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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV BUCHBESPRECHUNG 1972 ::: ARCHIV KIRCHE 1972 :::
Buchbesprechung 19. August 1972

Buchbesprechung
kath. Theologie und Kirche

Karl Ledergerber
DIE AUFERSTEHUNG DES EROS
Die Bedeutung von Liebe und Sexualität für das künftige Christentum.
München, 1971, 222 Seiten

Mit der Aussicht, daß die Erfahrung der sexuell-erotischen Liebe in der Zukunft einer der wenigen Wege zur Gotteserfahrung sein könnte, läßt Karl Ledergerber sein Buch über die Bedeutung von Liebe und Sexualität für das künftige Christentum enden. Eine ungewöhnliche Perspektive, die eher in die Zeit orientalischer Tempelprostitution als in die unsrige mit ihrer säkularisierten Sexualpraxis zu passen scheint. Vollends deplaciert muß eine derartige Auffassung im Raum einer Kirche wirken, die mit großer Ängstlichkeit den Ausbrüchen sexueller Emanzipation zu wehren versucht. Auf den ersten Blick ist man erstaunt, von einen Autor, der vor zehn Jahren das vielbeachtete Buch „Kunst und Religion in der Verwandlung“ geschrieben hat, jetzt ein Werk mit dem provozierenden Titel „Die Auferstehung des Eros“ in die Hand zu bekommen. Aber schon nach der Lektüre der ersten Seite zeigt sich der theoretische Ansatz, der beide Themenbereiche miteinander verbindet. Er läßt sich am besten mit dem Begriff der Entsakralisierung umschreiben. Während sich aber die Kunst mit allen sonstigen Bereichen von einer überholten Sakralität befreit habe, sei die Sexualität noch weitgehend in den Fesseln einer kirchlichen Sakralwissenschaft gefangen gehalten.

Sie trennt weiterhin gerade auf diesem Sektor noch scharf zwischen sakral und profan. Dabei wird das Geistige stärker dem Göttlichen und damit Sakralen, das Leibliche, und dabei vor allem das Sexuelle, mehr dem Profanen zugeordnet. Das schlägt sich in einer Abwertung aller Phänomene nieder, die erotischer und sexueller Natur sind. Gerade das Christentum kennt einen Unterschied zwischen der geistig-religiösen Liebe, die als hohe bezeichnet wird, und einer niedrigen, die sich im sexuellen Rahmen abspielt.

Daß beide bislang nicht in einen sich gegenseitig bereichernden Einklang gebracht werden konnten, wertet Ledergerber als Zurückbleiben hinter der christlichen Botschaft. Die Liebe, von der das Evangelium spricht, appelliert an die Hingabebereitschaft des Menschen. Sie läßt sich aber in allen echten Formen der Liebe, nicht zuletzt auch in der erotischen, verwirklichen. Ledergerber schreibt – und beruft sich hierbei auf den christlichen Philosophen Solowjew: „Leibhafte Liebe ist nicht nur kein Hindernis zu selbstloser Liebe, sondern ein Mittel, um sie zu erlangen.“ Gerade ihr ekstatisches Moment, das den Menschen aus sich herausführt, ist ihm eine Bestätigung seiner Ansicht. Man brauche nur das Johanneswort, daß jeder, der liebt, Gott erkennt, auf die Sexualliebe zu übertragen, um der unheilvollen Entzweiung von geistiger und körperlicher Liebe zu entkommen.

Ledergerber, der aus der geschichtlichen Evolution des Menschen eine Fülle an Material beibringt, sieht einen Frühling des Eros kommen, eines Eros, der zur Berührungsfläche und Vermittlung zwischen Gott und Mensch wird. Eros reiße den Menschen aus seinem Ich heraus und befähige ihn, „dem Unfassbaren zu begegnen und sich ihm hinzugeben.“ Allerdings müsse die Sexualität aus der von der Kirche zugebilligten bloßen Fortpflanzungsfunktion gelöst werden und einen nicht nur an die Ehe gebundenen selbständigen Wert erhalten.

Weiten kirchlichen Kreisen dürften Ledergerbers Thesen über den Horizont gehen; für kirchlich nicht gebundene Menschen bringen sie zum Teil längst Erkanntes, zum Teil Unverständliches. Beide Seiten werden auf Ledergerber vermutlich nicht hören. Das ist bedauerlich angesichts des Versuchs, die unbewältigte Sexualität mit den besten Kräften der menschlichen Entwicklung zu konfrontieren.


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