Muss Mehmet gehen…
…damit Zahir kommt?
A h r w e i l e r
Podiumsdiskussion zum Zuwanderungsgesetz
EINLADUNG
Ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr e.V.
Ausländerbeirat des Landkreises Ahrweiler
Pressemitteilung
Muss Mehmet gehen…
… damit Zahir kommt?
Podiumsdiskussion zum geplanten Zuwanderungsgesetz
Die Frage treibt seit Monaten – immer mal wieder – viele Mitbürger in den Gemeinden, den Vereinen, den landwirtschaftlichen und mittelständischen Betrieben um: „Muss Mehmet (der Name steht für viele andere Namen von Nachbarn und Kollegen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind) gehen … damit Zahir kommt?“ – und: „Brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz, und was soll dadurch erreicht werden?“
Seit Anfang der 90er Jahre sind die – meist dunkelhaarigen – Menschen aus Asien, Südosteuropa und Afrika ein gewohnter Anblick in unseren Stadtvierteln und Dörfern. Mehr noch, sie sind Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen geworden. Ihre Kinder besuchen gemeinsam mit unseren Kindern Schule und Kindergarten; sie sprechen Deutsch in unserem rheinischen Tonfall.
Viele – gerade mittelständische – Unternehmer können sich schwer vorstellen, auf ihre ’neuen‘ ausländischen Mitarbeiter zu verzichten. Im Gaststätten- und Hotelgewerbe, in landwirtschaftlichen Betrieben, in Werkstätten und vielen anderen Unternehmen sind sie oft unentbehrlich geworden.
Nun ist ein neues Zuwanderungsgesetz geplant – man liest davon in der Zeitung, hört darüber in den Medien; aber fast keiner weiß so recht, was dahinter steckt.
Die Ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr e. V. hat darum gemeinsam mit dem Ausländerheirat des Landkreises Ahrweiler Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen zu einer Podiumsdiskussion nach Ahrweiler in die Zehntscheuer zu einem Informations- und Erfahrungsaustausch mit den Bürgern eingeladen.
Am Tag nach Aschermittwoch, am Donnerstag 14.02. um 20.00 haben alle Kollegen, Freunde und Arbeitgeber der bei und mit uns lebenden Ausländer Gelegenheit, den Politikern zuzuhören und sie direkt zu befragen.
Auch wenn wir uns schon fast im Wahlkampf befinden, soll dies keine Wahlveranstaltung sein.
Es gab einmal den Slogan: „Wir riefen Arbeitskräfte – und es kamen Menschen.“ Jetzt – trotz vier Millionen Arbeitslosen – brauchen wir wieder Arbeitskräfte. Aber sie sind schon da … und sie sind Menschen, die unsere Nachbarn sind.
Vielleicht kann das neue Zuwanderungsgesetz ihnen und uns neue Sicherheit bringen; vielleicht wird aber alles noch unsicherer. Die Politiker aller Parteien suchen noch immer nach der besten Lösung. Wir – die Wählerinnen und Wähler im Landkreis Ahrweiler – haben am 14.02. Gelegenheit, sie zu befragen und ihnen unsere Gedanken und Erfahrungen mitzugeben.
PLAKAT
Ahrweiler
Podiumsdiskussion zum Zuwanderungsgesetz
Auf Einladung der ÖKUMENISCHEN FLÜCHLTINGSHILFE e.V. und des AUSLÄNDERBEIRATES des Kreises Ahrweiler hatten sich am 14. Februar 2002 mehr als 70 Bürgerinnen und Bürger in der Zehntscheune von Ahrweiler eingefunden.
Fotos: Gisela Heinen und Herbert Leuninger
PRESSE
Rhein-Zeitung vom 21. Februar 2002
Schnellschuss mit Folgen
Podiumsdiskussion zum geplanten Zuwanderungsgesetz:
Schon jetzt besteht Nachbesserungsbedarf
Das geplante Zuwanderungsgesetz war Thema einer Podiumsdiskussion, zu der die Ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr und der Ausländerbeirat des Kreises Ahrweiler eingeladen hatten. Zahlreiche Besucher wollten hören, was Parteivertreter dazu sagen.
