HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1994 :::
12. April 1994
Die Zusammenarbeit der Geheimdienste
DATENSCHUTZ UND ABSCHIEBUNG
Die informationelle Gefährdung
Die bisherige Zusammenarbeit der deutschen und türkischen Geheimdienste und die Übereinkunft von Schengen stellen eine besondere Gefährdung für alle Kurden der, die politisch aktiv geworden sind und denen die Abschiebung in die Türkei droht:
- Seit 1979 gibt es eine Tabu-Liste zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Bundesrepublik und die Türkei verpflichten sich zum Nachrichtenaustausch über die in der Liste genannten Personen und Gruppen. Zu diesen Gruppen gehört u.a. die PKK. Das niedersächsische Innenministerium bestätigt 1984, daß der NATO-Partner Türkei aus der Bundesrepublik mit Informationen über Oppositionelle versorgt wird. Dies geschieht im Rahmen des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
- Der bundesdeutsche Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die politischen Aktivitäten türkischer und kurdischer Gruppen. Als Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit wird regelmäßig die Kritik an der türkischen Regierung angesehen. Als weiterer Beweis gilt die Unterstützung türkischer Oppositionsgruppen.
- Der türkische Geheimdienst kann ziemlich ungeniert in der Bundesrepublik operieren. Im September 1987 berichtet eine türkische Zeitung, daß 465 türkische Lehrkräfte vor ihrer Entsendung ins Ausland einen Monat lang vom türkischen Geheimdienst (MIT) für die Beobachtung „separatistischer“ und „oppositioneller“ Organisationen ausgebildet wurden.
- Im Zusammenhang mit dem PKK-Verbot berichtet die türkische Zeitung „Hürriyet“ am 28.11.1993, daß drei BKA-Beamte Informationen über die PKK-Vereine vom türkischen Sicherheitsdienst angefordert hätten. Die „Verantwortlichen“ hätten der deutschen Polizei zwei Ordner mit Material über die Tätigkeit der Organisation in Deutschland überreicht. Interessant an dieser Mitteilung dürfte vor allem sein, daß sich die Bundesrepublik offensichtlich bei ihren politischen Entscheidungen auch solcher Daten bedient, die u.U. auf datenrechtlich illegale Weise beschafft wurden.
- Das von Schengen vorgesehene Informationssystem (SIS) darf auch dazu genutzt werden, Daten an „Stellen außerhalb des Hoheitsgebietes der Vertrragspartner“ zu übermitteln. Damit ist SIS eine potentielle Datenbasis für die Polizei, das Militär und die Geheimdienste von Verfolgerländern, natürlich auch der Türkei.
- Wie ein Informationsaustausch aussieht, ist einem Schreiben der Bundesgrenzschutzdirektion Koblenz an die Grenzschutzbehörden vom 28.10.1993 zu entnehmen. Darin geht es um Abschiebungen nach Algerien:
- Die Anträge an das algerische Generalkonsulat auf Ausstellung von Paßersatzpapieren erhalten nach gegenseitiger Absprache künftig den ausdrücklichen Zusatz „Asylbewerber“. (Damit wird deutlich gemacht, daß es sich um Menschen handelt, die gegen die Regierung sind.)
- Die Grenzschutzdirektion gibt vor der anstehenden Abschiebung dem Generalkonsulat die Flugdaten bekannt. Wörtlich heißt es dann: „Das Generalkonsulat übermittelt die Flugdaten auch nach Algerien, um sicherzustellen, daß der algerische Staatsangehörige auch den algerischen Sicherheitsbehörden zugeführt wird.“