Herbert Leuninger
Der Leitbegriff „Kohärenz“
und die EU-Aktionspläne
Kohärenz Innen- und Aussenpolitik
Der Leitbegriff „Kohärenz“ und die EU-Aktionspläne (animierte Folien)
- Mandat der Hochrangigen Gruppe
- Stand der Arbeiten der Hochrangigen Gruppe „Asyl und Migration“
- Asylbewerber und Zuwanderer – das Europäische Parlament
- Analyse Marokko
- Analyse Irak
- animierte Folien
RESSOURCEN
siehe auch: Asylpolitik in der EU – Tagung in der Evangelischen Akademie Arnoldshein 2000
In diesem Sinn meint „Kohärenz“ eine mit anderen Bereichen abgestimmte Politik. Vor allem geht es um die Abstimmung zwischen Innen- und Außenpolitik.
Mandat der Hochrangigen Gruppe
1. Im Anschluß an eine Initiative der niederländischen Delegation vom 7./8. Dezember 1998 (Dok. 13344/98 JAI 37 AG 15) hat der Rat eine Hochrangige Gruppe „Asyl und Migration“ eingesetzt, die ein gemeinsames, integriertes und säulenübergreifendes Konzept zur Situation in den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern von Asylbewerbern und Zuwanderern ausarbeiten soll. Der Rat vereinbarte insbesondere, daß der AStV nach Anhörung der Mitglieder der Hochrangigen Gruppe das Mandat und die Organisationsstruktur dieser Gruppe vorschlagen und dem Rat im Januar 1999 zur Genehmigung vorlegen wird (Nummer 2 der Schlußfolgerungen des Rates). Er kam ferner überein, daß die Hochrangige Gruppe dem Rat spätestens im März 1999 einen Vorschlag für ein Verzeichnis der Herkunfts- und Transitländer von Asylbewerbern und Zuwanderern vorlegt, für die Aktionspläne im Hinblick auf die Anwendung eines integrierten, säulenübergreifenden Konzepts ausgearbeitet werden (Nummer 3 der Schlußfolgerungen des Rates).
2. Die Hochrangige Gruppe „Asyl und Migration“ hat in ihren Sitzungen vom 17. Dezember 1998 und 11. Januar 1999
a) Einigkeit über den im Anhang wiedergegebenen Entwurf eines Mandats erzielt;
b) Einigkeit erzielt, daß hinsichtlich Nr. 1 b und c des Mandats in folgenden Schritten vorgegangen werden soll:
(1) Bestimmung der Länder, aus denen die meisten Asylbewerber und Zuwanderer in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen;
(2) Festlegung der Kriterien für die Auswahl der Länder, für die ein Aktionsplan erstellt werden soll (unter anderem Zuwanderungs- und Asylstatistik, geografische Ausgewogenheit, Erfolgsaussichten für die Umsetzung eines Aktionsplans, Konsens unter den Mitgliedstaaten);
(3) Erstellung eines Verzeichnisses der Aktionspläne für ausgewählte Länder.
3. Folgende Länder wurden für die Erstellung eines Aktionsplans ausgewählt:
– Afghanistan/Pakistan
– Albanien und Nachbarregion
– Marokko
– Somalia
– Sri Lanka.
Darüber hinaus soll eine Evaluierung der Ergebnisse erfolgen, die mit dem EU-Aktionsplan betreffend den Zustrom von Zuwanderern aus Irak und den Nachbargebieten bisher erzielt worden sind. Dieser Aktionsplan wird im Einvernehmen mit dem K.4-Ausschuß und dem Politischen Komitee fortgeführt.
4. Der Rat könnte
– das Mandat nach dem im Anhang enthaltenen Entwurf,
– das unter Nr. 2 b beschriebene Verfahren und
– die unter Nr. 3 wiedergegebene Länderauswahl
zur Kenntnis nehmen und billigen.
ANLAGE
Entwurf eines Mandats der hochrangigen Gruppe „Asyl und Migration“
1. Aufgaben
a) Erstellung eines Verzeichnisses und Prüfung bestehender Initiativen wie etwa Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik, Aktionsplan betreffend den Zustrom von Zuwanderern aus Irak und den Nachbargebieten, vorhandene (nationale) Länderberichte, Länderberichte der Missionsleiter, Länderberichte des UNHCR, Analysen und Statistiken des CIREA und des CIREFI, mehrjährige Arbeitsprogramme im JI-Bereich, Rückübernahmeklauseln usw.
b) Erstellung eines Verzeichnisses der wichtigsten Herkunfts- und Transitländer von Asylbewerbern und Zuwanderern.
c) Ausarbeitung eines Aktionsplans für einige der unter Buchstabe b genannten Länder, der einige oder alle der folgenden Punkte umfaßt:
I) gemeinsame Analyse der Ursachen des Zustroms unter Zugrundelegung einer aktuellen Analyse der politischen Lage und der Menschenrechtslage in dem betreffenden Land sowie einer aktuellen Analyse der Migrations- und Flüchtlingsprobleme;
II) unter Berücksichtigung der etwaigen Effizienz von Hilfen zur Prävention der Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen: Möglichkeiten für eine Verstärkung der gemeinsamen Entwicklungsstrategie zwischen der EG und (falls sie dies wünschen) ihrer Mitgliedstaaten und dem betreffenden Land und/oder den Nachbarländern und für entsprechende Vorschläge;
III) Ermittlung des Bedarfs auf dem Gebiet der humanitären Hilfe und der Wiederaufbau-Hilfe, einschließlich Hilfeleistungen bei der Aufnahme vertriebener Personen in der Region; anhand des ermittelten Bedarfs könnten sodann konkrete Vorschläge für die Ausführung der betreffenden Hilfeleistungen entsprechend den geltenden Genehmigungsverfahren für Hilfeleistungen gemacht werden;
IV) Vorschläge für die Intensivierung der politischen/diplomatischen Konsultationen mit dem betreffenden Land und/oder den Nachbarländern;
V) Angabe der Möglichkeiten oder aber des Sachstands im Hinblick auf die Aufnahme von Rückübernahmeklauseln in ein Assoziationsabkommen und/oder ein anderes gemischtes Abkommen mit dem betreffenden Land;
VI) Angabe der Möglichkeiten für den Abschluß eines EG-Rückübernahmeabkommens mit dem betreffenden Land nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam, wobei bestehende bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten und diesem Land zu berücksichtigen sind;
VII) Angabe der Möglichkeiten für die Schaffung, Aufrechterhaltung und Verbesserung von Aufnahme- und Schutzstrukturen in der Region;
VIII) Angabe, ob eine sichere Rückkehr in das Herkunftsland möglich ist oder ob interne Wohnsitzalternativen bestehen;
IX) Ausarbeitung von Vorschlägen für gemeinsame Maßnahmen in den Bereichen Asyl und Migration einschließlich Informationskampagnen in den Herkunfts- und Transitländern sowie zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität mit besonderer Berücksichtigung der polizeilichen Zusammenarbeit im Hinblick auf einen Informationsaustausch zum Zwecke einer effizienten Bekämpfung krimineller Schleuserorganisationen;
X) Sondierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Erleichterung der freiwilligen Rückkehr;
d) Angabe der Möglichkeiten einer Verstärkung der Zusammenarbeit mit dem UNHCR sowohl im Hinblick auf die Analyse der Lage in dem betreffenden Land als auch hinsichtlich der Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in der Region.
e) Angabe der Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit zwischenstaatlichen, Regierungsund Nichtregierungsorganisationen in dem betreffenden Land und/oder in den Nachbarländern.
