Abschiebungen teilprivatisiert?
Nichtregierungsorganisation IOM soll die Beschaffung von Pässen
für die Staaten Indien und Bangladesch übernehmen
Im Rahmen eines Pilotprojektes soll die International Organisation for Migration (IOM) anstelle der zuständigen Ausländerbehörden und in Abstimmung mit den Bundesländern zukünftig die Beschaffung von „Heimreisedokumenten“ für Flüchtlinge aus Indien und Bangladesch übernehmen. Wie IOM auf Nachfrage bestätigte, sei eine entsprechende Vereinbarung mit fünf Bundesländern inzwischen unterschriftsreif. Weitere Bundesländer hätten ihr Interesse bekundet. Nach einer Empfehlung des niedersächsischen Innenministeriums sollen sich die dortigen Aus-länderbehörden schriftlich mit der Aufgabenübertragung auf IOM einverstanden erklären.
Die Landesregierungen erwarten sich dadurch offensichtlich eine Beschleunigung der Verfahrensabläufe: IOM garantiere die räumliche Nähe zu den Botschaften sowie Kontakte zu den Regierungen von Indien und Bangladesch. Umgekehrt soll IOM für diese Teilprivatisierung hoheitlicher Aufgabe eine Vollfinanzierung der entstehenden Kosten erhalten.
In einer ersten Stellungnahme verurteilt die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf eine Nichtregierungsorganisation als einen Vertrauensbruch gegenüber den Flüchtlingen. Bislang habe IOM selbst Wert darauf gelegt, nur im Rahmen freiwilliger Rückkehr tätig zu werden. Mitarbeiter der Organisation hätten sich bemüht, durch „weiche Formen“ der Rückkehr die Risiken für in Deutschland chancenlose Flüchtlinge so gering wie möglich zu halten.
„Der hohe Vertrauensvorschuß aus dieser Vergangenheit würde verspielt werden, wenn IOM nun gegen Gebühr in den Bereich der Zwangsabschiebungungen einsteigen und sich zum verlängerten Arm der Abschiebebehörden machen lassen würde“, erklärte Heiko Kauffmann – Sprecher von PRO ASYL zu diesem Testlauf.
Indien und Bangladesch verlangen zur Bearbeitung von Paßanträgen umfangreiche Angaben u.a. über den Grund des Aufenthaltes in Deutschland, Name und Adresse der Eltern, den früheren Wohnsitz, Religionszugehörigkeit. Allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen derartige sensible Personaldaten, zumal bei Flüchtlingen, nicht ohne Zustimmung der Betroffenen erhoben werden. Manche Flüchtlinge verweigern jedoch aus Angst vor Repressalien bei ihrer Rückkehr die Antwort auf einen Teil dieser Fragen.
„Wir befürchten, daß IOM die fehlenden Informationen im direkten Kontakt mit den Herkunftsstaaten beschaffen und so die betroffenen Flüchtlinge in Gefahr bringen könnte. IOM ist keine deutsche Behörde. Eine fachaufsichtliche Kontrolle über die Einhaltung des Datenschutzes muß aber jederzeit gewährleistet sein“, so Heiko Kauffmann.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat hat inzwischen den Landesdatenschutzbeauftragten um eine Stellungnahme gebeten.