AHRKREIS. – Kirchen und Ausländerhilfsorganisationen sehen schon jetzt Nachbesserungsbedarf beim geplanten Zuwanderungsgesetz. Sie warnen vor einem übereilten Schnellschuss mit kaum wieder gut zu machenden Folgen. Die Ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr und der Ausländerbeirat des Kreises Ahrweiler diskutierten das Thema jetzt öffentlich mit Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen.
„Es mangelt an Gelegenheiten, den Politikern unsere Erfahrungen mit auf den Entscheidungsweg geben zu können“, kritisierte Pelagie Wurms als Vorsitzende des Ausländerbeirates. Tatsächlich scheint die Gesprächsbereitschaft nicht groß. (CDU) MdB Wilhelm Josef Sebastian blieb dem Podium fern, ebenso der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Dieter Thomae, der aber seinen Referenten Wolfgang Kownatka ins wortreiche Rennen schickte. Pfarrer Klaus Neufang freute sich dennoch, die Gesprächsrunde vor einer sehr großen Zuhörerschaft eröffnen zu können: „Das Thema stößt zumindest in der Bevölkerung auf großes Interesse!“
Applaus aus dem vollen Saal erntete der streitbare Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation für Flüchtlinge „Pro Asyl“. Pfarrer Herbert Leuninger nahm auch in Ahrweiler kein Blatt vor den Mund: „CDU und CSU bedienen mit ihren Themen lieber die Stammtische als kritische Gesprächsrunden. Da ist es kein Wunder, dass sich die CDU auch heute Abend vor der Diskussion drückt!“
„Das ist kein Zustand“
Die SPD macht in diesen Tagen allerdings Druck in Sachen Zuwanderungsgesetz. Die Bundestagsabgeordnete Andrea Nahles (SPD) erwartet, „dass es bis zum Sommer zur Verabschiedung des Gesetzes kommt“. Sie fordert jedoch ein „verbrieftes Recht auf Integration“. Zudem sei es „kein Zustand, dass Aufenthaltsrecht und Arbeitsrecht noch immer getrennt sind“. Für Herbert Leuninger steckt kaum mehr als operative Hektik dahinter. „Deutschland ist seit 30 Jahren neben den USA das zweitgrößte Einwanderungsland.“ Für ihn ist es „ein sträfliches Versäumnis, dass es die deutschen Regierungen seitdem nicht geschafft haben, ein brauchbares Zuwanderungsgesetz zu formulieren“. „Pro Asyl“ kritisiert vor allem „den großen Zeitdruck, den die Regierung jetzt macht“. Dies sei angesichts der großen Tragweite des Reformprojekts leichtfertig und sachlich nicht zu begründen.
Unmut über den Koalitionspartner äußerte der Bundesparlamentarier Christian Sterzing (Grüne). „Ich bin mir nicht ganz sicher über den Standpunkt der SPD.“ Handlungsbedarf sieht er bei den Integrationsbemühungen.
„Doch keine der beiden großen Parteien traut sich zu, eine klare Position beim Zuwanderungsgesetz zu beziehen.“
Auch FDP-Mitglied Wolfgang Kownatka glaubt, dass die Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern erheblich verbessert werden müssten. „Die Steuerung der Zuwanderung ist die herausragende Aufgabe für die Zukünft: „Schließlich sei es seine Partei gewesen, die sehr frühzeitig einen entsprechenden Entwurf zum Zuwanderungsgesetz eingebracht und damit lange vor den großen Parteien auf ein brennendes gesellschaftliches Problem reagiert habe. (dr)
PRESSE
Stadtzeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler 10/2002
Muss Mehmet gehen…
… Damit Zahir kommt?