2. Organisatorische und verfahrensspezifische Aspekte im Einklang mit den üblichen Vertragsverfahren
Die hochrangige Gruppe wird
I) sich aus hochrangigen Beamten als Vertretern jedes Mitglieds des Rates und der Kommission zusammensetzen;
II) so oft wie erforderlich in Brüssel zusammentreten;
III) über den Vorsitz von den zuständigen Arbeitsgruppen im Rahmen der verschiedenen Säulen Beiträge für ihre Arbeit anfordern;
IV) dem AStV regelmäßig über die Fortschritte Bericht erstatten;
V) andere zuständige Gremien, einschließlich des K.4-Ausschusses und des Politischen Komitees, über ihre Arbeit unterrichten;
VI) dem Rat spätestens im März 1999 einen ersten Bericht, der einen Vorschlag für ein Verzeichnis der Herkunfts- und Transitländer von Asylbewerbern und Zuwanderern mit einer Angabe der Auswahlkriterien enthält, zur Billigung vorlegen;
VII) dem Rat vor der Sondertagung des Europäischen Rates im Oktober 1999 in Tampere einen Schlußbericht mit Aktionsplänen für diese Länder im Hinblick auf die Umsetzung eines integrierten säulenübergreifenden Konzepts zur Billigung vorlegen;
VIII) nach Vorlage ihres Schlußberichts aufgelöst, sofern der Rat nichts anderes beschließt;
IX) vom Generalsekretariat des Rates administrativ und logistisch unterstützt.
Stand der Arbeiten der Hochrangigen Gruppe „Asyl und Migration“
21/06/99
Der Allgemeine Rat hat am 7./8. Dezember 1998 eine Hochrangige Gruppe „Asyl und Migration“ eingesetzt und deren Mandat am 25./26. Januar 1999 gebilligt. Sie soll für ausgewählte Länder erstmals säulenübergreifend, unter Berücksichtigung der politischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und humanitären Zusammenarbeit, Aktionspläne mit dem Schwerpunkt Migrations- und Asylpolitik entwickeln. Die Gruppe wird – nach Billigung durch AStV und Allgemeinen Rat – dem Sonder-ER am 14./15. Oktober 1999 in Tampere ihren Abschlußbericht mit den Aktionsplänen vorlegen. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat das Europäische Parlament mit Schreiben vom 3. März 1999 über das Mandat der Gruppe unterrichtet. Der Vorsitz hat außerdem dem JI-Rat am 27./28. Mai 1999 einen Bericht über den Stand der Arbeiten erstattet.
Mandatsgemäß hat die Gruppe für fünf Staaten mit regionalem Ansatz sowie in Fortschreibung des EU-Aktionsplans betreffend den Zustrom von Zuwanderern aus dem Irak und den Nachbargebieten vom 26. Januar 1998 Entwürfe von Aktionsplänen erstellt. Sie wurden von folgenden Mitgliedstaaten als Koordinatoren vorbereitet:
– Albanien und Nachbargebiete (Italien/Österreich)
Mit Beginn des Kosovo-Konflikts hatte die Gruppe die Arbeiten an diesem Aktionsplan vorübergehend eingestellt, um die Lageentwicklung abzuwarten. Nach der nunmehr erfolgten Einigung mit Jugoslawien und der Verabschiedung der entsprechenden VN-Sicherheitsratsresolution wird dieser Aktionsplan mandatsgemäß erarbeitet.
– Afghanistan und Nachbargebiet (Niederlande)
– Marokko (Spanien)
– Somalia (Schweden)
– Sri Lanka (Vereinigtes Königreich).
– Irak (Deutschland)
Die Gruppe tagte zuletzt am 10./11. Juni 1999. Ihre letzte Sitzung unter deutscher Präsidentschaft wird am 25. Juni 1999 stattfinden. Die finnische Präsidentschaft wird die Aktionspläne gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission bis zum Sondergipfel in Tampere aktualisieren.
Gegenstand der Aktionspläne ist vor allem die Analyse der politischen, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Situation sowie der Migrations- und Fluchtursachen in den ausgewählten Ländern. Die Aktionspläne enthalten konkrete, operative Vorschläge für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen für eine verstärkte politische, entwicklungspolitische, wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit mit den jeweiligen Staaten, wobei unter Berücksichtigung der Anliegen vor allem des UNHCR ein besonderer Schwerpunkt bei der Lösung der Migrationsproblematik, insbesondere der illegalen Zuwanderung und des illegalen Aufenthaltes liegt.
Die Hochrangige Gruppe arbeitet mandatsgemäß auch eng mit dem UNHCR, IKRK, IOM und Nicht-Regierungsorganisationen zusammen. Beiträge dieser Organisationen sind in den Aktionsplänen berücksichtigt.
Sichtbares Beispiel für die enge Kooperation mit einem Herkunftsstaat war der Besuch einer Delegation der Gruppe vom 3.-5. Juni 1999 in Marokko. Dort führte sie Gespräche mit hochrangigen Vertretern (unter ihnen fünf Minister) der marokkanischen Regierung und dortiger Organisationen. An diesen Gesprächen unter deutschem Vorsitz nahmen die künftige finnische Präsidentschaft, Spanien als Koordinator für den Marokko-Aktionsplan, Frankreich sowie die EU-Kommission und das Ratssekretariat teil. Ferner fand in Brüssel ein Treffen mit dem Botschafter von Sri Lanka statt.
„Die Aktionspläne enthalten konkrete, operative Vorschläge für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen für eine verstärkte politische, entwicklungspolitische, wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit mit den jeweiligen Staaten, wobei unter Berücksichtigung der Anliegen vor allem des UNHCR ein besonderer Schwerpunkt bei der Lösung der Migrationsproblematik, insbesondere der illegalen Zuwanderung und des illegalen Aufenthaltes liegt.“
Das Europäische Parlament
Protokoll vom 30/03/2000 – vorläufige Ausgabe
Asylbewerber und Zuwanderer
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Asylbewerbern und Zuwanderern: Aktionspläne für die Herkunfts- und Transitländer – Hochrangige Gruppe „Asyl und Migration (C5-0159/99 – C5-0160/99 – C5-0161/99 – C5-0162/99 – C5-0163/99 – C5-0164/99 – C5-0165/99 – C4-0133/99 – 1999/2096(COS))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft insbesondere Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d, Artikel 13 und 14 sowie Titel IV und den Vertrag über die Europäische Union insbesondere die Artikel 2 und 6 und Titel VI,
– unter Hinweis auf das Mandat der Hochrangigen Gruppe „Asyl und Migration „, Aktionspläne für die wichtigsten Herkunfts- und Transitländer von Asylbewerbern und Zuwanderern auszuarbeiten (C4-0133/99),
– in Kenntnis der Aktionspläne für die Länder Sri Lanka (C5-0160/99), Somalia (C5-0161/99), Afghanistan (C5-0162/99), Irak (C5-0163/99) und Marokko (C5-0164/99) sowie des Zwischenberichts über Albanien (C5-0165/99),
– unter Hinweis auf den Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (1),
– in Kenntnis der Schlußfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 1999 in Tampere, insbesondere der Ziffern 2, 3, 4, 8 und 11 bis 27,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Themen Immigration und Asyl, insbesondere die Entschließung vom 21. September 1995 (2) und die Entschließung vom 13. April 1999(3),
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik und des Haushaltsausschusses (A5-0057/2000) [Link zu dieser Seite nicht mehr existent],
A. in der Erwägung, daß der Rat trotz der im Vertrag von Amsterdam geforderten Vergemeinschaftung der Einwanderungs- und Asylpolitiken in diesem Bereich weiterhin eindeutig zum zwischenstaatlichen Vorgehen der dritten Säule tendiert, was einer Logik der Intransparenz folgt, die in der Vergangenheit vielfach kritisiert worden ist, und daß sich diese Tendenz in der Entscheidung des Rates geäußert hat, eine hochrangige Gruppe einzusetzen, die keiner demokratischen Kontrolle unterzogen werden konnte,
B. in der Erwägung, daß der integrierte, säulenübergreifende Ansatz der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Behandlung von Fragen der Einwanderung und des Asyls, insbesondere was ihre Beziehungen zu den Herkunfts- und Transitländern angeht, an sich nicht den Verträgen entgegensteht und positive Ergebnisse zeitigen kann,
