Abschiebung von Flüchtlingen: Fluggesellschaft Aeroflot
offeriert eigene „Verwahrräume zur Ruhigstellung“
PRO ASYL fordert Aufklärung über Art, Umfang
und Nutzung dieser Abschiebungsmethode
Die russische Fluggesellschaft Aeroflot verfügt offensichtlich über der Öffentlichkeit nicht zugängliche Räume, in denen Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, „ruhiggestellt“ werden. Dies ergibt sich aus der Begründung eines Abschiebehaftbeschlusses des Amtsgerichtes Ludwigsburg, mit dem dreimonatige Sicherungshaft gegen einen 31-jährigen Togoer angeordnet wurde. Dieser hatte sich einem ersten Abschiebungsversuch widersetzt, woraufhin das Flugpersonal seine Mitnahme ablehnte. In dem Abschiebungshaftsbeschluß des Amtsgerichtes Ludwigsburg vom 19. Februar 1997 heißt es wörtlich: „Es ist nunmehr die Durchführung der Abschiebung mit einer Flugbegleitung durch den Bundesgrenzschutz erforderlich, welche nur in beschränkt zur Verfügung stehenden Maschinen der Aeroflot erfolgen kann, welche als einzige Fluggesellschaft über eigene Verwahrräume zur Ruhigstellung verfügt.“
Bereits seit längerer Zeit hatte es Hinweise darauf gegeben, daß Aeroflot weit mehr als andere Fluggesellschaften bereit ist, Widerstand leistende Passagiere zu befördern, die andere Gesellschaften als Sicherheitsrisiko betrachten. Offensichtlich hat Aeroflot seinen lukrativen Abschiebegeschäftszweig nun um den Sonderservice der „Verwahrräume zur Ruhigstellung“ ergänzt.
Was in diesen Verwahrräumen vor sich geht, ist nicht bekannt, scheint deutsche Behörden und Richter aber auch nicht zu interessieren. Unklar ist insbesondere, ob Personal der Aeroflot dort an der Ruhigstellung von Flüchtlingen mitwirkt und auf welche Weise dies geschieht.
PRO ASYL fordert Aufklärung über Art, Umfang und Nutzung dieser Abschiebungsmethode, insbesondere auch darüber, an welchen Flughäfen Aeroflot diese „Ruhigstellung“ offeriert oder ob sie in abgetrennten Räumen der Flugzeuge selbst erfolgt. PRO ASYL Sprecher Heiko Kauffmann: „Die Begründung, Menschen zum Zwecke der Ruhigstellung durch eine Privatfirma inhaftieren zu müssen, markiert eine neue Qualität, die aufzeigt, wie weit die Verrohung in Teilen der Justiz hierzulande fortgeschritten ist. Flüchtlinge, die sich in ihrer Verzweiflung ihrer Abschiebung widersetzen, sind offensichtlich vogelfrei, wenn sich kein Richter dafür interessiert, was sich hinter dem beschönigenden Begriff „Ruhigstellung“ verbirgt.“ Der Vorgang belege die Tendenz, Abschiebungen mit allen Mitteln durchzusetzen und sich dabei auch zunehmend der Hilfe von Privatfirmen oder sogar der Sicherheitsbehörden der potentiellen Verfolgerstaaten zu bedienen.
So war erst vor kurzem bekannt geworden, daß in Folge einer deutsch-algerischen Vereinbarung algerische Sicherheitskräfte Abzuschiebende auf deutschen Flughäfen abholen und jugoslawische Sicherheitskräfte dasselbe mit Kosovo-Albanern tun.
Bereits seit November 1994 übernimmt Ghana Airways laut Rundschreiben der Grenzschutzdirektion Koblenz die Sicherheitsbegleitung bei zwangsweisen Rücktransporten nach Ghana und Nigeria, wobei „Größe und Gewicht des Schüblings“ der Fluggesellschaft offenbar deswegen mitzuteilen sind, damit die Dosierung der Beruhigungsmittel genau bemessen werden kann.
„Ruhiggestellt“ mit tödlichem Ausgang wurde am 30. August 1994 der 30-jährige Nigerianer Kola Bankole, der gefesselt, geknebelt und mit einer „Beruhigungsspritze“ behandelt an Bord einer Lufthansa-Maschine starb.