Denkzettel
Ärztinnen – Ärzte!
Übt Euren Beruf nach den Geboten der Menschlichkeit aus.
Beachtet keine Vorschriften und Weisungen, die mit dieser Aufgabe nicht vereinbar sind und deren Befolgung Ihr nicht verantworten könnt.
Macht in der Ausübung der ärztlichen Pflichten keinen Unterschied nach Religion, Nationalität, Rasse, Parteizugehörigkeit oder sozialer Ordnung.
Unter Beachtung dieser Grundsätze aus der »Berufsordnung für die deutschen Ärzte« und mit der Selbstverständlichkeit, ärztliche Tätigkeit nicht den Auflagen der Ausländerbehörden unterzuordnen,
- wären Abschiebungen von Ausländern unter ärztlicher Mitwirkung nicht mehr möglich,
- notwendige ärztliche Behandlungen könnten nicht mehr durch Abschiebungen abgebrochen werden und damit Kranke ihrem ungewissen Schicksal überlassen bleiben,
- die ärztliche und psychotherapeutische Betreuung in den Abschiebegefängnis sen würde nicht soviel Defizite aufweisen,
- die Zahl der Suizide und Suizidversuche aus Angst vor Abschiebung würde sich reduzieren,
- ärztliche Atteste würden in weit geringerem Maße polizei- oder amtsärztlichen Überprüfungen unterliegen,
- medizinischer Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht erhielten wieder den ihnen gebührenden Stellenwert,
- unnötige und teure Identitätsfeststellungen mit forensischen Testen, die nur in der Kriminologie ihre Bedeutung haben (» Speicheltest«), dürften dann nicht mehr bei Ausländern im Rahmen der Familienzusammenführung durchgeführt werden,
- Altersfestsetzungen bei jugendlichen alleinstehenden Flüchtlingen durch ärztliche Röntgendiagnostik ohne Gerichtsbeschluß könnten nicht mehr erfolgen,
- hilfesuchende Kranke ohne Aufenthaltstitel (» Illegale«) würden vom Krankenhauspersonal nicht mehr den Ausländerbehörden denunziert,
- die Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte würde wachsen, diese Menschen auch ohne Kostenerstattung (Krankenschein) zu behandeln.
Vor allem würde der Protest in der Ärzteschaft dann auch darüber vernehmbarer sein, daß das Asylbewerberleistungsgesetz sie zwingt, gegenüber »legalen« Asylbewerbern u. a. Ausländern nur noch eine drittklassige Medizin zu praktizieren.
Prüfen, werten, helfen – auch verweigern – ist notwendiger denn je!
Flüchtlingsrat Berlin Gustav W. Heinemann Bürgerpreis 1989 Arbeitsgruppe Medizin und Soziales 12.12.1997
Broschüre »Gefesselte Medizin (Online-Ausgabe)