Neues Zuwanderungsgesetz mit Bundespolitikern diskutiert
AHRWEILER. – Vor der Weihnachtszeit hatten die Ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr e.V. gemeinsam mit der Vorsitzenden des Ausländerbeirats diskutiert und beschlossen, eine öffentliche Diskussion zum Thema „Zuwanderung“ mit den Bundestagsabgeordneten aller Parteien aus unserem Bundesland in der Kreishauptstadt zu veranstalten. Die Gruppe war sich einig, dass ein solcher Diskussionsabend erst nach der Weihnachts- und Fastnachtszeit, aber auch vor der heißen Wahlkampfphase stattfinden müsse. Als günstigster Termin schien allen der 14. Februar, der Donnerstag nach Aschermittwoch; als günstigster Tagungsort: die Zehntscheuer im Zentrum der historischen Stadt Ahrweiler. Gegen 17 Uhr steuerte eine Gruppe von – meist – dunkelfarbigen Ausländern die Zehntscheuer an; sie alle sind Schüler des von der Ökumenischen Flüchtlingshilfe und der Caritas getragenen Deutschkurses für Asylbewerber in Bad Neuenahr. Der Raum wurde hergerichtet, Tische und Stühle gestellt.
Um 20 Uhr war es dann soweit. Die Veranstalter hatten Sorge gehabt, ob überhaupt Interessenten – Bürger aus dem Kreis Ahrweiler – zu dieser Veranstaltung kämen. Aber die Zehntscheuer war bald voll, die Helfer stellten noch schnell zusätzliche Stühle auf. Darum gab auch der 1. Vorsitzende der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr e.V., Pfarrer Klaus Neufang, seiner Überraschung und Freude über den unerwartet großen Zuspruch in seiner kurzen Begrüßung spontan Ausdruck: „Das Thema stößt zumindest in der Bevölkerung auf großes Interesse.“ Eingeladen waren Andrea Nahles von der SPD, Wilhelm Josef Sebastian von der CDU, Christian Sterzing von Bündnis 90/Die Grünen und Dr. Dieter Thomae von der FDP. Noch vor Weihnachten hatten alle Vertreter der Parteien ihre Teilnahme zugesagt. Als Moderator konnte der erfahrene WDR-Journalist und langjährige Auslandskorrespondent der ARD Eberhard Kuhrau gewonnen werden. Leider fiel ein Wermutstropfen in die – so gut vorbereitete – Veranstaltung, als der Abgeordnete Sebastian nach der schriftlichen Zusage seines Büros zwei Wochen vor der Veranstaltung seine Teilnahme absagen ließ, ohne einen Vertreter zu benennen. Trotz intensiver Bemühungen der Veranstalter gelang es nicht, einen Vertreter für den CDU-Bundestagsabgeordneten zu finden.
Um den vierten Stuhl der Podiumsteilnehmer nicht leer stehen zu lassen, entschieden sich die Veranstalter – sehr kurzfristig – einen Fachmann dazu zu bitten: den Mitbegründer von „Pro Asyl“, den Limburger katholischen Pfarrer Herbert Leuninger. Und der – obwohl als Letzter auf dem Podium befragt – brachte Leben in die Runde, als er darauf einging, dass kein Vertreter der CDU den anwesenden Bürgern und mittelständischen Unternehmen Rede und Antwort stehen konnte. Zwar war auch Dr. Thomae, FDP, aus dringenden familiären Gründen an diesem Abend verhindert, aber er hatte seinen Wahlbüroleiter, Wolfgang Kownotka, als sachkundigen Vertreter geschickt. Umso erfreulicher war, so die Organisatoren, dass die beiden Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Bad Neuenahr, Werner Jahr, SPD, und Dr. Hans-Ulrich Tappe, CDU, der offenen und engagierten Diskussion der Bürger mit der Podiumsprominenz lauschten. Das war wohl ganz im Sinne der Vorsitzenden des Ausländerbeirates, Pelagie Wurms, die in ihrer kurzen Begrüßung auf eine wichtige Schwachstelle in der modernen Mediendemokratie aufmerksam machte: „Es mangelte an Gelegenheiten, den Politikern unsere Erfahrungen mit auf den Entscheidungsweg geben zu können“.
In der Zehntscheuer in Ahrweiler hatten die Bürger – unter ihnen mittelständische Arbeitgeber und normale Nachbarn von Asylbewerbern – Gelegenheit, den Bundespolitikern auf dem Podium und den Lokalpolitikern im Plenum ihre Erfahrungen, aber auch ihre Sorgen und Nöte wegen und mit den ausländischen Flüchtlingen weiterzugeben. Die Veranstalter waren froh und dankbar, dass Landrat Dr. Jürgen Pföhler sich durch den leitenden Kreisverwaltungsdirektor Rolf Daniel hatte vertreten lassen.
