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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1993 :::
12.09.1993

Afghanische Familie nach Tschechien zurückgeschoben
BUNDESAMT MISSACHTET GERICHTSURTEIL
Anwalt betreibt Wiedereinreise


Die eklatante Mißachtung eines Gerichtsurteils sieht die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge „Pro Asyl“ in der Zurückschiebung einer afghanischen Mutter mit drei Kindern in die Tschechische Republik. Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte das Grenzschutzamt Schwandorf verpflichtet, die heimlich über die Grenze gelangte Familie in das Aufnahmelager Deggendorf weiterzuleiten und von einer Zurückschiebung bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Asylanträge abzusehen (AZ: RN 7 E 93 31704 vom 2.9.1993). In seiner Bewertung war das Gericht zu der Auffassung gelangt, daß die Tschechische Republik für diese Flüchtlinge kein sicherer Drittstaat im Sinne des Grundgesetzes sei.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte trotz des Gerichtsurteils entschieden, daß den Flüchtlingen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht und die sofort vollziehbare Abschiebung in die Tschechische Republik angeordnet. Die Familie wurde daraufhin noch am gleichen Tag um 19.00 am Grenzübergang Philippsreut nach Tschechien zurückgeschoben. Daß sich das Bundesamt einfach über den Gerichtsbeschluß hinweggesetzt hat, lag – so ein neueres Urteil des Verwaltungsgerichts – „außerhalb des Erwartungshorizonts des Gerichts“ (AZ: RN 7 E 93 31781 vom 8.9.1993).

„Pro Asyl“ betrachtet es als rechtspolitisch einmalig, daß das Bundesamt die Gerichtsentscheidung übergangen hat. „Pro Asyl“-Sprecher Herbert Leuninger verfügt über Informationen, wonach das Bundesinnenministerium dem Vorgehen weisungsungebundener Entscheider Rückendeckung gibt. Und zwar vertrete das BMI die Rechtsauffassung, daß Urteile über die fehlende Sicherheit von Drittstaaten rechtswidrig seien. „Offensichtlich herrscht im BMI die panische Angst, daß das Kernstück des neuen Asylrechts, die Festlegung sogenannter sicherer Drittstaaten, in Frage gestellt wird“, erklärte Leuninger .

Die afghanische Frau war zusammen mit ihren drei minderjährigen Söhnen bei Philippsreut über die Grenze gelangt und vom Grenzschutz festgenommen worden. Als man der Frau eröffnete, sie würde wieder zurückgeschoben, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und wurde auf Veranlassung des Notarztes in das Kreiskrankenhaus Freyung eingeliefert. Ihre drei Kinder wurden in einem Kinderheim untergebracht. Daraufhin war der Münchener Anwalt der Familie vor Gericht gegangen, um die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen. Die Familie sei auf dem Luftweg von Pakistan in die Tschechische Republik eingereist. Da sie dort nicht wie erforderlich innerhalb von 48 Stunden einen Asylantrag gestellt hätte, könne dies nicht mehr nachgeholt werden. Aufgrund der gerichtlichen Auflage war die Familie in die Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber nach Deggendorf gebracht worden.

Jetzt betreibt der Rechtsbeistand die Wiedereinreise der Familie. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts hierzu steht unmittelbar bevor.


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