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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1994 :::
21. März 1994

Informationsveranstaltung am 25.3.1994 in Berlin
BASSO-TRIBUNAL
zum Asylrecht in Europa


1. Europa gehört mit seiner Asylpolitik auf die Anklagebank: 1. Europa hat es unterlassen, die Genfer Flüchtlingskonvention weiterzuentwickeln.

Das Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung zu den Fragen des Asylrechts vom 12.3.1987 darauf hingewiesen, daß sich die Ursachen für Flucht seit Abschluß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verändert hätten und die Definition des Flüchtlingsbegriffs daher einem Wandel unterliegen müsse. Deswegen fordert das Parlament die EG auf, die Initiative zur Ausarbeitung eines Vorschlags einer neuen Definition des Flüchtlingsbegriffs zu ergreifen. Hierbei wäre es vor allem darum gegangen, die Kriegs-und Bürgerkriegsflüchtlinge angemessen einzubeziehen.

Dieser Aufforderung ist die EG bzw. EU nicht nachgekommen.

2. Europa hat sich vom Geist der Genfer Flüchtlingskonvention abgewendet.

Im Dezember 1991 einigen sich die EG-Staaten in Maastricht durch den „Vertrag über die politische Union“, die Visapolitik gemeinschaftlich zu regeln. Darüber hinaus legen sie fest, daß das Asylrecht eine Frage von Gemeinschaftsinteresse sei. Damit sind allerdings nicht Regelungen in Form von Gemeinschaftsrecht, sondern lediglich zwischenstaatliche Konventionen intendiert.

Das hat einen doppelten Grund: Zum einen wird das Europäische Parlament aus der Rechtssetzung ausgeschlossen, sie bleibt bei einer Konvention den Ministerriegen und Beamtenstäben vorbehalten. Zum anderen können europäische Nicht-EG-Staaten vertraglich in Konventionen eingebunden werden. Damit läßt sich eine „Vorfeldpolitik“ betreiben, die die Außengrenzen der Flüchtlingspolitik vorverlegt.

Zum Zeitpunkt des Maastricht-Vertrages existieren bereits derartige Konventionen. Die Dubliner Konvention vom 15. Juni 1990 legt fest, welcher Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sein soll. Zuständig ist der Staat, der durch Visaerteilung eine Einreise ermöglicht hat, bzw. der Staat, über dessen Grenze der Flüchtling erstmals in den EG-Raum illegal eingereist ist. Einen Anspruch auf Asyl regelt sie nicht.

Im sogenannten Schengener Zusatzabkommen vom 19. Juni 1990 sind Zuständigkeiten, Kontrollprozeduren und Sanktionen festgelegt. Es geht u.a. darum, eine gemeinsame Liste visapflichtiger Länder zu führen, auf der mittlerweile über 100 Staaten stehen und Fluggesellschaften und Transportunternehmer zu bestrafen, die Flüchtlinge ohne ausreichende Reisedokumente befördern. Schengen ist der erste internationale Vertrag nach dem 2. Weltkrieg, der sich gegen Flüchtlinge richtet.

Mit diesen Verträgen wird einerseits das Europäische Parlament umgangen, andererseits sind gerichtliche Überprüfungen von Entscheidungen auf der Basis der Verträge nicht vorgesehen. Eine inhaltliche Harmonisierunq des Asylrechts, obwohl stets zur Begründung angeführt, findet nicht statt. Harmonisiert wird nur die Abwehr von Flüchtlingen.

3. Europa nimmt den Zusammenbruch des internationalen Flüchtlingsschutzes, wie er durch Genf garantiert werden soll, in Kauf.

Das Instrument der sicheren Drittstaaten und die Rücknahmeübereinkommen mit den osteuropäischen Staaten führen bei diesen zu ähnlichen Regelungen mit ihren Nachbarstaaten. Damit werden Kettenabschiebungen möglich.

Das Ergebnis ist eine großräumige Abschottung von Gibraltar bis hinter den Ural, vom Nordkap bis zum Peloponnes.


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