Es war wohl ein gelungener Abend – jenseits von parteipolitischem Gezänk und Wahlkampffloskeln freuten sich die Veranstalter. Die Bürger konnten ihre Fragen stellen und ihren Forderungen und Sorgen Ausdruck geben; und die Politiker auf dem Podium und Rolf Daniel standen Rede und Antwort. In den hinteren Stuhlreihen saßen die, die betroffen sind: Flüchtlinge – ohne jede rechtliche Sicherheit – aus Afrika, Asien und den GUS-Staaten. Sie hörten zu und sorgten dafür, dass die Zehntscheuer nach dem Ende der Veranstaltung wieder so aussah, als sei nichts geschehen.
PRESSE
Kreisstadt Echo/Ahrweiler 09/2002
„Muss Mehmet gehen, damit Ranga kommt?“
Podiumsdiskussion zum Thema Zuwanderung mit Vertretern der Parteien
Die Podiumsdiskussion zum Thema Zuwanderung in der Ahrweiler Zehntscheuer litt etwas unter der Tatsache, dass kein Vertreter der CDU daran teilnahm. Eingeladen zu der Diskussion unter dem Titel „Muss Mehmet gehen, damit Ranga kommt?“ hatte die ökumenische Flüchtlingshilfe Rhein Ahr und der Ausländerbeirat des Kreises. Unter Leitung von Prof. Dr. Eberhard Kuhrau diskutierten MdB Andrea Nahles (SPD), MdB Dr. Christian Sterzing (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Kownatka (FDP) vom Wahlkreisbüro des MdB Dr. Dieter Thomae, der aus familiären Gründen verhindert war, und Pfarrer Herbert Leuninger von „Pro Asyl“.
Andrea Nahles skizzierte die Intentionen der SPD bei diesem Gesetz. Die verschiedene Genehmigungsverfahren, die jedes halbe Jahr von neuem anstehen, sollen beendet und die Trennung von Arbeitsrecht und Aufenthaltsrecht aufgehoben werden. Sie sprach sich sowohl für eine befristete Niederlassungserlaubnis als auch für verstärkte Integrationsmaßnahmen aus: Integration erfordert Sprachkenntnisse, deshalb befürwortete sie zwingend vorgeschriebene Sprachkurse. Auch die Streitpunkte ließ sie nicht unerwähnt: die Einbeziehung von nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung und die Frage des Nachzugsalters von Kindern. Dr. Christian Sterzing (Bündnis 90/Die Grünen) erläuterte, dass der Gesetzentwurf, bei dem schmerzhafte, aber vertretbare Kompromisse eingegangen wurden, auf drei Säulen beruht:
1. Die Zuwanderung von Fachkräften aus wirtschaftlichen Gründen, Stichwort: greencard. 2. Die Zuwanderung aus politisch-humanitären Gründen wie z.B. bei Bürgerkriegsflüchtlingen. 3. Die Zuwanderung, die auf einem Rechtsanspruch beruht, wie z.B. bei Asylbewerbern und dem Familiennachzug. Diese drei Bereiche dürfen aber nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Wolfgang Kownatka (FDP) sah in der Steuerung der Zuwanderung eine der Aufgaben der Zukunft. Er griff drei Stichworte auf:
Die Zuwanderung muss daran gemessen werden, ob sie den Interessen der Bundesrepublik entspricht. Ebenfalls berücksichtigt werden muss die humanitäre Verpflichtung aus der Geschichte heraus. Die Integrationsmaßnahmen empfand er auch als verbesserungsbedürftig. Harsche Worte fand Pfarrer Herbert Leuninger: „Die CDU weicht solchen Diskussionen aus“, äußerte er sich in Bezug auf die fehlende Partei. Es hat 30 Jahre gedauert, bis sich die Einsicht durchsetzte, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Den Gesetzesentwurf bezeichnete er als Reformruine, Ausländer werden nach dem 11. September generell zu Verdächtigen. Er kritisierte die fehlende Härtefallregelung im Gesetz. Seitens des Publikums wurden Einzelbeispiele in die Diskussion mit eingebracht, in der sich positive und negative Erlebnisse mit Asylbewerbern die Waage hielten. Die Formulierung, Gewinn und Last gleichzeitig, hatte Prof. Kuhrau an den Anfang gestellt, eine abschließende Antwort konnte es aber nicht geben. (gd)
