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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1991 :::
11.12.1991

Betr.: Heutige Entscheidung des Bundeskabinetts zum Schengener Übereinkommen
Sitzen im Bundesinnenministerium Verfassungsfeinde?
Änderung des Grundgesetzes auf kaltem Wege


Das Asylrecht des Grundgesetzes ist einmal „eines der besten Erbteile unserer Geschichte“ genannt worden. Augenscheinlich sieht die Bundesregierung nunmehr die Möglichkeit, sich dieser „Erblast“ zu entledigen.

Versteckt im Ratifizierungsgesetz zum „Schengener Übereinkommen“ schlägt der Bundesinnenminister vor, die Bundesrepublik soll alle Flüchtlinge zurückschicken können, die auch nur einen Fuß auf das Territorium eines anderen Schengener Vertragsstaates gesetzt haben (z.B. Zwischenlandung in Brüssel).

„Pro Asyl“ stellt fest:

Dieser Plan ist verfassungswidrig. Das Grundgesetz schränkt das Recht auf Zugang zum Territorium der Bundesrepublik für Flüchtlinge nicht ein;

Gerade dies aber will der Bundesinnenminister mit seinem als „vertraulich“ eingestuften Gesetzesvorschlag.

In der Präambel der französischen Verfassung wird das Recht auf Asyl für solche Personen garantiert, die verfolgt würden, weil sie sich für die Freiheit eingesetzt haben. Dies hat den französischen Verfassungsrat veranlaßt, anläßlich der Empfehlung zur Ratifizierung des Schengener Übereinkommens am 25. Juli 1991 ausdrücklich auf folgendes hinzuweisen: Selbst wenn wegen „Schengen“ die Zuständigkeit zur Behandlung eines Asylgesuchs bei einem anderen Staat liege, soll die Französische Republik ein solches Asylrecht gleichwohl (erneut) überprüfen.

Dies ist auch nur folgerichtig. Solange es keine einheitlichen Kriterien für die Flüchtlingsanerkennung und keinen einheitlichen Rechtsschutz in Europa gibt, kann und darf es einem Flüchtling nicht verwehrt werden, die Chance der Anerkennung in einem anderen Staat zu suchen.

In der Bundesrepublik wird offiziell immer wieder behauptet, Art. 16 des Grundgesetzes sei einzigartig in der Welt, weil es Flüchtlingen Zugang zum Territorium und zum Asylverfahren gewähre.

Wenn Herr Seiters für seinen neuerlichen Vorschlag parlamentarische Mehrheiten fände, wird die Bundesrepublik bald das großzügigste Asylrecht der Welt ohne Flüchtlinge haben.

„Pro Asyl“ fordert vom liberalen Koalitionspartner FDP, daß dieser ein weiteres Mal der CDU in die Arme fällt.

„Pro Asyl“ fordert die SPD auf, einem solchen Gesetzesentwurf die Zustimmung zu verweigern, sollte die Regierung ihn im Bundestag vorlegen. Es gilt, die Stimme zu erheben gegen geplanten Verfassungsbruch.

Flüchtlinge sind schutzbedürftig, auch in der Euphorie von Maastricht und Weihnachten.

Rainer M. Hofmann
stellv. Sprecher


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