C. in der Erwägung, daß dieser Ansatz im Einklang mit den tatsächlichen Beziehungen zwischen inneren Angelegenheiten, Außenpolitik, Politik für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit, Handelspolitik, Sozialpolitik und sonstiger Politik der Mitgliedstaaten der Union steht,
D. in der Überzeugung, daß Pläne, die sich mit Fragen in den Bereichen Asyl und Migration mit besonderer Bezugnahme auf bestimmte Drittländer beschäftigen, im Kontext der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu sehen sind und sich nicht nur auf diese Länder beziehen dürfen, sondern regionale bzw. weitreichendere Aspekte berücksichtigen müssen,
E. in der Erwägung, daß zur Erprobung dieses säulenübergreifenden Ansatzes von den Mitgliedstaaten der Union sechs sich sehr voneinander unterscheidende Staaten als herausragende Beispiele für Herkunfts- und/oder Transitstaaten für eine große Zahl von Asylbewerbern und Zuwanderern ausgewählt wurden, die in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten strömen, wobei diese Auswahl auf objektiven Kriterien beruhte, aber auch auf subjektiven Überlegungen, bei denen nicht auf die potentielle Mitwirkung des Europäischen Parlaments oder der Kommission Rücksicht genommen, sondern vielmehr einer die bilateralen Beziehungen begünstigenden Logik gefolgt wurde,
F. in der Erwägung, daß die von der Gruppe ausgearbeiteten Aktionspläne unter dem Aspekt der darin enthaltenen Daten und der Analyse der Situation in dem betroffenen Staat zwar nützlich sind, aber nicht wirklich einen politischen Beitrag oder einen gemeinschaftsspezifischen Zusatzbeitrag zur Lösung der Probleme leisten, die weiterhin Ursache von Zuwanderung und Nachfrage nach Asyl sind,
G. in der Erwägung, daß die statistischen Angaben über das Phänomen der Zuwanderung und die Nachfrage nach Asyl oder anderen Formen internationalen Schutzes noch unvollständig sind und sich nicht auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Union vergleichen lassen und daß Eurostat bisher noch nicht in der Lage ist, einigermaßen die Mängel auszugleichen, die auf diesem Gebiet für die europäischen Institutionen bestehen, die die genannten Angaben bräuchten, um ihre Entscheidungen besser zu stützen,
H. in der Erwägung, daß die Träger der politischen Verantwortung und die wichtigsten gesellschaftlichen Kreise in den betroffenen Staaten noch nicht ausreichend konsultiert oder an der Ausarbeitung der Pläne beteiligt worden sind, was nicht viel Erfolg für deren Durchführung erwarten läßt,
I. in der Erwägung, daß mit den Aktionsplänen ein optimaler Ausgleich zwischen Sicherheits-/Vorbeugemaßnahmen und Aufnahme- bzw. Integrationsmaßnahmen hätte angestrebt werden müssen, um in kohärenter Weise mit einem pfeilerübergreifenden Ansatz das Mandat der Gruppe wahrzunehmen,
J. in der Erwägung, daß der Menschenrechtsaspekt integraler Bestandteil einer der Annahme der Aktionspläne vorausgehenden Erörterung hätte sein müssen, ebenso die Durchführungstätigkeit, die mit dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit einhergehen muß,
K. unter nachdrücklichem Hinweis darauf, daß diese Aktionspläne zwar insbesondere im Hinblick auf die Behandlung von Fragen ausgearbeitet wurden, die die Bereiche Asyl und Migration, die Beziehungen der Union zu den betroffenen Ländern und insbesondere den Wunsch der Union betreffen, die Demokratisierung und Wahrung der Menschenrechte zu fördern, daß sie aber eine weit über diese Fragen hinausgehende Bedeutung besitzen;
L. unter Hinweis darauf, daß die angenommenen Aktionspläne Inkohärenz und Mängel erwarten lassen, und zwar bezüglich der Zuständigkeiten und Aktionsmittel für die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten, der Finanzierung der Tätigkeiten – insbesondere derjenigen im Bereich Justiz und Inneres – und des Zeitplans für die Durchführung,
M. in der Erwägung, daß es, um die Analyse der Lage und die Ausarbeitung von Maßnahmen in bezug auf andere Herkunfts- und Transitstaaten wirkungsvoller vornehmen zu können, angebracht wäre, die Ausrichtung auf die ersten sechs ausgewählten Staaten zu korrigieren anhand der in dieser Entschließung enthaltenen und der von der Kommission gegebenenfalls noch vorgelegten Vorschläge,
N. in der Erwägung, daß die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen einige Daten aus ihrem Bericht „Substitutionsmigration – eine Lösung für die Überalterung und den Rückgang der Bevölkerung?“ bekanntgegeben hat, wonach die Bevölkerung in Europa stark zurückgeht (in Italien beispielsweise von derzeit 57 Millionen auf 41 Millionen im Jahr 2050), die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in Europa deutlich sinkt (in Italien beispielsweise von derzeit 39 Millionen auf 22 Millionen im Jahr 2050), der Überalterungsprozeß der Bevölkerung in Europa relativ rasch voranschreitet (in Italien wird sich beispielsweise das Durchschnittsalter der Bevölkerung von derzeit 40 Jahren auf 53 im Jahr 2050 erhöhen) und der Bevölkerungsanteil der über 65jährigen stark ansteigt (in Italien wird sich ihr Anteil beispielsweise von derzeit 18% auf 35% im Jahr 2050 erhöhen),
O. in der Erwägung, daß legale und illegale Einwanderer in der Industrie, in der Landwirtschaft, im Baugewerbe, im Haushalt, im Pflegebereich und im Einzelhandel zu einem großen Teil Arbeitsplätze eingenommen haben, die von Europäern aufgegeben oder abgelehnt wurden oder mit einem hohen Risiko verbunden sind, und damit einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung in Europa geleistet haben,
P. in der Erwägung daß das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 23. März 1999 (4) zu dem Pilotprojekt des Aktionsplans für den Irak und die Nachbargebiete Stellung genommen hat und es bisher noch nicht vom Rat über die Durchführung und Auswertung dieses Projekts unterrichtet wurde,
1. erkennt unter Berücksichtigung der in den Verträgen verankerten neuen Ziele der Union die Zweckmäßigkeit des säulenübergreifenden Ansatzes für die Gestaltung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern der Asylbewerber und der Migranten an;
2. ist der Auffassung, daß die Auswahl der ersten sechs betroffenen Staaten sicherlich interessant ist und strategische Bedeutung hat, fordert aber zugleich die Organe der Union dringend auf, in Zukunft ihre Auswahl an einem gemeinschaftlichen Ansatz auszurichten, bei dem vor allem
– der institutionellen Rolle des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission Rechnung getragen werden kann, insbesondere in bezug auf das Europäische Parlament; fordert noch einmal, daß bei den künftigen Aktionsplänen vorab eine Konsultation des Parlaments vorgenommen wird und daß diese Konsultation nicht in einem Gesamtpaket erfolgt, sondern in einer Weise, die eine eingehendere Analyse und damit die Verabschiedung angemessener Maßnahmen gestattet;
– vorab in den betroffenen Staaten eine Debatte mit Beteiligung der Bürgergesellschaft geführt werden kann;
– die Staaten bevorzugt werden können, bei denen angesichts des zufriedenstellenden Niveaus an politischer Stabilität und des Vorhandenseins demokratischer und repräsentativer Regierungen konkrete Aussichten auf sektorübergreifende Zusammenarbeit bestehen, wobei zunächst der politische und gesellschaftliche Dialog zu vertiefen ist;
3. ist der Auffassung, daß trotz der Tatsache, daß der Gegenstand dieses Vorschlags sowohl die Säule des gemeinschaftlichen Vorgehens als auch die Säule des zwischenstaatlichen Vorgehens umfaßt, jede mit einem Drittland getroffene Vereinbarung, sei diese von handelspolitischem oder jedem sonstigen Inhalt, Bestandteil der auswärtigen Politik der Europäischen Union ist, und weist die Kommission und den Rat darauf hin, daß das Europäische Parlament konsultiert werden muß, damit es in jedem einzelnen Fall seine Stellungnahme abgibt;
