Buchbesprechung
kath. Theologie und Kirche
HESSISCHER RUNDFUNK
Frankfurt/Main
2. Hörfunkprogramm (HR2)
Redaktion: Norbert Kutschki
WIEDERGEBOREN NACH DEM TODE?
Die Idee der Reinkarnation
Frankfurt 1977, 192 Seiten
Eine Variante bisweilen buntscheckiger Jenseitsvorstellungen hat in den christlichen Glauben keinen Eingang gefunden. Bis auf den heutigen Tag ist sie weder für die Predigt noch für die Theologie salonfähig, die Vorstellung von einer Wiedergeburt nach dem Tode, einem wiederholten Erdenleben. Damit ist sie aber nicht erledigt, zumal sie in viele Kreise des Abendlandes eingesickert ist. Ein Beweis: die vielfältigen Publikationen, die die Idee der Re-Inkarnation propagieren.
Von diesen Veröffentlichungen unterscheidet sich die des Rundfunkjournalisten Gerhard Adler beträchtlich. Sie will eine Einführung in das einschlägige Ideengut geben und eine Materialsammlung anbieten, mit den wichtigsten geschichtlichen Zusammenhängen, mit den Argumenten für und wider den Glauben an eine Wiedergeburt oder an eine vorgeburtliche Existenz, die sie bekannt machen und schließlich die heutige Bedeutung dieser Lehre verdeutlichen will.
Wem dennoch die Beschäftigung mit diesem Komplex kurios erscheinen mag, gibt der Autor zur besseren Motivierung eine moralische Spritze. Die Reinkarnationsidee gehöre zu den großen Themen der Religionsgeschichte und sei eine der bedeutenden Erklärungsmuster für das menschliche Einzelschicksal und das größere Geschehen im All. Schließlich habe das Zweite Vatikanische Konzil die kirchliche Einstellung zu den nichtchristlichen Religionen neu bestimmt und eine größere Gesprächsbereitschaft und Aufgeschlossenheit ihnen gegenüber verlangt. Wem das als Anreiz zur Lektüre immer noch nicht genügt, nehme gemäß Adler zur Kenntnis, daß offenbar das große Bedürfnis nach Deutung unserer Existenz jenseits des Todes in der Kirche nicht hinreichend befriedigt wird.
Dies alles sind sicher keine unwichtigen Hinweise, die einen moderner Theologie zugewandten Leser u.U. die Mühe auf sich nehmen lassen, die geschichtliche Entwicklung und Verbreitung des Gedankens der Wiedergeburt in der indischen Geisteswelt, der europäischen Antike, in anderen Kulturkreisen und schließlich heute zu studieren. Dabei kommt er nicht umhin, sich auch mit Spiritismus, Spiritualismus, Theosophie, Anthroposophie u.ä. zu befassen.
Schnell-Leser können vielleicht auch bald bis auf Seite 169 durchblättern, wo der Autor des Buches „Wiedergeboren nach dem Tode?“ (Fragezeichen) die weltanschaulichen Grundprobleme erörtert, wie sie sich vornehmlich aus katholischer Perspektive ergeben. Adler versucht hier zu erklären, warum die Vorstellung von einen erneuten Erdenleben ihre Faszination auf die unterschiedlichsten Menschen und weltanschaulichen Gruppen unseres Kulturraumes ausübe. Sein wichtigster Grund für Katholiken: Die moderne Seelsorge (Seelsorge hier als kirchliche Arbeit überhaupt verstanden), die sich an der aktuellen Theologie orientiert hat, vermag bestimmte Bedürfnisse bei vornehmlich nicht-intellektuellen Gläubigen nicht mehr zu befriedigen; Bedürfnisse, die sich etwa in der bangen Frage äußern, was denn das Schicksal der ungetauft gestorbenen Kinder sei, oder wie es um die Seelen der nicht voll ausgetragenen Embryonen stehe usw. Die klassische katholische Theologie habe auf diese und ähnliche Fragen noch eine Antwort geben können. Sie sei nämlich davon ausgegangen, daß eine menschliche Seele auch ohne den Leib aktionsfähig bleibe. Mittlerweile habe sich aber durch die moderne Bibelauslegung ein Auffassungswandel ergeben, der sich von der bisherigen Vorstellung einer vom Körper trennbaren Seele entfernt habe. Die in der Re-Inkarnations-Literatur angeführten Fakten ließen aber erkennen, daß das anima-separata-Modell, also die Vorstellung einer vom Leibe lösbaren Seele, vom empirischen Befund gestützt würde.
Adler, der sich nirgends als Anhänger der Re-Inkarnation zu erkennen gibt, befürwortet eine stärkere Hinwendung zu den überraschenden Fakten spiritistischer Natur, für die weder Naturwissenschaft noch Theologie plausible Erklärungen haben. Vielleicht hat aber gerade die Theologie derzeit noch wichtigere ungelöste Fragen.