LESERBRIEF
Kreisstadt Echo/Ahrweiler 13. März 2002
Leserbriefe
Wir sind alle sehr betroffen
Stellungnahme der Ökumenischen Flüchtlingshilfe und des Ausländerbeirats des Kreises AW zur Erklärung des Büros des MdB Wilhelm Josef Sebastian (CDU) zum geplanten Zuwanderungsgesetz
Es ist demokratischer Brauch, dass ein Oppositionspolitiker im Wahlkampf zu strittigen Fragen scharfe Geschütze auffährt. Dieses Recht wird niemand unserem CDU-MdB W. J. Sebastian und seinem Büro bestreiten. Betroffen sind wir – als Christen und ehrenamtlicher Begleiter ausländischer Flüchtlinge – allerdings, wenn aus Wahlkampfraison plötzlich flüchtlingsfeindliche Thesen durch das Büro des CDU-Abgeordneten unseres Wahlkreises in der Presse veröffentlicht werden. „Zuzugs- und Bleibeanreize müssen reduziert werden“, „Streichung der Leistungsprivilegierung langjährig in Deutschland lebender Asylbewerber“, „Jeder Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft erteilt er (Herr Sebastian) eine klare Absage“, „Wir wollen eine vom christlichen und humanistischen Menschenbild gekennzeichnete deutsche Gesellschaft“. Vor Weihnachten – im Dezember des vergangenen Jahres – hatte er seine Teilnahme an einem Podiumsgespräch von Bundespolitikern mit den Bürgern und mittelständischen Unternehmern unseres Kreises zugesagt. Am 28. Januar 2002 – gut zwei Wochen vor der Veranstaltung – ließ er seine Teilnahme aus terminlichen Gründen absagen, ohne allerdings einen Vertreter zu benennen. Auch den Veranstaltern ist es trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, einen Vertreter der CDU-Bundestagsfraktion zu gewinnen. Soviel zum Hintergrund der Erklärung des Bundestagsabgeordneten W. J. Sebastian (CDU).
Nun zur Sache: Wir beschränken uns auf einige – uns sehr wichtig erscheinende – Aussagen der Presseerklärung des Büros Sebastian. In der Überschrift steht: „Begrenzung muss durchgängiges Gesetzesziel sein“. Solch eine Überschrift suggeriert, dass durch das neue Zuwanderungsgesetz Tür und Tor für arme Ausländer aller Hautfarben und Religionen geöffnet werden sollen. Der MdB und sein Büro sollten allerdings wissen, dass weder die „Süßmuth-Kommission“ noch der Gesetzesentwurf des Bundesinnenministeriums Deutschland zu einem uneingeschränkten Einwanderungsland machen wollen. Der Abgeordnete und sein Büro sollten aber schon darüber informiert sein, dass gerade in diesem Wahlkreis die hier schon lebenden ausländischen Mitbürger (vor allem die Flüchtlinge) für mittelständische Unternehmen unersetzliche, verantwortliche Mitarbeiter sind. Sie tragen zum Bruttosozialprodukt der Region bei, zahlen in unsere Sozialversicherungskassen – ohne die Gewähr, jemals daraus selbst einen Anteil zu bekommen – finanzieren mit ihrer Lohnsteuer unser Land und unseren Staat.