4. verurteilt die Tatsache, daß die Aktionspläne für die ersten ausgewählten Länder, auch wenn sie als Zusammenstellung von Daten und allgemeinen Informationen beachtlich sind, keinen echten gemeinschaftlichen Mehrwert schaffen, insbesondere was die politische Zusammenarbeit in inneren Angelegenheiten betrifft;
5. unterstreicht den Mangel an politischem Realitätssinn des Ansatzes, der in dem Instrument der Rücknahmevereinbarungen die einzige Lösung für das Phänomen der illegalen Einwanderung sieht, und die wegen ihrer politischen Instabilität bestehende Schwierigkeit, Rücknahmevereinbarungen mit den ausgewählten Ländern abzuschließen; will mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit über den künftigen Rückgriff auf die Musterrückführungsklausel im Zusammenhang mit den Abkommen der Gemeinschaft und den gemischten Abkommen wachen, um jedweden Automatismus zwischen der Entwicklungszusammenarbeit und der Zustimmung zur Rücknahmeklausel zu vermeiden; ist der Auffassung, daß die Union langfristige strukturelle Maßnahmen vorsehen sollte, um vor allem die Ursachen der Migration anzugehen;
6. erklärt sich besorgt über das in den Aktionsplänen bestehende Ungleichgewicht zwischen dem Aspekt Bestrafung und dem Aspekt Integration, da sich dieses Ungleichgewicht in absehbarer Zeit sogar als den Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuwiderlaufend erweisen kann;
7. lehnt die Konzipierung von Maßnahmen ab, bei denen keine kohärente Unterscheidung zwischen den Bereichen Einwanderung und Asyl im eigentlichen Sinne getroffen wird;
8. ist überzeugt, daß die Aktionspläne nur dann zu positiven Ergebnissen führen werden, wenn sie in eine globale Entwicklungs-, Handels-, Asyl- und Migrationspolitik integriert werden;
9. verlangt, an der Festlegung und Anwendung der zur Durchführung der Aktionspläne notwendigen konkreten Maßnahmen sowie an der späteren Bewertung ihrer Funktionsweise eng beteiligt zu werden;
10. fordert, daß Garantien geschaffen werden, damit die am stärksten betroffenen NRO aktiv – unter anderem durch Sicherstellung ihres Zugangs – an den konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Pläne mitwirken können, und daß den Berichterstattern der Vereinten Nationen die Genehmigung erteilt wird, die betreffenden Mitgliedstaaten ohne Einschränkungen besuchen zu können;
11. hält es für unmöglich und für mit den Grundprinzipien, auf denen die Union basiert, und den Prinzipien, die die Außenpolitik der Europäischen Union bestimmen sollten, nicht vereinbar, den Aktionsplan für Afghanistan durchzuführen angesichts der Tatsache, daß keine rechtmäßige Regierung im Amt ist, sowie angesichts der Existenz des Taliban-Regimes, der schweren und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen, die von diesem Regime begangen werden, der erfolglosen Bemühungen um eine Zusammenarbeit mit diesem Regime und des Scheiterns der von den Mitgliedstaaten finanzierten Politiken im Rahmen des UNDCP zur Förderung der Substitution des Opiumanbaus; fordert daher die Mitgliedstaaten und den Rat auf, ihre Politiken unter Berücksichtigung dieser Überlegungen grundlegend zu überdenken;
Empfehlungen zur Asylpolitik
12. verlangt die Entwicklung einer auf der uneingeschränkten Anwendung der Genfer Konvention beruhenden europäischen Asylpolitik, die die Beziehungen der Union zu Drittstaaten, insbesondere den wichtigsten Herkunftsstaaten und -gebieten, prägen muß;
13. ist der Auffassung, daß die Aufnahme der Flüchtlinge in der Region die Mitgliedstaaten der Union nicht von ihren Verpflichtungen entbindet, die sie im Rahmen der internationalen Übereinkommen als Aufnahmeländer für Asylbewerber haben;
14. unterstreicht, daß der individuelle Schutz der Flüchtlinge und ihrer Familien garantiert werden muß;
15. verlangt, daß zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um möglichst bald ein wirksames und ausgewogenes europäisches System für den vorläufigen Schutz der Flüchtlinge und Solidarität im Hinblick auf ihre Aufnahme und ihren Aufenthalt zu schaffen sowie die den Flüchtlingsstatus ergänzenden Schutzinstrumente in einer Weise zu harmonisieren, bei der die Erfahrungen und Regelungen der Mitgliedstaaten mit den höchsten Standards auf humanitärem Gebiet berücksichtigt werden; fordert die Einrichtung eines Flüchtlingsfonds der Union zur Übernahme der Kosten für die Aufnahme und Eingliederung von Flüchtlingen in den Mitgliedstaaten und für die Finanzierung von Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern;
16. betont ferner, daß die Aufnahme von Flüchtlingen durch angrenzende Länder keine langfristige Lösung darstellen darf und daß diesen Ländern sehr viel umfangreichere Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, damit sie den Zustrom aus ihren Nachbarländern bewältigen können;
17. verlangt, daß in der Zusammenarbeit der Union folgendes Vorrang erhält:
– wirksamer Schutz für Asylbewerber und Flüchtlinge in den Nachbarregionen der wichtigsten Herkunftsländer, sofern sich dies unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten als durchführbar erweist;
– strukturelle Verbesserung der Einrichtungen für die Erstaufnahme von Asylbewerbern oder für den internationalen Schutz in den Staaten der Union;
– Konsolidierung eines regionalspezifischen Ansatzes für die Rückführung von Asylbewerbern, deren Antrag abgelehnt worden ist, oder für die organisierte freiwillige Rückführung aus angrenzenden Staaten (Unterstützung der Reintegration, Übernahme von Reisekosten und anderen Kosten, Bereitstellung beruflicher Bildung, Unterstützung von Kommunen, die die Wiederaufnahme übernehmen);
Empfehlungen zur Zuwanderung
18. verurteilt die Inkohärenz und das mangelnde Gleichgewicht der Aktionspläne, soweit darin Maßnahmen vorschlagen werden, auch wenn es noch gar keine eigene Einwanderungspolitik der Europäischen Union gibt;
19. ist der Auffassung, daß sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union um legale Möglichkeiten der Einwanderung bemühen müssen; drängt auf Festlegung gemeinschaftlicher Mindestnormen für den Einlaß von Staatsbürgern von Drittländern in die Union gemäß den Vorschlägen der Kommission;
20. stellt fest, daß die von den Mitgliedstaaten vorgelegten und von Eurostat aufbereiteten Daten unzulänglich und nicht vergleichbar sind; fordert die Mitgliedstaaten daher dringend auf, ihre Daten zu harmonisieren, damit Eurostat wirksamere Arbeit leisten kann; schlägt ferner vor, gegebenenfalls anhand einer Mitteilung der Kommission Überlegungen über die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Zuwanderung im Zuständigkeitsbereich der Kommission anzustellen, die mit der Erfassung und Analyse von Daten und der Formulierung von Optionen für europäische Rechtsakte beauftragt wird sowie einen Bericht über die Lage in den Heimatländern ausarbeiten, einen Beitrag zur Aufnahme von Flüchtlingen in den Regionen der Welt leisten und die Lage der Heimkehrenden mit wachen Augen beobachten soll;
21. fordert, daß die wichtigsten Herkunftsländer für die Lenkung der Migrationsströme in die Länder der Europäischen Union auf der Grundlage klarer und akzeptierter Kriterien mitverantwortlich gemacht werden;
22. betont, daß die Zuwanderung ein komplexes Phänomen ist, bei dem politische, historische, soziale und wirtschaftliche Faktoren mitspielen, und daß deshalb illegal eingereiste Personen nicht in gleicher Weise als Kriminelle eingestuft werden dürfen wie die Urheber schwerwiegender Straftaten im Rahmen organisierter Kriminalität;
