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28.05.1998

Asylverfahren: Paß echt oder falsch?
Afghanin wurde durch unklaren Hinweis des
Bundesgrenzschutzes als pakistanische Staatsangehörige
betrachtet und als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt
PRO ASYL: Schlamperei des BGS, Jagdeifer und
blanker Unsinn beim BAFL


Obwohl dem Bundesgrenzschutz eine Fülle technischer Mittel zur Überprüfung der Echtheit von Dokumenten zur Verfügung stehen, verläßt er sich auf die unüberprüften Aussagen ausländischer Grenzbehörden und der Fluggesellschaften und gibt die so ermittelten angeblichen Fakten an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge weiter. Im vorliegenden Fall führte dies zu der kuriosen Ablehnung einer afghanischen Asylsuchenden als „offensichtlich unbegründet“. Begründung: Sie sei Pakistanerin.

Die Afghanin B. landete am 10. April 1998 mit einem Flug der Lufthansa auf dem Flughafen Rhein/Main und berief sich unter anderem darauf, von den Taliban als Frau verfolgt worden zu sein. Die zunächst zuständige Einzelentscheiderin des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auf dem Frankfurter Flughafen gestattete nach der Anhörung beim Bundesamt, die in der Sprache Dari durchgeführt wurde, die Einreise zur Durchführung eines Asylverfahrens im Inland.

Am 29. April 1998 übermittelte das Bundesgrenzschutzamt Flughafen dem Bundesamt, Außenstelle Flughafen Rhein/Main, die Information, Frau B. und ihre drei Kinder seien bei der Vorkontrolle am Flugzeug nach der Landung nur im Besitz eines afghanischen Personalausweises gewesen. Und weiter: „Der bei der Ausreise vorgelegte pakistanische Reisepaß (von dem dem BGS eine Kopie vorliegt, Anm. PRO ASYL) war sowohl von der Grenzpolizei in Pakistan als auch von den speziell geschulten Mitarbeitern der Lufthansa als echt bewertet worden. Somit besteht der Verdacht, daß das inzwischen beim Bundesamt unter dem AZ.: (…) betriebene Asylverfahren unter falscher Identität betrieben wird.“ Dies nahm ein auch zeitweilig am Flughafen tätiger Entscheider des Bundesamtes bereits am folgenden Tage zum Anlaß, um Frau B. und ihre Kinder als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnen. Obwohl der BGS nur einen Verdacht geäußert hatte, werden die Antragsteller in dem Bescheid bereits als pakistanische Staatsangehörige bezeichnet, der Verdacht des BGS wird ohne weitere Nachforschungen zur Tatsache erklärt. Der Antragstellerin wird vorgeworfen, sie habe falsche Angaben gemacht, weshalb man auf weitere Einzelheiten verzichten könne. Der echte pakistanische Paß beweise, daß sie und die Kinder pakistanische Staatsangehörige seien. Wer gefälschte Beweismittel vorlege und über seine wahre Identität zu täuschen versuche, sei als offensichtlich unbegründet abzulehnen.

Was von dem Hinweis des Bundesgrenzschutzes auf die Überprüfung der Grenzpolizei in Pakistan und die speziell geschulten Mitarbeiter der Lufthansa zu halten ist, hat der eingeschaltete Rechtsanwalt inzwischen beim Verwaltungsgericht dargestellt. Bereits aus der Kopie des pakistanischen Passes sei zu ersehen, daß es sich um eine deutliche Fälschung handeln müsse. Als Geburtsdatum im Paß ist das Jahr 1950 angegeben. Frau B. sei jedoch fast 20 Jahre jünger, was auch aus dem Paßfoto zu ersehen sei. Im übrigen war die Anhörung auf dem Flughafen in Dari durchgeführt worden, das nicht die Landessprache Pakistans ist, wo überwiegend Urdu oder Punjabi gesprochen wird. Frau B. hat auch Kontakt zu ihrem leiblichen Bruder, der in Deutschland seit vielen Jahren lebt und der inzwischen eine Geburtsurkunde für Frau B. besorgt hat. Damit dürfte feststehen, daß es sich bei Frau B. und ihren Kindern um afghanische Staatsangehörige handelt.

Nach Auffassung von PRO ASYL belegt dieser Vorgang, daß der Bundesgrenzschutz unzuverlässige Informationen Dritter auf Verdacht an das Bundesamt weitergibt, obwohl dem BGS die Technik zu eigenen Ermittlungen zur Verfügung steht.

Laut BGS werden die Personalpapiere aller Einreisender, die aus einem Nicht-EU-Staat kommen, am Frankfurter Flughafen in einem bis zu 3-stufigen Verfahren überprüft. Bereits am Grenzkontrollschalter kann eine erste Inaugenscheinnahme mittels UV-Lampen erfolgen. Besteht auch nur der geringste Verdacht auf eine Fälschung, erfolgt eine eingehende Überprüfung auf der BGS-Wache unter Zuhilfenahme spezieller Testgeräte. Bestehen immer noch Zweifel, so stehen Fachleute des Sachgebietes „Verbrechensbekämpfung“ bereit, deren Aufklärungsquote auf 99,9 Prozent geschätzt wird. PRO ASYL hält es deshalb für fahrlässig, daß der BGS sich ohne eigene Überprüfung auf die Angaben der pakistanischen Grenzpolizei und von Lufthansamitarbeitern berufen hat. Unentschuldbar sei es auch, daß der als besonders flüchtlingsfeindlich geltende Entscheider des Bundesamtes den bloßen Verdacht des Bundesgrenzschutzes zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, ohne mit seiner zuvor am Flughafen anhörenden Kollegin Rücksprache zu nehmen.

PRO ASYL Sprecher Heiko Kauffmann: „Schlamperei des BGS und Jagdeifer einzelner Entscheider ergeben eine brisante Mischung. Die Entscheidung des Bundesamtes ist dann nicht ‚offensichtlich unbegründet‘ sondern ‚offensichtlich Unfug‘.“


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