Gemeinsame Pressekonferenz des DGB Landesbezirks Hessen
und PRO ASYL
Asylpolitik in der Steinzeit
Im Jahre 1991 nach Christi Geburt und 200 Jahre nach Mozarts Tod ist die Bundesrepublik in eine Art Steinzeit zurückgefallen, oder genauer gesagt in eine zweite Jungsteinzeit (wissenschaftlich: NeoNeolithikum). Jugendliche Horden greifen mit Steinen und Brandsätzen die Behausungen fremder Menschen an, die sie als Eindringlinge in ihr Revier betrachten.
Sie konnten sich hierzu nur durch eine Asylpolitik legitimiert sehen, die ausschließlich auf Abwehr und Abschiebung eingestellt war und deren Maßnahmen sich nach Hoyerswerda und Hünxen auf Großlager und Schnellverfahren für Flüchtlinge konzentrierten. Diese unterschwellige, von den Politikern zwar nicht gewollte, aber in kauf genommene Verbindung erklärt dann vielleicht auch den völlig unzulänglichen Einsatz der Ordnungskräfte zum Schutz der Wohnheime von Asylbewerbern in Ost und West.
Angesichts des großen Schocks und des politischen Versagens ist es in dieser Republik zu einem Aufbruch der Solidarität mit Flüchtlingen und Fremden gekommen. An die Spitze dieser von unzähligen Menschen, Gruppen, Initiativen gebildeten Bürgerbewegung hat sich der DGB mit seinem Aufruf zum unmittelbaren und direkten Schutz der Asylbewerber und aller Fremden gestellt, die Opfer von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu werden drohten. Der Gewerkschaftsbund und einzelne Gewerkschaften haben damit eine große gesellschaftliche Verantwortung übernommen, deren Ziel es sein muß, den persönliche Unversehrtheit und menschenwürdige Behandlung Gerade von Asylbewerbern zu sichern.
Dies muß geschehen trotz und gerade wegen des Rechtsrucks, der sich bei Wahlen von Bremen über Bern bis Brescia, von Wien bis zum Vlaamse Blok abzeichnet. Eine solche Entwicklung hat der CLUB OF ROME in seiner kürzlich veröffentlichten Studie „Die globale Revolution“ vorausgesehen und zwar gerade im Zusammenhang mit verstärkten Flucht- und Wanderungsentwicklungen, die angesichts des wachsenden Bevölkerungsdrucks, fehlender Chancengleichheit sowie Tyrannei und Unterdrückung in Richtung Norden und Westen ausgelöst würden.
Der Zusammenschluß von 100 Wissenschaftlern aus 53 Ländern befürchtet ein deutliches Anwachsen des defensiven Rassismus in den Zielländern, ja sogar die Gefahr, Wahlen könnten rechtsgerichteten Diktatoren zur Macht verhelfen.
Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Bürgerrechtsbewegung im kommenden Jahr werden gehören, sich nicht nur einer Veränderung unserer Verfassung zu widersetzen und einen effektiven Schutz von Wohnheimen von Asylbewerbern zu verlangen, sondern sich selbst und die Öffentlichkeit auf das weitere Kommen von Flüchtlingen einzustellen. Weder sogenannte Sammellager noch rechtsstaatlich bedenkliche Schnellverfahren, ja nicht einmal ein Eingriff in die Verfassung werden daran etwas ändern, weil sie nicht an den Ursachen ansetzen. Wohl wird es notwendig sein, in größerem Umfang menschengerechte Aufnahmekapazitäten zu schaffen und ab 1992 die Entwicklungshilfe von derzeit 0,4% des Bruttosozialproduktes zu vervielfachen, um sie als Beitrag zur Beseitigung von Fluchtursachen einzusetzen. Das wird kurzfristig keine Auswirkung auf die Asylbewerberstatistik haben. Wenn Erfolge auch frühestens in 10 – 20 Jahren zu erwarten wären, bliebe dies die einzig realistische und humane Form ‚Fluchtbewegungen mit ihrem unendlichen Leid, aus dem sie hervorgehen und zu dem sie führen, zu begegnen.