23. ist der Auffassung, daß im Zuge der Aktionspläne auch die positive Bedeutung unterstrichen werden sollte, die Einwanderer und Flüchtlinge für die Mitgliedstaaten haben, da Flüchtlinge und Einwanderer oft wichtige Erfahrungen und Kenntnisse besitzen, die für die Gesellschaft von großem Nutzen sind, und Einwanderung nicht zuletzt im Hinblick auf den akuten Bedarf an Arbeitskräften, der bald in vielen Mitgliedstaaten bestehen wird, wichtig ist;
24. verlangt, daß bei der Bekämpfung der illegalen Zuwanderung folgendes Vorrang erhält:
– Verabschiedung gemeinsamer Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Schleuserunwesens, wobei die zuständigen Behörden der Länder, aus denen die Schlepper kommen oder von denen aus sie operieren, durchaus konkrete Zuständigkeiten bei der Ausarbeitung und Durchführung dieser Maßnahmen haben sollten;
– medizinische Versorgung der illegalen Einwanderer und Schulbildung für die Kinder solcher Familien;
– Bekämpfung der illegalen Beschäftigung in der Union;
– Durchführung einer Studie über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründe für die illegale Einwanderung;
– Weitergabe von Informationen über das Schleusen von Zuwanderern an die mit der Kontrolle in den Zielländern beauftragten Stellen;
– Organisation von Informationskampagnen in den Zielländern und den angrenzenden Regionen über die Folgen der illegalen Einreise und der Schwarzarbeit in der Europäischen Union;
Empfehlungen zu der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Zielländern im Bereich der inneren Angelegenheiten
25. fordert den Rat auf, geeignete Beschlüsse zu fassen, um eine neue Arte der politischen Zusammenarbeit mit den ausgewählten Ländern auf der Grundlage der Stärkung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit zu ermöglichen;
26. vertritt die Auffassung, daß bei der politischen und finanziellen Zusammenarbeit der Notwendigkeit Vorrang eingeräumt werden muß, die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Faktoren, die Menschen dazu veranlassen, die Zielländer verlassen zu wollen, konsequent zu beseitigen; hebt insbesondere hervor, daß sich die politische Zusammenarbeit im einzelnen niederschlagen sollte in
– dem Angebot der Europäischen Union, in Friedensgesprächen mit oppositionellen Gruppen und Dissidenten als Vermittler zu fungieren;
– der Bereitstellung von Hilfe für die Zielländer beim Aufbau und bei der Reform von Verwaltungsstrukturen wie Ministerien oder anderen Einrichtungen und der Einführung neuer Verwaltungsverfahren, die auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnitten sind, aber mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang stehen (z.B. Gesetze und Verfahren zur Regelung der Staatsbürgerschaft und für den Umgang mit personenbezogenen Daten);
– der Bekämpfung der Korruption;
– der Achtung der völkerrechtlichen Übereinkommen zur Wahrung der Menschenrechte und der Förderung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften und Durchführungsverfahren;
– der Ausbau der Entwicklungshilfe für die betroffenen Länder;
Abschließende Empfehlungen
27. weist darauf hin, daß im Haushaltsverfahren 2000 eine erhebliche Anpassung des Eingliederungsplans vorgenommen wurde und daß dieser jetzt den Bestimmungen des Vertrags von Amsterdam über den Prozeß der Einbeziehung der Asyl- und Zuwanderungspolitik in die Gemeinschaftspolitik entspricht;
28. betont, daß weniger als die Hälfte der vorgeschlagenen Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen durch Mittel abgedeckt sind, die in bereits festgelegten Haushaltslinien verfügbar sind;
29. weist darauf hin, daß die für Flüchtlinge vorgesehenen Mittel von der Haushaltsbehörde aufgestockt worden sind, aber in der Reserve bleiben, solange die Legislativbehörde nicht die geeignete Rechtsgrundlage erlassen hat;
30. erklärt sich besorgt darüber, daß für die Zusammenarbeit der Union mit den benannten Staaten in den Bereichen Justiz und Inneres keine geeignete Mittelausstattung ausdrücklich festgelegt worden ist, und das zu einer Zeit, in der die Durchführung der Pläne bereits angelaufen sein müßte; bedauert, daß der vorgesehene Zeitplan nicht realisierbar ist;
31. wünscht, daß es eng in die Entwicklung der Einwanderungs- und Asylpolitik der Union einbezogen wird; fordert den Rat und die Kommission auf, mit ihm darüber deutliche Vereinbarungen zu treffen; ist der Auffassung, daß die kommende Regierungskonferenz zur völligen Vergemeinschaftung der Politik betreffend Zuwanderung, Asyl und Bekämpfung des Menschenhandels und der illegalen Einwanderung führen muß, insbesondere durch Einführung des mit Mehrheitsbeschlüssen im Rat einhergehenden Verfahrens der Mitentscheidung;
32. schlägt vor, im Haushaltsplan 2001 eine neue Haushaltslinie zu schaffen, deren Mittel zur Deckung der „Zusammenarbeit mit Drittstaaten in den Bereichen Justiz und Inneres und insbesondere auf dem Gebiet der Zuwanderung“ dienen;
33. unterstreicht die Notwendigkeit, die Bewerberländer uneingeschränkt in die Arbeiten im Vorfeld der Ausarbeitung und Durchführung der Pläne einzubeziehen, wobei dieser Punkt als Teil einer in sich schlüssigen Heranführungsstrategie zu betrachten ist;
34. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer sowie dem Europarat zu übermitteln.
„… in der Erwägung, daß dieser Ansatz im Einklang mit den tatsächlichen Beziehungen zwischen inneren Angelegenheiten, Außenpolitik, Politik für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit, Handelspolitik, Sozialpolitik und sonstiger Politik der Mitgliedstaaten der Union steht,…“
„… in der Erwägung, daß die von der Gruppe ausgearbeiteten Aktionspläne unter dem Aspekt der darin enthaltenen Daten und der Analyse der Situation in dem betroffenen Staat zwar nützlich sind, aber nicht wirklich einen politischen Beitrag oder einen gemeinschaftsspezifischen Zusatzbeitrag zur Lösung der Probleme leisten, die weiterhin Ursache von Zuwanderung und Nachfrage nach Asyl sind,…“
„… ist überzeugt, daß die Aktionspläne nur dann zu positiven Ergebnissen führen werden, wenn sie in eine globale Entwicklungs-, Handels-, Asyl- und Migrationspolitik integriert werden;“
„… unterstreicht den Mangel an politischem Realitätssinn des Ansatzes, der in dem Instrument der Rücknahmevereinbarungen die einzige Lösung für das Phänomen der illegalen Einwanderung sieht, und die wegen ihrer politischen Instabilität bestehende Schwierigkeit, Rücknahmevereinbarungen mit den ausgewählten Ländern abzuschließen;“
„verurteilt die Inkohärenz und das mangelnde Gleichgewicht der Aktionspläne, soweit darin Maßnahmen vorschlagen werden, auch wenn es noch gar keine eigene Einwanderungspolitik der Europäischen Union gibt;“
Arbeitsgruppe
Kohärenz von Innen- und Außenpolitik
– Aktionspläne –
Salvatore Pittà
EU-Aktionsplan Marokko
Wie sich Europa Undokumentierter und Staatenloser entledigt
1. Einführung
Mailand, den 1. Juni 2000. Ein irakischer Fluechtling wird von der Flughafenpolizei abgefangen, bevor er EU-Boden betreten kann. Er moechte zu seinem Bruder nach Deutschland und sieht sich vorerst gezwungen, in Italien um politisches Asyl nachzusuchen. Er behauptet, aus Marokko eingeflogen zu sein. In derselben Stunde wird er nach Rabat geschickt und soll dort Asyl bekommen. Marokko unterhält jedoch freundschaftliche Beziehungen mit der Regierung Hussein und weigert sich, den Asylsuchenden aufzunehmen. Seit drei Monaten sitzt nun der irakische Fluechtling in Rabats Flughafen fest. Was im Oktober 1999 unter dem Titel ‘Freiheit, Sicherheit und Recht’ von den EU-Innenminister verkauft wurde, die Aktionsplaene der Hochrangigen Gruppe Migration, ist in Marokko schon heute Tatsache. Ziel war es, das Land in die Fluechtlingsabwehr der EU einzubinden, laut SPD-Bundesministerin Wieczorek-Zeuls „unter Wahrung der Menschenrechte“. Ersteres gelang offensichtlich. Zweiteres – offensichtlich nicht.
