HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1993 :::
30.6.1993
1. Juli: Asylgesetze in Kraft
ASYL IN DEUTSCHLAND: PLZ 0
SPD soll Normenkontrollverfahren anstrengen
„Asyl in Deutschland: Postleitzahl 0“. Mit diesem bitteren Slogan verweist die Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“ auf die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, die mit dem 1. Juli in Kraft tritt. Die Bürgerrechtsbewegung für Flüchtlinge sieht sich nach der jetzt geltenden Rechtslage vor neue und schwere Aufgaben gestellt. „Wir müssen uns künftig dafür einsetzen, daß der durch die Verfassung, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Internationalen Menschenrechtskonventionen verbliebene Schutz für Flüchtlinge auf juristisch bisher ungewohnte Weise ausgeschöpft wird“, erklärte „Pro Asyl“-Sprecher Herbert Leuninger.
- So will „Pro Asyl“ in Kürze ein Rechtsgutachten vorlegen, das feststellt, inwieweit das Grundgesetz in Artikel 1 (Schutz der Menschenwürde) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) auch ohne den bisherigen Artikel 16 eine Basis für den Schutz von Flüchtlingen ist.
- In einem Schreiben an den Fraktionsvorsitzenden der SPD Hans-Ulrich Klose fordert „Pro Asyl“ die sozialdemokratische Bundestagsfraktion auf, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Normenkontrollverfahren gegen Paragraph 34a des neuen Asylverfahrensgesetzes anhängig zu machen. Dieses Vorgehen ergäbe sich zwingend aus dem Abstimmungsverhalten der Fraktion, die mehrheitlich das Begleitgesetz wegen seiner Verfassungswidrigkeit abgelehnt habe. Dies sei vor allem auf die rechtliche Einschätzung von Hans-Jochen Vogel zurückzuführen, der die Beschränkung des Rechtsweges für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Drittstaaten als Eingriff in die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes bewertet habe.
- Eine besondere Aufgabe sieht „Pro Asyl“ darin, „Initiativen zu ermutigen, die rechtlos gestellte Flüchtlinge, die bei einer Ausweisung Gefahr für Leib und Leben oder schwere Menschenrechtsverletzungen befürchten müssen, durch das Kirchenasyl oder andere Formen persönlicher Asylgewährung doch noch zu ihrem Recht zu verhelfen suchen“. Dies beziehe sich u.a. auf Kurden aus der Türkei und auf Roma, die als Minderheit in Südosteuropa durch wachsenden Nationalismus und Rassismus bedroht seien. Ihnen müsse auf nationaler Ebene ein Bleiberecht eingeräumt werden. In Europa seien für das Volk der Roma auf der Grundlage internationaler Abkommen spezifische Minderheitenrechte, u.a. das Recht auf Freizügigkeit durchzusetzen. Die Bundesrepublik habe durch die Ausrottungspolitik Hitlers gegenüber Sinti und Roma eine unaufgebbare Verpflichtung gegenüber dieser Minderheit, heißt es in der Erklärung von „Pro Asyl“.