieder uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Hierfür sind konkrete Gesetzesänderungen erforderlich.

gez Günter Burkhardt

Geschäftsführer


Die Wahlprogramme der Parteien

Kurzprogramm von Bündnis 90/Die Grünen

Auszug

„Wir setzen uns für einen verbesserten Schutz von Flüchtlingen ein. Der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention muß wieder volle Geltung verschafft werden. Dafür muß das Asylverfahrensgesetz geändert werden. Folter, geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen sowie die Verfolgung von Homosexuellen wegen ihrer sexuellen Identität sind als politische Verfolgung anzuerkennen. Wir treten für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ausländischer EhepartnerInnen ein. Die Ausgrenzung durch das Asylbewerberleistungsgesetz muß beendet werden. Hier geborene und aufwachsende Kinder und Jugendliche dürfen nicht abgeschoben werden.“


Vorlage des CDU-Bundesvorstandes
an den 10. Parteitag der CDU Deutschlands

vom 17. – 19. Mai 1998 in Bremen

Auszug

„Probleme erwachsen der Bundesrepublik Deutschland aus den Wanderungsbewegungen in die wirtschaftlich starken Staaten Westeuropas. Dem Mißbrauch unseres weltweit einmaligen Asylrechts sind wir mit der Asylrechtsreform 1993 erfolgreich entgegengetreten. Wir wollen auch weiterhin politisch Verfolgten Schutz gewähren. Die Fähigkeit hierzu hängt aber auch davon ab, ob es uns gelingt, den Zuzug unter mißbräuchlicher Berufung auf Asyl zu unterbinden.“


Entwurf eines Wahlprogramms der FDP

Auszug

Antrag zum 49. ord. Bundesparteitag der F.D.P.,
Leipzig, Messe, 26. – 28.06.1998

Flüchtlingspolitik

Nach der Neuregelung des Asylrechts vom 1.7.1993 sollen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die vorübergehend in Deutschland Schutz suchen, einen asylverfahrensunabhängigen Aufenthaltsstatus mit einem befristeten Bleiberecht erhalten. Die F.D.P. fordert deshalb Bund und Länder auf, die Blockade dieser Regelung über den besonderen Status der Bürgerkriegsflüchtlinge aufzugegeben und damit zu verhindern, daß Bürgerkriegsflüchtlinge das für sie nicht gedachte Asylverfahren in Anspruch nehmen. Bürgerkriegsflüchtlinge genießen aufgrund der Situation in ihrer Heimat unseren befristeten Schutz; sie müssen aber zurückkehren, wenn die Bürgerkriegssituation nicht mehr besteht.

Darüber hinaus spricht sich die F.D.P. dafür aus, sowohl die teils menschenunwürdigen Modalitäten der Abschiebehaft als auch den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in geeigneter Form zu verbessern.

Im übrigen kann es nicht richtig sein, daß Entwicklungsländer, die völkerrechtlich verpflichtet sind, ihre in Deutschland straffällig gewordenen Staatsbürger wieder aufzunehmen, sich permanent dieser Verantwortung entziehen, gleichzeitig aber deutsche Entwicklungshilfe erwarten. Unsere Partnerstaaten müssen hier ihrer Verantwortung nachkommen. Bei mangelnder Kooperation muß konsequent von der Möglichkeit der Kürzung bzw. Streichung von Entwicklungshilfegeldern Gebrauch gemacht werden. “


Beschluß des außerordentlichen Parteitages der SPD
am 17. April 1998 in Leipzig

SPD-Programm für die Bundestagswahl 1998

Auszug

„Zuwanderung sozialverträglich steuern

Deutschland ist ein weltoffenes Land. Wir wollen die Integration der bei uns lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich zu unseren Verfassungswerten bekennen. Mit ihrer Arbeitskraft, ihren Steuerzahlungen, ihrem Beitrag zum sozialen Sicherungssystem tragen sie zu unserem Wohlstand bei und bereichern unsere Gesellschaft sozial und kulturell.

Kernstück einer erfolgreichen Integrationspolitik ist die Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts. Dazu gehört, daß die in Deutschland geborenen Kinder von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn schon die Mutter oder der Vater in Deutschland geboren worden ist.

Das Ausländerrecht ist human und sozial auszugestalten.

Integration kann nur gelingen, wenn die Grenzen der Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft beachtet werden. Deshalb wollen wir eine wirksame gesetzliche Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung. Sie muß die Arbeitsmarktlage, die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme und humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigen.

Flüchtlinge und Zuwanderer sind unterschiedliche Personengruppen. Wer politisch verfolgt ist, hat Anspruch auf Schutz.“


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