2. Marokko ist kein Einwanderungsland
Allein im laufenden Jahr wurden im Lande sieben Zeitungsausgaben verboten, Folter wird in gewissen Gefaegnissen noch immer praktiziert, friedliche Demonstrationen meist mit rueder Gewalt niedergeknüppelt, Gewerkschaftsfunktionäre und Menschenrechts-AktivistInnen juristisch verfolgt und/oder ihresPasses beraubt, Parteien verboten oder schlichtwegs nicht eingetragen. Vereinzelt verschwinden noch immer Menschen. Die geltende Verfassung verleiht dem König weiterhin absolute Macht, laut Artikel 19 darf Seine Majestät nicht ‘mal oeffentlich kritisiert werden. Nichtsdestotrotz behauptet der EU-Aktionsplan: „Morocco (…) has not in the recent past been a country of origin of asylum seekers“.
Recht hat die Hochrangige Gruppe Migration mit ihrer Behauptung, „Morocco is primarily a country of origin of economic migrants“. Über 10% marokkanischer Staatsangehöriger, in etwa drei Millionen, leben derzeit im Ausland. 1,6 Mio. haben in Europa einen rechtmässigen Aufenthaltsstatus errungen, die meisten in Frankreich, Spanien, Belgium, Holland, Italien und Deutschland. In Marokko selbst sind knapp ein Drittel der Bevölkerung unter 35 Jahren arbeitslos, 13% aller in Marokko Wohnhaften leben unter dem Existenzminimum, 55% sind AnalphabetInnen, die meisten davon Frauen, vorab aus ländlichen Gebieten.
Neueren Datums ist die im Aktionsplan stark gewichtete Transitfunktion Marokkos: „It is, however, a major country of transit of migrants, mostly asylum seekers, from Algeria and the Subsaharian region“. Die Hohen EU-Migrationstechnokraten zählen 1998 lediglich 3500 Personen dieser Kategorie in Spanien. Sie dürften weit mehr sein, unter den knapp 1 Mio. Menschen, die Spanien alleine 1999 an ihren Küsten und Enklaven abgewiesen hat. Tatsächlich: Angefangen von der an Algerien grenzenden Stadt Oujda über Nador, Al Hoceima, Tetouan, Tánger, an den Toren der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla, aber auch der atlantischen Kueste entlang in Asilah, Larrache, in Rabat und Casablanca befinden sich Menschen, die bereit sind, auf eine Patera de la muerte oder unter einem nach Spanien reisenden Lastwagen ihr Leben zu riskieren, um ihrem Elend, Tod und Folter zu entkommen.
3. Entrechtung in Europa
Dabei unterscheidet sich die Situation Emigrierter in Europa weitgehend von den neusten Automodellen, die diese in ihren Augustferien den Familienangehörigen stolz vorführen. Krassestes Beispiel des heutigen Rassismus in Europa ist El Ejido, ein spanisches Vorort von Almeria, das in den letzten zwanzig Jahren einen unglaublichen Boom erlebt hat und heute zum Hauptlieferanten Europas von Wintergemüse avanciert ist. Seit dem Pogrom von anfangs Februar 2000 getrauen sich die Menschen dort am Wochenende kaum auf die Strasse. Sie werden in den Bars nicht mehr bedient, haben jedoch auch kein Geld mehr, um es dort auszugeben: Deren Lohn sank im letzten Halbjahr von umgerechnet 50 auf gut 30 DM pro Tag. Ihre Häuser wurden bisher nicht repariert, so leben viele in Kartonschachteln und Wellpappe. Ihre medizinische Versorgung ist vielmals nicht gewährleistet. Wer ihnen hilft, läuft selbst Gefahr, Ziel der „Caza al hombre“, der Menschenjagd zu werden. Die künstlich eingeführte Unterscheidung zwischen Legale und Illegale spielt in El Ejido dabei kaum eine Rolle. Mittlerweile haben die meisten europaeischen Staaten neue Ausländergesetze eingeführt, die die Hürden zur Legalität derart hoch angesetzt haben, dass alle Nicht-EU-Arbeitende erpressbar geworden sind. „Passt Dir die Arbeit nicht, wirst Du gefeuert und verlierst ergo Deine Aufenthaltsbewilligung“, ist die einfache Rechnung der europäischen Machthabenden. Internierungslager schiessen wie Pilze aus dem Boden. Abschiebungen stehen auf der Tagesordnung. Um zu verhindern, dass Menschen ihre Familien nachziehen, erarbeitet Europa neue Temporärarbeitsvertraege. Spanien und Marokko stehen vor dem Abschluss einer solchen Vereinbarung. In Portugal verhindern bereits Jahresaufenthaltsbewilligungen mit einer maximalen Wiederholung bis zu fünf Jahren, dass das Land gegen verschiedene Internationale Abkommen verstösst. Die Schweiz war hier richtungsgebend und handelte sich die Kritik der UN-Rassismuskommission ein. Mit juristischen Tricks konnte scheinbar die Situation entschärft werden: zuungunsten der Menschen mit Migrationserfahrung.
4. Einbindung Marokkos in die EU-Fluechtlingsabwehr
Bereits 1993 stellten die EU-Migrationsminister in Kopenhagen die Kontaktnahme Marokkos in Sachen Migration in Aussicht. 1995 wurde das Land in das sogenannte Barcelona-Prozess eingebunden, ein Pendant zum hier weit bekannteren Budapester-Prozess. Am 26. Februar 1996 beteiligte sich das Land am daraus resultierenden Euromediterranen Kooperationsabkommen, das seit dem 1. Maerz 2000 in Kraft getreten ist und den Freihandel zwischen 27 Staaten rund um den Mittelmeer ab 2012 vorsieht. Dank weiteren vierzig bilateralen Abkommen, so mit Italien, Frankreich, Spanien und der Schweiz, wurde das Land ökonomisch gefügig gemacht. Am 3. Februar 2000 unterzeichnete schliesslich König Mohammed VI das sogenannte Suva-Abkommen, das das frühere Lomé-IV-Abkommen zwischen der EU und 71 Staaten aus dem Afrikanisch-Karibisch-Pazifischen Raum umfasst. Neben einer grosszügigen Finanzhilfe Europas an diese sog. AKP-Staaten von 13,5 Mia. Euro enthält besagtes Suva-Abkommen einen Artikel, den sich hier zu zitieren lohnt:
„At the request of a Party, negotiations shall be initiated with ACP States aiming at concluding in good faith and with due regard for the relevant rules of international law, bilateral agreements governing specific obligations for the readmission and return of their nationals. These agreements shall also cover, if deemed necessary by any of the Parties, arrangements for the readmission of third country nationals and stateless persons…“
Offensichtlich an diesem Artikel 13.5.c. ist der erklärte Wille Europas, sich der Undokumentierten und Staatenlosen zu entledigen, indem diese denjenigen Länder zugeschoben werden sollen, die sie vor ihrer Einreise in EU-Gebiet durchstreift haben. Der eingangs zitierte Fall beweist, dass es der EU dabei äusserst eilig ist: Bereits am 1. Juni existiert ein in Artikel 13.5.c. noch hypothetisches Abkommen. Doch Marokko weigert sich in der Praxis meistens anzuerkennen, dass Aufgegriffene durch sein Territorium reisten. Der spanische Regierungsabgeordnete in Andalusien, José Torres Hurtados, schildert am Rande eines Symposiums in Almeria, wo er diese Aussage machte, das „glücklichere“ Schicksal von 193 in der Nähe von Cadiz Mitte Juli aufgegriffenen illegal Eingereisten: 121 davon wurden umgehend in Ceuta eingeknastet.
Arbeitsgruppe
Kohärenz von Innen- und Außenpolitik
– Aktionspläne –
Thomas Uwer, WADI e.V.
EU-Aktionspläne – Irak
Kohärenz Innen- und Aussenpolitik
Die Europäische Flüchtlingspolitik ist dabei, sich von einer traditionellen, nationalstaatlichen Asylpolitik zu verabschieden und beansprucht zunehmend auch Hoheitsrechte auf ein Terrain, das sich der innenpolitischen Regulierung entzieht. Was noch auf der Tagung der europäischen Staats- und Regierungschefs 1992 in Edinburgh unter dem Begriff der „Regionalisierung der Flüchtlingsaufnahme“ als reine Willensbekundung erscheinen mochte, hat sich in der Praxis längst niedergeschlagen. Die Maßgaben der Flüchtlingspolitik wirken weit in die Bereiche der Außen- und Entwicklungspolitik hinein. Wenn im Irak Decken verteilt und Krankenhäuser gebaut werden sollen, dann ist dies sicherlich nicht neues. Wenn diese Maßnahmen in eine koordinierte Flüchtlingspolitik eingebunden und mit dem Aktionsplan Irak zur Leitlinie erklärt werden, dann bedeutet dies, daß die Fluchtabwehr das Ressort gewechselt hat: Von der Innen zur Außen- und Entwicklungspolitik.