„Leistungsmissbrauch muss verhindert werden“. Auch das ist eine gängige These, obwohl man es besser wissen müsste. Seit Anfang der neunziger Jahre stehen Flüchtlingen ohne Erwerbstätigkeit nicht mehr – wie allen deutschen Sozialhilfeempfängern – die Leistungen nach dem Bundessozialgesetz, sondern ausschließlich Leistungen nach dem ,Asylbewerber-Leistungsgesetz‘ zu, das, in seinen effektiven Zahlungen mehr als ein Drittel unter dem gesetzlich festgelegten Existenzminimum liegt. Erschwerend für die Betroffenen kommt hinzu, dass diese Leistungen nicht durch Bargeld gewährt werden, sondern, je nach Kommune, durch ,Sachleistungen‘ (Lebensmittelpakete) oder durch Gutscheine, die nicht von allen Geschäften akzeptiert werden; ein Teil wird in Form von Bargeld ausgezahlt: 80 Mark für Erwachsene und Jugendliche über 14 Jahre; 40 Mark für Kinder unter 14 Jahre. Seit Mitte der neunziger Jahre gab es ein absolutes Arbeitsverbot für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge. Auch Diejenigen, die ihren Arbeitsplatz durch eine Firmenpleite verloren hatten, erhielten keine neue Arbeitserlaubnis. Schon von Anfang an dürfen sie erst einen Arbeitsplatz besetzen, nachdem das Arbeitsamt vier bis acht Wochen geprüft hatte, ob dieser Platz nicht durch einen deutschen Arbeitnehmer besetzt werden könnte; das gilt auch weiterhin: alle drei bis sechs Monate muss die Arbeitserlaubnis erneut beantragt werden. Mittelständische Unternehmer aus unserer Region können ein Klagelied über diese Praxis anstimmen.
Inzwischen gibt es nur noch ein absolutes Arbeitsverbot für das erste Jahr nach der Antragstellung auf Asyl. Alle weiteren Anforderungen des Arbeitsamtes gelten fort. Gleichzeitig müssen erwachsene Flüchtlinge – genau wie deutsche Sozialhilfeempfänger – sogenannte „gemeinnützige Arbeit“ (das bedeutet in der Regel Straße kehren und Arbeit bei den Bauhöfen). Das Büro von Herrn Sebastian fordert „die Streichung der Leistungsprivilegien“, doch in der Wirklichkeit leben Asylbewerber und geduldete Ausländer weit unter unserem Sozialminimum – was vor allem die Kinder belastet. „Wir erwarten, dass Ausländer, die nach Deutschland kommen, sich unserer Kultur und Gesellschaft öffnen.“ Dieses Wort des CDU-MdB wird sicher jeder aus unseren Reihen unterschreiben. Problematisch wird es allerdings, wenn das Büro im vorausgehenden Kommentar erklärt: „Jeder Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft erteilt er (W. J. Sebastian) eine klare Absage“. Und noch problematischer wird dieser Satz, wenn man den Schluss der Presseerklärung mit einem Originalzitat des christdemokratischen Bundestagsabgeordneten dazu liest: „Wir wollen eine vom christlichen und humanistischen Menschenbild gekennzeichnete deutsche Gesellschaft (…)“.
Vielleicht wäre es nützlich gewesen, in der Broschüre der christlichen Kirchen in Deutschland zu blättern: „(…) und der Fremdling, der in deinen Toren ist“ – Gemeinsames Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht“ 1997. Dort steht: Unter den Geboten Gottes „gibt es wenige, die dem Schutzgebot gegenüber Fremden und Flüchtlingen an Gewicht und Eindeutigkeit gleichkommen. Die Fremden stehen unter dem unbedingten Schutz Gottes.“ S. 45 (98). Und S. 57 (138): „Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat ändert nämlich nichts daran, dass jeder Mensch zugleich Mitglied der ganzen Menschheitsfamilie und Bürger der universalen Lebens- und Rechtsgemeinschaft aller Menschen bleibt.“
Mit Argumenten hätten wir gerne gestritten und uns auseinandergesetzt. Wir würden gerne an den Sommer 1946 erinnern, als so viele Länder – die USA, Schweden, Kanada, Shanghai usw. – Flüchtlinge aus Deutschland nicht in ihre zerstörte Heimat abschoben. Wir könnten auch politisch argumentieren… und christlich, wie es im gemeinsamen Wort der Kirchen 1997 geschehen ist. Wir wissen, dass wir ein großes Intelligenzpotential unter unseren Flüchtlingskindern haben. Wir sind gute Nachbarn und Freunde der Ausländer und Flüchtlinge, die wir kennen: Und multikulturell sind wir bereits seit dem vorletzten Jahrhundert.
Gisela Heinen
KARTE KREIS AHRWEILER