Als „Querschnittsaufgabe von Außen-, Wirtschafts-, Asyl- und vor allem Entwicklungspolitik“ sollen humanitäre Soforthilfe, langfristige Entwicklungshilfe, diplomatischer Druck und zur Not die militärische Erzwingung sog. Schutzzonen ineinandergreifen und der repressiven Fluchtabwehr zur Seite gestellt werden. Wie diese Ressort übergreifende, „kohärente“ europäische Flüchtlingspolitik gegenüber Regionen funktioniert, in denen nichts mehr funktioniert, zeigt beispielhaft der Aktionsplan Irak.
1997 wurde der Aktionsplan Irak auf Drängen der deutschen Regierung und auf der Grundlage von Untersuchungen, die der deutsche Bundesgrenzschutz in Südosteuropa durchgeführt hatte als erster europäischer Aktionsplan in die Welt gesetzt. Er stellt somit den ersten konkreten Entwurf für eine Flüchtlingspolitik dar, die von der defensiven Fluchtabwehr zur offensiven politischen Regulierung kompakter Flüchtlingsbewegungen gelangen will.
Der Aktionsplan Irak ist zuerst einmal ein Papier aus der Praxis. Entworfen von Beamten des Bundesgrenzschutzes, fortgeführt von europäischen Beamten, steht die konkrete Abwehr von irakischen Flüchtlingen im Vordergrund des Papiers. Fraglos waren es nicht Entwicklungen vor Ort, sondern die statistische Häufung irakischer Asylbewerber einerseits und verfahrenstechnische Probleme der Grenzbehörden andererseits, die den Aktionsplan auf die Tagesordnung brachten. Entsprechend orientiert sich das Papier am Status Quo. Die maßgeblichen von der High Level Working Group geforderten Maßnahmen sind entweder bereits umgesetzt oder waren eingeleitet, lange bevor die Arbeit an der heutigen Fassung des Aktionsplans begann. Sowohl die Region im kurdischen Nordirak, die fälschlicherweise oft als Schutzzone bezeichnet wird, als auch das europäische Programm für humanitäre Hilfe unter Leitung von ECHO existierten bereits seit Beginn der Neunziger Jahre. Selbst die vorgelagerte Grenzabschottung wurde von der Türkei schon seit 1992 aus nationalem Eigeninteresse durchgesetzt. Entsprechend bietet der Aktionsplan auch auf der faktischen Ebene nichts Neues: In der euphemistischen Darstellung der irakischen Verfolgungspraxis unterscheidet er sich kaum von der deutschen Vorlage, dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (wenn er zum Beispiel angesichts der gegen Kurden gerichteten Verfolgungsmaßnahmen, die mehr als 200.000 Menschen das Leben kosteten, konstatiert, die irakische Innenpolitik sei gekennzeichnet von der ethnischen Heterogenität des Landes).
Die wirkliche Leistung der High Level Working Group besteht also vor allem darin, die vorhandenen Akteure von der türkischen Polizei, über die kurdischen Milizen bis hin zu den Hilfsagenturen unter dem Mantel europäischer Flüchtlingspolitik zusammenzuführen. Im Zentrum dieses Unternehmens steht die Konstruktion einer sicheren Fluchtalternative im kurdischen Nordirak, als der Schlüssel, mit dem der unter Embargo stehende und international isolierte Irak für die Fluchtabwehr geöffnet werden soll. Die insgesamt in der Flüchtlingspolitik geforderte ressort- und länderübergreifende Verschmelzung von Außen- und Sicherheitspolitik, sowie Fluchtabwehr und humanitärer Hilfe ist dort seit Jahren als alltagspraktische Notstandsverwaltung Realität. Nicht der Aktionsplan Irak, vielmehr der kurdische Nordirak selbst und die dort durchgeführte „humanitäre Intervention“ ist der Modellfall, an dem sich europäische Flüchtlingspolitik orientiert. Der Beitrag der High Level Working Group besteht darin, die Entwicklung der Region, die von vielen Menschen vor Ort als desaströses Scheitern der „Befreiung“ von 1991 gesehen wird, in einen flüchtlingspolitischen Erfolg umzumünzen. Ein Blick darauf, was vor Ort geschah, mag dies verdeutlichen.
In Folge des Golfkrieges flohen 1992 mehr als zwei Millionen Kurden aus dem Irak in die benachbarten Länder Türkei und Iran. Beide Staaten weigerten sich, eine massenhafte Aufnahme irakischer Flüchtlinge zu akzeptieren. Die Türkei, an deren Grenzen die meisten der Flüchtlinge Zuflucht suchten, riegelte ihre Grenze militärisch ab und verweigerte den Flüchtlingen Einlaß ins sichere Landesinnere. Als Reaktion auf den nicht vorhergesehenen Unfall am Rande der großen Politik richtete die Anti-Irak-Koalition einen Safe Haven ein, der in etwa die Provinz Dohuk umfasste; ein Bruchteil lediglich der kurdischen Region. Dieser Safe Haven verfolgte nur ein Ziel: Die Rückführung der Flüchtlinge in den Irak, um eine befürchtete Destabilisierung der Nachbarländer zu verhindern. Weder war die Region in die die Flüchtlinge zurückgeführt wurden sicher – noch als die ersten westlichen Journalisten im Geleit der Flüchtlinge nach Dohuk gelangten befanden sich irakische Sicherheitskräfte in der Stadt – noch durch irgendeine UN-Resolution gedeckt. Der viel beschworene Safe Haven im kurdischen Nordirak begann als militärische ad-hoc-Maßnahme zur Flüchtlingsrückführung, die mit nahezu allen bis dato gültigen Grundsätzen der Flüchtlingspolitik aufräumte, beispielsweise, daß Flüchtlinge nicht in Kampfregionen zurückgeführt werden dürfen. Diese Recht- und Schutzlosigkeit setzte sich in den Folgejahren konsequent fort: Zwar zog sich die irakische Armee aus weiten Teilen der kurdischen Region zurück, mit ihr verschwanden aber auch die militärischen Schutztruppen der Anti-Irak-Koalition, ohne daß eine gültige Regelung der sogenannten Schutzzone erfolgt wäre. Kein Beschluß einer UN-Institution, nicht einmal ein Antrag wenigstens zur Feststellung der seit 1991 praktisch gültigen Demarkationslinie zwischen dem zentralirakischen und dem irakisch-kurdischen Territorium, hat jemals existiert. De jure wie de facto ist die Region im kurdischen Nordirak also integraler Bestandteil des irakischen Staates und weder eine Resolution, geschweige denn eine militärische Schutzmacht bewahren sie vor der Gefahr, bereits morgen wieder gewaltsam unter die Kontrolle des irakischen Regimes gebracht zu werden.
Die neuartige Rechtlosigkeit, aus der die sogenannte Schutzzone entstand, ist konstituierend für die gesamte Entwicklung der Region. Alle Versuche der entstehenden kurdischen Selbstverwaltung scheiterten im Ansatz schon daran, daß sie ein international anerkanntes politisches Mandat nicht besaßen. In Ermangelung eines gültigen rechtlichen Rahmens wurde die Region unter das Kuratel internationaler Hilfe gestellt. Bis heute ist das gegen den Gesamtirak verhängte Wirtschaftsembargo auch gegenüber dem kurdischen Nordirak gültig und beinahe zehn Jahre nach der „Befreiung“ ist die Region noch immer vollständig abhängig von Hilfslieferungen von außen. Das politische Problem Irakisch-Kurdistan wurde nicht gelöst, sondern in ein humanitäres umdefiniert. Anstelle einer funktionsfähigen lokalen Regierung ist die Notstandsverwaltung durch Hilfsagenturen und die die Verteilung organisierenden kurdischen Partei- und Milizverbände getreten. Diese Verbände leben weitgehend von der Akkumulation internationaler Hilfsmittel und den Einnahmen aus dem illegalen Grenzverkehr und verfolgen mit Gewalt jede Regung, die ihren Interessen zuwiderläuft. Seit 1995 ist die Region in verschiedene Hoheitsgebiete kurdischer Parteien gespalten, die sich gegenseitig bekämpfen. Rund 250.000 Menschen wurden von der UN als innerkurdische Flüchtlinge in Folge dieser Auseinandersetzungen gezählt. Die Region überlebte bislang einzig dank des Good Will der benachbarten Staaten und der Tatsache, daß eine Wiedereingliederung in den irakischen Staatsverband der Baghdader Regierung weder ökonomisch, noch politisch bislang sinnvoll erschien. Verwaltet wird dieses Überleben von Milizen und Hilfsorganisationen, finanziert unter anderem von der europäischen Hilfsagentur ECHO.
Was also im Aktionsplan Irak als Erfolgskonzept verkauft wird, ist ein seit beinahe zehn Jahre anhaltendes Scheitern internationaler Politik, zumindest wenn man unter Politik die planvolle Steuerung und Regelung gesellschaftlicher Entwicklung versteht. Die Politik gegenüber dem kurdischen Nordirak zeichnet sich seit 1992 vor allem durch den vollständigen Mangel an langfristiger Planung aus, ein Mangel, der alleine schon durch den ungeklärten Status der Region vorgegeben ist. Diese Planlosigkeit, die sich in der Verwaltung des aktuellen Notstandes erschöpft, wird im Aktionsplan Irak zum flüchtlingspolitischen Konzept geadelt.
Der kurdische Nordirak zeigt zugleich, wie das hochgradig ideologisch aufgeladene Konzept der „Kohärenz“ in der Praxis funktioniert. Eingebunden in das Programm europäischer Fluchtabwehr dient auch die humanitäre Hilfe nicht der strukturellen Verbesserung der Lebensbedingungen, sondern lediglich einer Anhebung des Lebensniveaus soweit, daß die Gefahr, die eine Flucht mit sich bringt größer erscheint, als das Verweilen vor Ort. Die gerne als Hilfsaktion dargestellte Regionalisierung der Flüchtlingsaufnahme funktioniert nur in Verbindung mit grenzpolizeilicher Repression. Daß die Zahl jener, die dennoch den Weg durch Minenfelder wagen oder auf seeuntüchtigen Booten in der Ägäis kentern nicht kleiner wird, sagt einiges über den Erfolg dieser Maßnahmen aus.
Einzig an diesem Punkt, der repressiven Fluchtabwehr, reicht der Entwurf der High Level Working Group denn auch über das Bestehende hinaus. Türkische Grenzer sollen künftig bereits im Vorfeld der EU Flüchtlinge aus der Region abfangen und registrieren. Diese Registrierung dient einerseits der Identifikation von Personen und sie von einer Wiederholung der Flucht abschrecken. Andererseits hilft sie, im Falle einer geglückten erneuten Flucht, Fluchtwege erkennbar zu machen. Dem zur Seite sollen künftig Vorbefragungen im Sinne eines noch zu schaffenden gemeinsamen europäischen Asylrechts treten. Einige dieser Maßnahmen werden von der türkischen Regierung höchst freiwillig bereits seit Jahren umgesetzt. So versucht sich die Türkei seit 1992 gegen den Zustrom irakischer Flüchtlinge zu schützen und führt beispielsweise regelmässig Razzien in den Elendsquartieren und typischen Unterschlüpfen von Flüchtlingen in den westtürkischen Städten durch, um, der Flüchtlinge habhaft geworden, diese umgehend in den Irak zurückzuschieben. Bei der Grenzsicherung zum Irak setzt die türkische Polizei schon seit spätestens 1996 Infrarot-Hightech ein, den übrigens ein deutscher Hermeskredit bescherte und zum Aufspüren kurdischer Grenzgänger dient: Flüchtlinge genauso wie Kämpfer der türkisch-kurdischen PKK. Bislang allerdings folgt die Türkei vorwiegend nationalen Interessen – irakische Flüchtlinge sollen vor allem nicht im Lande bleiben – und weigert sich daher auch, als Durchschiebestation für abgelehnte irakische Asylbewerber zu dienen. Eine Haltung, die kein gutes Licht auf den „Modellfall kurdischer Nordirak“ wirft. Die Einbindung der Türkei in die konkreten Planungen der europäischen Fluchtabwehr, mit Ausbildungshilfe und Technologie, dient sicherlich auch der Auflösung dieser nationalen Barriere.
Wie eine ironische Widerspiegelung der alten entwicklungspolitischen Forderung, man habe die Fluchtursachen zu bekämpfen, nicht die Flüchtlinge, dient der Aktionsplan Irak also lediglich dazu, daß die Fluchtabwehr bereits dort einsetzt, wo Flüchtlinge entstehen und diese nach Möglichkeit innerhalb der Region zu halten und zu versorgen. Und wer möchte schon in Abrede stellen, daß die Bewohner des Irak, wie jene der anderen sog. Herkunftsstaaten der Peripherie, dringend humanitärer Unterstützung benötigten. Im kurdischen Nordirak wie erst jüngst im Kosovo hat sich aber gezeigt, wie die Vertreter der Hilfsagenturen, Militärs und Politiker kaum mehr von einander zu unterscheiden waren. Sie sind eine – von scheinbarer praktischer Notwendigkeit diktierte – Verbindung eingegangen, die sowohl die Ziele, als auch die Methoden zu verwischen scheint. Diese oft unfreiwillige Allianz aus Nothilfe und Fluchtabwehr muß daher grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Die Verlagerung fluchtverhindernder Maßnahmen nach Außen zieht zugleich eine grundsätzliche Neudefinition der Flüchtlingspolitik nach sich, die mir von großer Bedeutung für die auf dieser Tagung diskutierte „Harmonisierung“ der europäischen Asylpolitik zu sein scheint. Traditionell wurde Asylpolitik weitestgehend als ein nationales, innenpolitisches und rechtliches Problem begriffen. Dies resultiert nicht zuletzt aus dem von der GFK grundsätzlich geregelten Verhältnis, in dem der Flüchtling dem Aufnahmestaat gegenüber tritt: Als individuelles Rechtssubjekt, dem Schutz garantiert wird, wenn er aus Furcht vor Verfolgung in einem anderen, als seinem Heimatland vorstellig wird. Flüchtlinge wurden dann zum Gegenstand politischer Regulation, wenn sie im Aufnahmeland erschienen und als Rechtssubjekt Schutz einforderten. Traditionelle Asylpolitik reagierte also auf einen bereits eingetretenen Tatbestand. Die als Regionalisierung und kohärente Politik euphemisierte ausgelagerte Fluchtabwehr nun kehrt dieses Verhältnis grundsätzlich um: Gegenstand der asylpolitischen Regulation vor Ort ist nicht das Individuum, sondern die kompakte Volksgruppe, die zum Empfänger humanitärer Hilfsgüter oder politisch-militärischer Protektion wird. Der rechtliche Schutz wie das Schicksal des Einzelnen sind weder Gegenstand, noch Interesse von Hilfsmaßnahmen, geschweige denn das militärischer Intervention.
Es scheint absehbar, daß die Logik der militärischen und entwicklungspolitischen Praxis auf die Rechtsgrundlage einer Asylpolitik im Inneren der Festung Europa zurückwirkt und das grundsätzliche Verhältnis zwischen Flüchtling und Aufnahmestaat verändert. Orientiert sich Flüchtlingspolitik erst einmal an einer Praxis, die innerhalb der Koordinaten Volk und Territorium sich bewegt, dann droht der Status des Flüchtlings als Rechtssubjekt gleichsam zu verschwinden. Eine Gefahr, die um so größer ist, als – wie sich am Beispiel des Irak zeigt – die von der EU avisierte Alternative einer heimatnahen Flüchtlingsversorgung auch praktisch nicht funktioniert.